Tennis:Die längste Siegesrede der Geschichte

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Party auf dem Platz: Kevin Krawietz (links) und Andreas Mies freuen sich nach dem Spiel über ihren Sieg. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Kevin Krawietz und Andreas Mies melden sich eindrucksvoll zurück und gewinnen auch in München das Doppelturnier. Im Einzel sichert sich das dänische Talent Holger Rune seinen ersten ATP-Titel.

Von Gerald Kleffmann, München

Um kurz vor elf Uhr stand Ralf Exel, Stadionsprecherlegende der BMW Open, vor dem Klubhaus des MTTC Iphitos und teilte über das Mikrofon eine kleine Verzögerung mit. Es nieselte noch. Da wurde er in die Zange genommen. Zuerst tauchte Andreas Mies, 31, auf und bat darum, etwas sagen zu dürfen. "Wir sind fit, gleich geht's los", sagte Mies. Dann erschien Kevin Krawietz, 30, und rief: "Wir freuen uns!" Kurz darauf marschierten die beiden, Krawietz und Mies, auf den Center Court. Sich mal eben selbst ankündigen, das war wieder so eine typische Nummer der beiden. Dieses Doppel ist ja nicht nur das erfolgreichste deutsche Duo, zweimal gewannen sie die French Open. Mies und Krawietz sind auch zwei Typen, die Freude ausstrahlen. Allein ihre Pressekonferenzen haben meist mehr Unterhaltungswert als Abendshows im Fernsehen. Zu Recht hatten sie auch zu Wochenbeginn den Iphitos Award erhalten, den der Klub einmal im Jahr, ein netter PR-Gag, an Persönlichkeiten des Turniers vergibt.

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Mal ganz oben, mal ganz unten, so war das schon immer in Boris Beckers Leben. Aber Gefängnis, das ist dann doch noch mal eine andere Nummer. Über einen, der sich immer in anderen Sphären bewegt hat.

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Gleichwohl sind sie natürlich in erster Linie immer noch ernsthafte Tennisprofis, vor einer Woche etwa gewannen sie den Titel beim ATP-Turnier in Barcelona, es war ein besonderer Triumph, "der letzte in Paris ist ja eine Weile her", erinnerte Mies. Im Oktober 2020 war das. Damals hatte er schon Probleme am Knie, später folgte eine Operation und eine lange Pause. Anfang dieser Saison kehrte er, nach einigen Turnieren mit anderen Partnern, zusammen mit Krawietz auf den Platz zurück. Sie harmonierten gleich passabel, bei den Australian Open erreichten sie die dritte Runde, doch es folgte eine schwierigere Zeit.

Andreas Mies spricht dann auch noch übers Catering

Mies schnappte das Coronavirus auf, trotz Impfung sei es ihm "sechs Wochen richtig schlecht" gegangen, berichtete er in München. Auch Krawietz hatte zu kämpfen, mental. Der Coburger hatte nach einer langen Saison 2021 nahtlos weitergespielt und fühlte sich im Kopf müde. Er nahm eine Auszeit, während Mies in Phoenix an einem Challenger teilnahm. Mit dem Erfolg in Barcelona sei eine "Riesenlast abgefallen", gab Mies zu.

In München nun kam es noch besser. Souverän spielten sie sich ins Finale und bezwangen dort, vor der Familie und vielen Freunden auf der Tribüne, den Brasilianer Rafael Matos und den Spanier David Vega Hernandez 4:6, 6:4, 10:7 (Champions-Tiebreak). Nach ihrem fünften Tour-Titel hielten die beiden die wohl längsten Siegesreden der Tennisgeschichte, Mies ging am Ende sogar noch aufs Catering ein. Wäre nicht anschließend das Einzelfinale angesetzt gewesen, die zwei würden wohl immer noch dort unten stehen und reden. Mies ist übrigens Kölner, mehr muss man nicht wissen.

Zu jung fürs Sieger-Auto: Holger Rune, 19, gewinnt das ATP-Turnier in München - und muss erst noch den Führerschein machen. (Foto: Matthias Schrader/AP)

Sieger des Einzel-Wettbewerbes wurde der Däne Holger Rune, allerdings profitierte der 19-Jährige von einer Aufgabe des Finalgegners Botic van de Zandschulp, die aus dem Nichts kam. Der Niederländer, der im vergangenen Herbst bei den US Open als Qualifikant bis ins Viertelfinale vorgestoßen war, verließ beim Stand von 4:3 den Platz, mit Beschwerden in der Brust. Er kam nach 15 Minuten zurück, nach vier Punkten gab er auf. Später wurde mitgeteilt, dass der Kreislauf des Weltranglisten-40. wieder stabil sei.

So konnte Rune bei einer doch fröhlichen Siegerehrung zuerst in eine Lederhose schlüpfen und sich dann von dem Model Lena Gercke in einem Sportwagen zweimal im Kreis herumfahren lassen. Rune hat noch keinen Führerschein. Er wolle ihn aber "nächste Woche" machen, versicherte er lachend. Rune, der in der zweiten Runde Alexander Zverev mit 6:3, 6:2 abgefertigt hatte, stößt nun in die Top 50 vor. Im Männertennis klettert, bis auf den noch besseren Spanier Carlos Alcaraz, 18, derzeit kein Teenager so steil nach oben wie er.

Der Turnierveranstalter MMP, inzwischen eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Medienkonzerns Pro Sieben Sat 1, verkündete abschließend eine neue Bestmarke. "Wir waren an sechs von neun Tagen ausverkauft, das hatten wir noch nie", sagte Christian Okon, Geschäftsführer der Kölner Agentur. Insgesamt 41 600 Zuschauer waren auf die Anlage gekommen, trotz eines Regentages am Dienstag. Gut möglich, dass das Wetter im kommenden Jahr ähnlich wechselhaft wird, die ATP Tour gestaltet den Turnierkalender völlig neu - und die Münchner Veranstaltung könnte sogar zu einem früheren Termin stattfinden. Eine Entscheidung dürfte in den nächsten Monaten fallen.

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