Tennis-Duell Nadal vs. Djokovic:Klappe, die 58.

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Zu früh gefreut: Aufreizend gut gelaunt zeigte sich Novak Djokovic (links) vor dem Finale 2020 gegen Rafael Nadal - die Partie gewann dann freilich der Spanier, der damit zum 13. Mal in Paris triumphierte. (Foto: Anne-Christine Poujoulat/AFP)

Halbfinale French Open, Rafael Nadal gegen Novak Djokovic - keine Rivalität im Tennis ist größer als die zwischen dem Spanier und dem Serben. Ihre Spielstile passen perfekt für endlose Schlachten zusammen.

Von Gerald Kleffmann

An diesem Freitagabend passiert es wieder, es ist jedes Mal ein Genuss. Mark Maury, 63, seit 2004 die Stimme von Roland Garros, wird die zwei Tennisprofis im Court Philippe Chatrier vorstellen, die sich einschlagen. Bei dem einen Spieler, der gerade bei den French Open eine Statue erhalten hat (die gelungen ist), wird er all die Jahre aufzählen, in denen der Linkshänder das Grand-Slam-Turnier in Paris gewonnen hat.

"Deux mille cinq, deux mille six, deux mille sept", wird Maury beginnen, irgendwann wird er bei "deux mille treize, deux mille quatorze" sein, die Zuschauer johlen längst, ehe er, außer Puste, mit "deux mille dix-neuf, deux mille vingt" zum Ende kommt. Dreizehn Mal, nein, die Zahlen lügen nicht, dreizehn Mal hat bislang dieser 35-jährige Spanier gewonnen. Eine Dominanz, die man auch anders schildern kann.

Aus Sicht seines Gegners in diesem Halbfinale etwa. "Seien wir ehrlich: Es ist die größte Herausforderung, die du haben kannst - auf Sand gegen Nadal zu spielen, auf diesem Platz, auf dem er so viele Erfolge in seiner Karriere hatte." Novak Djokovics Ehrfurcht ist nicht gespielt. Wenn jemand über Rafael Nadal Bescheid weiß, dann der 34 Jahre alte Serbe aus Belgrad.

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Niemand im Welttennis duellierte sich öfter mit dem Mallorquiner. 57 Mal. Und auch unter den drei Alphaprofis Nadal, Djokovic, Federer ist es der Wettstreit mit den häufigsten Treffen. Bei Wikipedia gibt es ein Register unter dem Schlagwort "Djokovic-Nadal rivalry". Der Finger schmerzt beim Runterscrollen, so viel steht da. Die irrwitzigste Pointe allerdings nicht. 2006, bei ihrer ersten Partie, im Viertelfinale in Paris, als Djokovic bei 4:6, 4:6 verletzt aufgab, hatte er über Nadal gemeint: "Klar ist er der Beste auf diesem Belag, aber er ist nicht unschlagbar."

"Uuuaaaarrrr!" - Novak Djokovic' Blick dabei erinnerte an Jack Nicholson in "The Shining"

Gut, zur Verteidigung Djokovics muss man erwähnen: Nadal gewann nicht 100 Prozent seiner Matches. Von 107 waren es ja nur: 105. Der Schwede Robin Söderling knackte ihn 2009 als Erster, im Achtelfinale, und machte den Weg frei für Roger Federers einzigen Triumph am Bois de Boulogne. 2015 war es Djokovic, der das zweite Wunder schaffte, im Viertelfinale. Aber, zur Erinnerung: ihre letzte Begegnung in Paris, im Finale 2020. Pitsch, patsch. 6:0, 6:2, 7:5 Nadal. "Allein die Schwingungen sind anders, wenn man mit ihm auf den Platz rausgeht", wusste Djokovic nun zu berichten. Man weiß nie, wie schlimm's wird.

Andererseits: Nadal zeigte - wie Djokovic - diesmal im Verlauf der French Open Schwächen. Es war weniger sein erster verlorener Satz am Mittwoch gegen Diego Schwartzman nach 36 Satzgewinnen in Paris in Serie. Bei Satzgleichstand und 4:3 für den wuseligen Argentinier wackelte Nadal. Fahrig wirkte er. Eine "tricky situation" sei das gewesen, räumte er ein. Die Art, wie er sie löste, erklärt aber das Phänomen Nadal. Er habe sich beruhigt, daran gedacht, was er im Training könne, "das versuchte ich umzusetzen". Von den nächsten 27 Punkten gewann er 24. Schwartzman? Zermürbt.

Emotionaler Ausbruch: Novak Djokovic musste sich Erleichterung verschaffen im Viertelfinale gegen den Italiener Matteo Berrettini. (Foto: Martin Bureau/AFP)

Djokovic, das ist die Gabe dieser Könner in der Liga, befreite sich ebenfalls aus Nöten. Im Achtelfinale lag er 0:2-Sätze zurück gegen Lorenzo Musetti und machte den 19-jährigen Italiener dann so platt, dass der kurz vor der Niederlage aufgab. Am Mittwochabend mühte sich der Serbe sehr ab der zweiten Matchhälfte gegen Matteo Berrettini, auch aus Italien. Zunächst waren 5000 Zuschauer nach Corona-Lockerungen zugelassen, um 23 Uhr aber mussten sie widerwillig gehen aufgrund der Ausgangssperre.

So kam es, dass der irre Erleichterungsschrei von Djokovic samt irrem Jack-Nicholson-Blick noch irrer klang, nach dem 6:3, 6:2, 6:7 (5), 7:5-Sieg in der am Ende leeren Arena. "Uuuaaaarrrr!" Djokovic wollte aus tiefstem Herzen diesen Kampf mit Nadal. "Viele redeten über diese mögliche Begegnung", sagte er, wieder sanftmütig, bei der Pressekonferenz, um stolz zu betonen: "Hier sind wir."

Man kann sich kaum vorstellen, dass die beiden noch motivierter sein können, wenn sie gegeneinander spielen, als sie es ohnehin sind. Aber so ist es. Regelrecht lüstern hebt Nadal hervor, gegen Djokovic anzutreten, sei wunderbar - "das Beste daran ist, dass du weißt: Du musst dein bestes Tennis zeigen". Djokovic machte klar, Nadal und Federer hätte ihn auf ein höheres Level gehoben: "Durch sie verstand ich, wo ich mich verbessern muss." Sie sind wie diese Mathe-Genies, die sich in Klubs teuflische Aufgaben stellen - und das super finden.

In der Defensive: Rafael Nadal verlor im Viertelfinale gegen den Argentinier Diego Schwartzman phasenweise seine aggressive Linie - und musste sich alter Stärken besinnen, um noch zu gewinnen. (Foto: Ao Leilian Ämolisaer/Xinhua/Imago)

Was das Grenzen-Ausloten betrifft, ist Tennis dank des One-on-one-Charakters natürlich ein Paradies. Evert vs. Navratilova, McEnroe vs. Borg, Graf vs. Seles, alles Klassiker. Bei Djokovic - Nadal hat man die Qual der Wahl. 2011 und 2012 standen sie sich vier Mal in Serie in Grand-Slam-Endspielen gegenüber, unübertroffen bis heute. Oder: Wie packend war Madrid, 2009, Halbfinale!

Vier Stunden, drei Matchbälle Djokovic, Nadal jubelt. Oder: Paris, 2013, 9:7 im fünften Satz Nadal, weil Djokovic einen Smash verhunzte. Oder: Wimbledon, 2018, Halbfinale, 10:8 Djokovic, nach 5:17 Stunden. Oder ... stopp! Am Abartigsten war der 5:53-Stunden-Marathon 2012 in Melbourne, im Finale. Djokovic, 7:5 im fünften Satz triumphierend, riss sich das Hemd vom Leib. Animalisch? Absolut.

Die beiden eignen sich eben tatsächlich besser als etwa Federer und Nadal für packende Ballwechsel. Ihre Spielweisen verhaken sich perfekt ineinander. Federer sucht schnellere Entscheidungen. "Ich nehme wohl Rafa als meinen größten Rivalen", sagte daher auch Djokovic, der Nadal und Federer, die bei 20 Grand-Slam-Titeln sind, einfangen will. Er hat 18. "Lass uns eine große Schlacht haben", hofft er. "Es ist noch nicht das Finale", mahnte Nadal nur an. Aber es wirkt wie eines. Egal in welcher Runde.

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