Tennis-Profi Julia Görges:Selbstbewusst wie nie zuvor

Tennis-Profi Julia Görges: Wieder in Form: Julia Görges

Wieder in Form: Julia Görges

(Foto: AP)

Nach zwei schwierigen Jahren mit vielen Niederlagen erlebt Julia Görges den besten Saisonstart ihrer Karriere. Sie will zurück unter die Top 20. Und am Wochenende in Stuttgart wieder Einzel im Fed Cup spielen.

Von Matthias Schmid

Die Strecke über die Neue Weinsteige hinauf nach Degerloch kannte Julia Görges noch nicht. Dabei ist die Tennisspielerin aus dem schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe mit Stuttgart bestens vertraut, schließlich findet dort jedes Jahr das nach einem Sportwagenhersteller benannte WTA-Turnier statt. Doch in der schmucken Herberge neben dem Fernsehturm auf Degerlochs Höhen hatte sie nie zuvor genächtigt. Dort logiert nun die deutsche Nationalmannschaft. "Das ist mal etwas Neues für mich", sagt Görges.

Mit dem Zug war sie Anfang der Woche aus ihrer Heimat ins Schwäbische gereist, wo am Samstag und Sonntag die Erstrundenpartie im Fed Cup gegen Australien ansteht. Ihren geräumigen Wagen hatte sie zu Hause gelassen, wegen des Jetlags. Sie war erst wenige Tage zuvor aus Australien angekommen. "Ich wollte ganz entspannt nach Stuttgart fahren", sagt die 26-Jährige. Die Reise nach Baden-Württemberg ist stets von einem guten Gefühl begleitet. In Stuttgart feierte sie vor vier Jahren den größten Erfolg ihrer Karriere - mit einem Finalsieg über die damalige Weltranglistenerste Caroline Wozniacki.

"Hier habe ich viele schöne und besondere Momente erlebt", sagt Görges. Es könnte durchaus sein, dass an diesem Wochenende neue Erlebnisse dazukommen. Denn nach ihrem gelungenen Start ins neue Jahr mit der Achtelfinalteilnahme beim Grand-Slam-Turnier in Melbourne macht es die Nummer 69 der Weltranglisten Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner schwer, die zweite Einzelspielerin neben der gesetzten Angelique Kerber zu bestimmen. Bis zur Auslosung am Freitagmittag will Rittner im Training genau beobachten, welche Spielerin sich am besten eignet. "In meinem Kopf ist eine Entscheidung bereits gereift", sagte Rittner am Donnerstag, "ich möchte sie aber noch nicht verkünden." Es bewerben sich Andrea Petkovic (12.), Sabine Lisicki (28.) - und eben Görges.

Dass sie wieder in der engeren Auswahl ist, hätten ihr vor gar nicht allzu langer Zeit noch die wenigsten zugetraut. "Es waren zwei schwierige Jahre", sagt sie selbst. Sie hat im Einzel mehr Spiele auf der Tour verloren als gewonnen. Sie war in der Weltrangliste zeitweise fast aus den Top 100 gefallen. Aus der vormals starken Einzelspielerin entwickelte sich eine verlässliche Doppelspielerin, die auch im Fed-Cup-Finale im vergangenen Jahr gegen Tschechien als Doppel-Spezialistin nominiert war und bei den French Open 2014 gar das Mixed-Finale erreichte.

Der erfolgreichste Saisonstart ihrer Karriere hat sie aber zurückgebracht ins Gespräch als Einzelspielerin. "Mein Ziel ist es, wieder Einzel im Fed Cup zu spielen", sagt Görges. Der Virus, der sie bei den Australian Open noch zur Aufgabe im Doppel-Halbfinale zwang, ist überstanden. "Ich bin wieder fit und bestens erholt", sagt sie. Görges ist im Moment ihrer Bestform näher als ihre Kolleginnen, die allesamt mit ihrem Spiel hadern und wenig Selbstvertrauen haben. Ihre Hauptkonkurrenten Petkovic und Lisicki haben in diesem Jahr noch überhaupt kein Einzel gewinnen können.

Haudrauf-Tennis mit Köpfchen

Görges hingegen findet, dass sie derzeit besser spielt als noch vor drei Jahren, als sie in der Weltrangliste kurz davor stand, erlesenes Mitglied der Top Ten zu werden. "Ich bin athletischer als damals und kann mich deshalb besser bewegen und länger in den Ballwechseln bleiben", sagt sie. Dabei hatte sie in der Saisonvorbereitung gar nichts groß geändert. Ihr Team um Trainer Sascha Nensel ist das gleiche geblieben. Geändert hat sich neben der verbesserten Fitness vor allem der mentale Zustand, mit jedem Sieg hat sie ihr Selbstvertrauen aufbauen können wie ihre Muskulatur. "Ich kann endlich die guten Trainingsleistungen auch im Match umsetzen", sagt sie.

Das Vertrauen in die eigene Stärke hat ihrer Spielweise auch das Ungestüme genommen, das Haudrauf-Tennis mit viel Risiko. Sie spielt mittlerweile sehr viel geduldiger, abwartender, sie geht nicht sofort auf den Gewinnschlag, sondern versucht ihre Gegnerin auszuspielen und vorne am Netz die Ballwechsel zu beenden. Dabei helfen ihr die vielen Doppelspiele auf der Tour. Sie ist eine der wenigen Spielerinnen im Einzel, für die Flugbälle keine Strafe sind, sondern eine Stärke. "Ich muss mein aggressives Spiel noch mehr durchziehen", sagt sie.

Julia Görges fühlt sich in jedem Fall bereit für einen Einsatz im Einzel, sie sehnt ihn sogar herbei. Doch falls Rittner jemand anderes vorziehen sollte, wird sie die Entscheidung sportlich nehmen. "Dann werde ich zu 300 Prozent die Mädels unterstützten", sagt sie. Görges hat gelernt, auf ihre Chance zu warten. Denn sie weiß, dass sie kommen wird. Sie will im Einzel zurück unter die besten 20 der Welt. Sie nennt das "ein natürliches Ziel".

Die Tage in Stuttgart sollen ihr dabei helfen.

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