Tennis:Señor Kohlschreiber will helfen

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"Die Chancen stehen sehr gut, dass ich hier zum letzten Mal im Einzel gespielt habe": Philipp Kohlschreiber nach seinem Erstrunden-Aus bei den BMW Open in München. (Foto: Hasenkopf/Imago)

Der 38-jährige Tennisprofi sorgt sich um die Zukunft des deutschen Männertennis und möchte seine Erfahrung an Talente weitergeben - der DTB ist offen für Gespräche.

Von Gerald Kleffmann, München

Es gab schon mal Zeiten, da waren Pressekonferenzen mit Philipp Kohlschreiber eine kurze Angelegenheit. Fragen von Reportern beantwortete er schmallippig, manchmal konnte er nicht schnell genug weg sein. Im Grunde war er nur konsequent. Außendarstellung war ihm nicht so wichtig. Davon zeugte auch ein wackeliges Handyvideo, in dem er einmal seinen Olympiaverzicht verkündete, als wär's ein Schleifchenturnier.

Ein anderes Mal trug er dazu bei, dass Patrik Kühnen als Teamchef des deutschen Davis-Cup-Teams gehen musste. Zoff ging er nicht wirklich aus dem Weg. Wenn sich die beiden aber in dieser Woche auf der Anlage des MTTC Iphitos begegnen, wo die BMW Open gespielt werden und Kühnen einen kompetenten Turnierdirektor abgibt, sind sie regelrecht freundschaftlich zueinander. Die Zeiten sind schon lange andere, und doch ist dieser Bogen, den Kohlschreiber, einer der besten Profis des Deutschen Tennis-Bundes seit sagenhaften 20 Jahren, da jetzt schlägt, bemerkenswert: Er begann als unbequemer Eigenbrötler, wurde Teamplayer und entwickelt sich nun zum Mahner, der sich um die Zukunft des deutschen Männertennis sorgt. Muss man erst mal so schaffen.

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Am Montag hielt er eine in vielerlei Sicht besondere Pressekonferenz. Der 38-Jährige verkündete zwar keineswegs sein Karriereende, auch wenn er, der dreimalige Sieger in München, einräumte: "Die Chancen stehen sehr gut, dass ich hier zum letzten Mal im Einzel gespielt habe." Zuvor hatte er sein Erstrundenmatch verloren, in drei Sätzen gegen Daniel Altmaier aus Kempen, 23 ist dieser, 67. im ATP-Ranking und ein bisschen einer wie Kohlschreiber. Eigenwillig, zielstrebig. Kohlschreiber lobte Altmaier, mit fast väterlichem Ton, und es entwickelte sich ein Vortrag, in dem er überhaupt viel reflektierte. Wenngleich es eine Grenze des Grübelns gab: Sentimental wollte er nicht rüberkommen, ab und an baute er Witzchen ein und lieferte, begleitet von Lachern, die zutreffende Selbstbeschreibung: "Ich bin nicht der typische Deutsche, ich bin auch so ein bisschen ein Spanier. Ich spiele viel Topspin, ich grätsch da rum und kämpfe."

Kohlschreiber spielt auch mit dem jungen Rehberg Doppel - er will ihm etwas von seiner Mentalität mitgeben

Meine Güte, was für eine öffentliche Stimme der Vernunft hätte längst aus Señor Kohlschreiber in diesem traditionsreichen Tennisland werden können, hätte er schon viel, viel früher jene charmante Seite ausgelebt, die in ihm steckt. Respektiert und geschätzt ist er freilich längst, sich zehn Jahre allein in den Top 50 zu halten, ist etwas, das die wenigsten schaffen. Aber vielleicht ist Kohlschreiber ja doch bald auch jemand, auf den man hört im deutschen Tennis. Mehr als bisher.

Unmissverständlich und erstmals brachte er ja zum Ausdruck, dass er seine Erfahrung gerne an Jüngere weitergeben würde. "Spaß dazu hätte ich auf jeden Fall", betonte er. "Ich habe immer gesagt, so meine Art, meine Philosophie, wie ich als Profi war, da habe ich Lust zu schauen, ob das umsetzbar ist auf andere, die das auch verstehen und machen können." Mit dem 18 Jahre alten Max Hans Rehberg bestreitet er bezeichnenderweise das Doppelturnier in München, er hofft, dass Rehberg "vielleicht ein, zwei Dinge von mir, diese Mentalität, mitnimmt".

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Auch zum Thema Talente-Ausbildung präsentierte Kohlschreiber konkrete Gedanken. "Ich könnte mir vorstellen, dass wir mit dem ganzen großen Tennisapparat, den Landesverbänden, aber auch dem DTB, wieder ein bisschen mehr Hilfe geben müssen", sagte er. Wenn die Spieler gut genug seien und dann vielleicht einen Sponsor haben, so Kohlschreiber, "können sie sich vielleicht einen Eins-zu-eins-Trainer selber leisten". Man könne "nicht vom Verband erwarten, dass man sagt, wir schicken da jedes Mal einen Trainer mit". Das alles klang sehr nach einem Plan, wobei Kohlschreiber schon darauf achtete, nicht zu fordernd zu erscheinen. Er weiß ja auch: In der Welt der Funktionäre, die seine Worte vielleicht mitbekommen, hat jedes Wort Gewicht.

DTB-Präsident Dietloff von Arnim lobt: Kohlschreiber sei "für jedes Talent eine Inspiration"

"Für mich ist es ja auch leicht, von außen Sachen zu analysieren", machte sich Kohlschreiber dann etwas kleiner. "Aber die Umsetzung ist immer das große Problem. Ich kann auch ein guter Fußballtrainer sein im kritischen Bereich, aber wie kann ich es den Spielern beibringen oder es im Team umsetzen? Dafür muss man mehr involviert sein. Um auch die ganzen Strukturen zu verstehen. Ich wäre auf jeden Fall ein Freund, gewisse Sachen aufzubrechen." Denn für ihn steht auch fest: "Wir haben für unser Tennis-Deutschland zu wenig Tennisspieler. Ob's Damen oder Herren sind, da könnte mehr passieren." Ob beabsichtigt oder nicht: Mit solchen Sätzen bringt man sich natürlich ins Spiel. Noch habe mit ihm aber niemand geredet von Verbandsseite, gab er zu, doch es ist gut möglich, dass diese Pressekonferenz etwas auslöst.

"Von DTB-Seite aus sind wir immer interessiert, unsere Topspieler einzubinden" - Michael Kohlmann, Head of Men's Tennis und Davis-Cup-Teamchef. (Foto: Peter Schatz/ActionPictures/Imago)

Die erste Resonanz war sehr positiv. "Natürlich werden wir uns immer mit Spielern zusammensetzen, die sich einbringen wollen", sagte DTB-Präsident Dietloff von Arnim am Dienstag der SZ, "Philipp Kohlschreiber ist ein brillanter Tennisspieler und immer ein unglaublich harter Arbeiter gewesen." Sollte der sein Wissen weitergeben, sei das "für jedes Talent eine Inspiration." Auch Michael Kohlmann zeigte sich offen, der Head of Men's Tennis und Davis-Cup-Teamchef sagte: "Von DTB-Seite aus sind wir immer interessiert, unsere Topspieler einzubinden. Natürlich werde ich mich mit Philipp hinsetzen und über seine Ideen reden."

132. in der Weltrangliste ist Kohlschreiber mittlerweile. Er rutscht quasi Woche für Woche ab, verliert dauernd Punkte. Er gibt zu: "Ich bin nicht mehr ganz so der Profi, der ich früher war." Vielleicht sieht man ihn noch in Stuttgart und Halle, sicher bei den Qualifikationsturnieren in Paris und Wimbledon. Zurück auf die Challenger-Tour? "Das mag ich nicht mehr", sagt er. Kohlschreiber, das weiß man jetzt, hat Lust auf neue Aufgaben. An diesem Montag hat er schon mal eine Brücke gebaut - für die Zeit nach seiner Karriere.

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