Zunächst zum Wetter an diesem Dienstagnachmittag in Paris: 16 Grad Celsius, Luftfeuchtigkeit 72 Prozent, somit kühler, als es Alexander Zverev mag. Auch der Name des Kontrahenten weckte zunächst nicht die freudigsten Assoziationen: Gegen Learner Tien, einen 19-jährigen hoch talentierten Kalifornier, hatte Zverev im Februar bei einem Turnier in Acapulco in zwei Sätzen verloren.
Wer allerdings einen Grand-Slam-Titel gewinnen will, muss sieben Personen aus dem Feld schlagen und kann nicht wählerisch sein. Im insgesamt 40. Anlauf bei Grand Slams hat Zverev am Dienstag den ersten Schritt problemlos hinter sich gebracht mit einem jederzeit ungefährdeten Sieg über Tien, 6:3, 6:3, 6:4. „Es war ganz gut, dass ich gegen ihn schon mal gespielt habe“, sagte der Vorjahresfinalist anschließend auf dem Court Suzanne-Lenglen im Interview mit der früheren Spitzenspielerin Marion Bartoli und fügte lächelnd an: „Und vielleicht war es auch ganz gut, dass ich gegen ihn schon verloren hatte.“

Novak Djokovic bei den French Open:Die Klasse der außergewöhnlichen 38-Jährigen
Der Franzose Richard Gasquet hört auf, Rafael Nadal nimmt Ehrungen für sein Lebenswerk entgegen – nur Novak Djokovic schaltet pünktlich zu den French Open in den Angriffsmodus.
Wenn das Match für die schnelle Information im Internet zusammengefasst wird, mag womöglich nur Zverevs Kunstschlag beim Stand von 5:3, 15:0 im ersten Satz übrig bleiben, als er einen Aufschlagreturn außen ums Netz vorbei ins Feld zwirbelte, der noch leicht den Pfosten touchierte. Es war ein unterhaltsames Match: Tien, der bei den Australian Open zu Jahresbeginn schon die vierte Runde erreicht hatte, beherrscht unter anderem clevere, fast ansatzlos geschlagene Stoppbälle, mit denen er den Weltranglistendritten immer wieder ins Laufen, wenn auch nicht in größte Bedrängnis brachte. „Normalerweise spiele ich vier oder fünf Sätze zum Auftakt“, sagte Zverev selbstironisch, deshalb sei es zur Abwechslung ganz nützlich, bei einem Grand-Slam-Turnier Kraft und Nerven zu sparen.
„So bin ich nun einmal. Ich habe meine Höhen und Tiefen“
Nach einigen Turbulenzen zuletzt, einem Blitzschlag ins Flugzeug auf der Anreise nach Paris inbegriffen, geht es bei den French Open darum, störende Schwingungen zu vermeiden. Von dem Magendarmvirus, das ihn vor einer Woche während des Turniers in Hamburg quälte, aber nicht davon abhielt, sich laut eigener Aussage mit 39,4 Grad Fieber bälleprügelnd auf den Platz zu stellen, habe er sich erholt: „Ich fühle mich okay.“ Nicht einmal Zverev selbst sprach von einer optimalen Vorbereitung. Allerdings argumentierte er, dass er es in solch einer Situation ohnehin niemandem recht machen könne: Ein Verzicht auf das Match wegen Magenproblemen hätte, so glaubt er, ebenfalls Kritik nach sich gezogen.
Es war nicht die einzige zweifelhafte Entscheidung in den vergangenen Wochen und Monaten. Auch eine Reise, die ihn im Februar nach dem verlorenen Finale der Australian Open, wo er dem Italiener Jannik Sinner unterlegen war, nach Südamerika führte, trug nicht den erhofften Ertrag ein. Zverev hoffte, während Sinners kurzer, dreimonatiger Dopingsperre die Nummer-eins-Position an sich zu reißen, indem er möglichst viele Weltranglistenpunkte ergatterte. Das Vorhaben ging schief und trug nur zur Erschöpfung bei. Lediglich der Titelgewinn in München steht für ihn in diesem Jahr zu Buche.
„So bin ich nun einmal. Ich habe meine Höhen und Tiefen“, sagte Zverev am Dienstag, als er in der Pressekonferenz darauf angesprochen wurde, dass Spieler wie Carlos Alcaraz, die Nummer zwei der Welt, oder Sinner, noch immer die Nummer eins, angeblich eine größere Konstanz an den Tag legten. Die beiden jüngeren Konkurrenten stehen ebenfalls nach glatten Siegen in Roland Garros in Runde zwei. „Ich bin nicht wie Novak Djokovic oder Rafael Nadal, die bei jedem Turnier im Finale stehen oder standen. Meine Höhen sind hoch, aber meine Tiefs sind tiefer als die von anderen Top-Spielern. Ich habe mich damit abgefunden.“
Und so hofft Zverev, der viermal nacheinander mindestens das Halbfinale in Paris erreicht hat, dass sein „Hoch“ 2025 höher sein möge als das der Rivalen. Der nächste Test steht am Donnerstag in Runde zwei bevor: gegen den 24-jährigen Niederländer Jesper de Jong, der am Dienstag den Italiener Francesco Passaro in fünf Sätzen schlug.