Tennis:Projekt Silberfang

Julia Goerges

Wichtiger Punkt: Julia Görges gewann im Fed Cup in Lettland das zweite deutsche Match.

(Foto: Roman Koksarov/AP)

Die besten deutschen Spielerinnen, alle um die 30 Jahre alt, verhindern in Lettland den Abstieg - und wollen die Kräfte bündeln, um noch einmal den Fed Cup zu gewinnen.

Von Barbara Klimke

Das Thema würde an Brisanz gewinnen, das wusste Andrea Petkovic, als sie den Jutebeutel füllte. Petkovic jettet als Tennisspielerinnen um die Welt, aber sie hat auch ein Leben, in dem Spinat vorkommt, und wie das eine mit dem anderen zusammenhängt, hat sie vor einer Weile im SZ-Magazin beschrieben: Blattgemüse gehört demnach nicht zu ihren Lieblingslebensmitteln, aber wegen der Mineralien, Vitamine und sonstiger segensreicher Inhaltsstoffe entscheidet bei ihr mittlerweile das Vernunftsprinzip. Wer Gesundheit und Jutebeutelnachhaltigkeit den Vorzug gibt, so lautet ihre ironische Selbstanalyse, der hat seine stürmische Jugend hinter sich: Spinat, das Symbol fürs Älterwerden.

Das Alter der deutschen Tennisspielerinnen hat am vergangenen Wochenende beim Relegationsduell mit Lettland im Nationenturnier Fed Cup nun tatsächlich Relevanz erhalten, was nicht allein an Petkovic lag. Sie ist nur eine aus dem formidablen Quartett mit einem Durchschnittsalter von mehr als 30 Jahren, das in Riga 3:1 gewann. Petkovic, inzwischen 31, fegte zum Auftakt die French-Open-Siegerin von 2017, Jelena Ostapenko, vom Court, ehe ihre Kollegin Julia Görges, 30, zum 2:0 erhöhte. Mona Barthel, mit 28 Jahren sozusagen das Küken im Team, fügte Ostapenko die nächste Niederlage zu, und als Barthel anschließend mit der Doppel-Spezialistin Anna-Lena Grönefeld, 33, noch einmal den Platz betrat, war der Ausgang längst besiegelt: Die Auswahl hat ihren Platz unter den besten acht Mannschaften der Welt behauptet und nach Meinung von Fed-Cup-Teamchef Jens Gerlach unter Beweis gestellt, dass ihr alles zuzutrauen ist. Das führte umgehend zu der Frage, was für diese bemerkenswerte Ü30-Gemeinschaft in Zukunft noch möglich ist.

Es ist ein Thema von gewisser Dringlichkeit geworden, weil Angelique Kerber, die Wimbledonsiegerin, auch schon 31 ist. Kerber musste in Riga wegen einer Grippe passen, sie schwingt aber in dieser Woche beim WTA-Turnier in Stuttgart wieder den Schläger. "Natürlich wäre es schön, wenn wir irgendwann als Team und als Generation den Fed Cup auch mal gewinnen können", sagte sie am Montag. In den kommenden Wochen wollen sie darüber sprechen, "wie es nächstes Jahr weitergeht". Der massige Pott gehört zu den Pokalen, die in ihrer Trophäensammlung noch fehlt.

Die Spielerinnen, die sonst das Jahr über als Solistinnen auf Tour sind, haben nun also abgemacht, noch einmal - gewissermaßen als Generation Spinat - alle Kräfte zu bündeln und, möglichst verstärkt durch Kerber, gemeinsam auf Silberfang zu gehen; angeführt vom Teamchef, der im Sportinformationsdienst sogleich verkündete, er werde alles dafür tun, dass die Altersklasse "das Ding hochhalten darf". Die nächste Gelegenheit bietet sich 2020, weil in diesem Jahr nur noch das Finale zwischen Australien und Frankreich ansteht.

Mehr als ein Vierteljahrhundert ist inzwischen vergangen, seit die Spielerinnen des DTB letztmals den Fed Cup gewannen: 1992, als Steffi Graf in den goldenen Tenniszeiten ein Team mit Anke Huber, Barbara Rittner und Sabine Hack um sich versammelte. 2014 verlor die deutsche Auswahl das Finale gegen Tschechien, und spätestens seitdem steht für Petkovic dieser Titel ganz oben auf der Wunschliste: "Das ist ein Traum, den ich mir noch erfüllen möchte", sagte sie, "vor allem mit den Mädels." Denn jede einzelne des Riga-Quartetts hatte schon vor sieben Jahren beim letzten Abstieg unter Gerlachs Vorgängerin Barbara Rittner auf dem Platz gestanden.

Auch das verstärkt den Eindruck, dass sich das Zeitfenster für das Projekt Silberpott bald schließen könnte. Denn die Nachwuchsgeneration, die den Älteren das Zepter aus der Hand nehmen könnte, ist nicht in Sicht. Mona Barthels ist aktuell die Nummer 90 der Weltrangliste; kein Jüngere ist vor ihr platziert. Gerlach betrachtet das mit Sorge. Er würde sich wünschen, dass eine Spielerin mit Anfang 20 den Sprung unter die besten 100 schafft, sagte er: "Das ist im Moment aber nicht der Fall."

Ohnehin ist im Tennis der Frauen eine Zeitenwende angebrochen: Die Ära, in der Serena Williams aus den USA, 37 Jahre alt, 23-malige Grand-Slam-Turniersiegerin und mehr als 300 Wochen lang die Nummer eins, das Geschehen dominierte, ist vorbei. In den 18 Turnieren seit Jahresbeginn haben 18 verschiedene Spielerinnen die Trophäen in den Himmel gehoben, eine Entwicklung, die in der Geschichte der Frauen-Tour WTA als beispiellos gilt. In dieser glücklichen Konstellation hat jede gute Chancen zu gewinnen, Junge und Erfahrene, Newcomerinnen und Routiniers. Und deshalb ist dies vielleicht die beste Gelegenheit für die Ü30 des DTB, sich noch einmal in einer Gemeinschaftsaktion den Fed Cup zu schnappen. Julia Görges hat das Projekt am Montag jedenfalls so kommentiert: "Ich kann nicht sagen, dass ich mich alt fühle."

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