Tennis:Psychospielchen von Roger Federer

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Jetzt mit Bart und als Provokateur: Tennisspieler Roger Federer (Foto: AFP)
  • Roger erreicht ungeschlagen das Halbfinale beim ATP-Finale in London und hofft, dass er noch mal ein großes Turnier gewinnt.
  • Bei seinem Sieg gegen Novak Djokovic erlaubt sich der Schweizer ungewohnte Provokationen.
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Von Matthias Schmid

Roger Federer dachte gar nicht daran, dem Handtuch zu folgen. Er setzte sich vor seinem zweiten Gruppenspiel gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic nicht auf die für ihn vorgesehene Spielerbank - beim Turnier der Jahresbesten in London setzte er sich dorthin, wo es ihm gefiel. Und scherte sich auch nicht darum, dass da schon Handtücher mit dem Namen von Djokovic lagen. Dem Serben, der hinter Federer in die Halle stapfte, blieb nichts anderes übrig, als die Handtücher mit Federers Signatur auf der zweiten Bank zur Seite zu räumen.

Ein Affront des großen Gentleman aus der Schweiz? Könnte dieses Spielchen womöglich ein entscheidender Wendepunkt in der späten Karriere des Roger Federer illustrieren? Ist es gar ein Zeichen dafür, dass die jüngste Geschichte umgeschrieben werden kann?

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Viele, die mit dem Schweizer Tennisprofi sympathisieren, hoffen darauf. Sie hoffen, dass er im biblischen Aktivenalter von 34 Jahren noch mal zurückschlagen kann auf großer Bühne, dass er seinen 17 Grand-Slam-Titeln noch einen weiteren folgen lassen kann. Mindestens. Denn seit seinem bisher letzten Triumph 2012 in Wimbledon wartet Federer auf einen Sieg bei einem der vier großen Majorturniere. Er hat zwar anschließend noch dreimal das Endspiel erreichen können - aber jedesmal hatte er gegen Djokovic, diesen zähen Verteidigungskünstler, das Nachsehen. Federer sei zu alt, zu weich, nicht mehr fit genug, um den Serben in einem Fünf-Satz-Match besiegen zu können, lauteten die Expertisen früherer Fachkräfte. Sie klangen schon wie Nachrufe.

Doch man sollte den elegantesten Spieler, den dieser Sport hervorgebracht hat, nicht vorzeitig abschreiben. Er selbst sagt, dass er "noch einen großen Sieg" in sich spüre. Vielleicht bringt das siegreiche Vorrundenspiel beim ATP-Finale gegen Djokovic tatsächlich die ersehnte Wende. Denn Federer gewann nicht nur in zwei Sätzen und beendete damit Djokovic' Siegesserie von 23 Matches nacheinander. Er steht nun beim ATP-Finale zum 13. Mal im Halbfinale, bei 14 Teilnahmen wohlgemerkt.

Hatte er sich die Provokation mit dem Handtuch also vorher ausgedacht? Ach was, entgegnete Federer. "Wer als Erster rausgeht, der entscheidet, wo er sitzen will, das ist alles, und ich habe mich für dieselbe Bank wie im Spiel gegen Tomas Berdych entschieden." Aber das Handtuch mit Djokovic' Namen? "Ich lasse mich doch nicht von einem Handtuch vertreiben", antwortete Federer.

So frech wie er sprach, so frech spielte er auch gegen Djokovic. Dabei änderte er nicht nur sein Aussehen (Federer lässt neuerdings die Bartstoppeln sprießen), sondern auch seine Taktik ein wenig. Er schwärmte nicht mehr bei jeder Gelegenheit ans Netz aus, um den langen, zermürbenden Ballwechsel gegen den Dauerläufer aus Serbien zu entgehen. Federer mixte sein Spiel noch mehr, als er es ohnehin schon tut, er scheuchte seinen Kontrahenten quer über den Platz, spielte kurz, lang, cross, die Linie entlang.

Je länger sich die beiden gegenüberstanden, desto offensichtlicher wurde Federers Dominanz. Djokovic behauptete hinterher, er habe Federer den Sieg quasi geschenkt. Federer lächelte, als er das hörte, und sagte: "Nach so einem Jahr, wie es Novak gehabt hat, muss man ihn erst mal aus dem Weg räumen. Für mich ist das ein großer Sieg, der mir beim Rest des Turniers helfen kann."

Er hätte auch sagen können: für das neue Jahr. Denn trotz der bitteren Finalniederlagen in diesem Jahr in Wimbledon und bei den US Open war Federer der Einzige auf der Profitour, der dem erstaunlichen Djokovic am nächsten kam und ihn mehrmals besiegen konnte. Dreimal, um genau zu sein, es waren drei von nur fünf Niederlagen insgesamt. Federer spielte in diesem Jahr wieder gefährlich nahe an seinem Optimum, er gewann sechs Turniere und hatte wieder diese besonderen Momente in seinem Spiel, die alles so leicht und mühelos erscheinen lassen. Auch am Donnerstag bei seinem Sieg gegen den Japaner Kei Nishikori.

Federer wirkt drahtiger, fitter

Federer hat seine Rückenprobleme aus dem vergangenen Jahr ausgestanden, er wirkt drahtiger, fitter. "Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr so gut gesehen", sagt der ehemalige Weltranglistenerste John McEnroe: "Er schlägt sensationell auf und bewegt sich großartig." Federer treibt auch mit 34 Jahren noch diese kindliche Begeisterung für Tennis an, die Sehnsucht nach dem 18. Majortitel.

Federer und Djokovic könnten sich in London im Endspiel wieder begegnen. Ob der Schweizer sich dann wieder die Spielerbank aussuchen wird?

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