Tennis:Molleker: Bad Boy mit Herz, Liebe zum Rap und einem Traum

ATP
Rudolf Molleker in Aktion. Foto: Sven Hoppe/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin (dpa/bb) - Extrovertiert, emotional, kämpferisch - auf dem Platz führt Tennisprofi Rudi Molleker nicht selten einen "Psychokrieg" gegen seine Gegner. "Viele denken, ich sei ein Bad Boy. Aber die kennen mich auch nur vom Tennisplatz. Als einen, der rumschreit und sich vor nichts scheut", sagt der Oranienburger. Abseits vom Court sei er anders. Ihm falle es beispielsweise schwer, Autogramme oder Selfies abzulehnen. "Auch wenn ich keine Zeit habe, bleibe ich immer stehen", sagt er. Ein Bad Boy mit Herz.

Geboren in der Ukraine kam Molleker im Alter von drei Jahren als Sohn von Spätaussiedlern nach Deutschland. Mit seinen Eltern und dem sechs Jahre älteren Bruder German lebte er anfangs in einer Plattenbauwohnung in Oranienburg. Sein Vater reiste mit ihm von Turnier zu Turnier, seine Mutter unterstützte als Zahnärztin die Karriere vor allem anfangs finanziell. "Mittlerweile spiele ich so gut Tennis, dass ich auch selbst etwas verdiene", sagt Molleker.

Seine Emotionalität und Extrovertiertheit sind längst zu seinem Markenzeichen auf dem Platz geworden. "Emotionen sind die Basis für meine Stärke. Wenn ich gut spiele, bin ich extrovertiert und lasse es raus." Wenn es schlecht laufe, suche er sich einen Reiz von außen, "um wieder auf Sprung zu kommen", wie es der Youngster ausdrückt.

Laut Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann ist das eine Taktik, die so auf Grand-Slam-Niveau nur schwer funktionieren wird. "Auf lange Sicht ist es ermüdend und dann wird es schwer im Best-of-Five zu bestehen." Daher müsse sich Molleker andere Wege suchen, um die Kraftreserven auszuschöpfen. "Ich denke da an mentales Training - hier muss er sich weiterbilden, um so an diesen extra Schub Kraft ranzukommen."

Molleker weiß, dass er aneckt, dass er polarisiert. Natürlich sei der ein oder andere Spruch da auch schon mal drüber gewesen, gibt er zu. "Ich denke nicht, dass ich das vorbildlich mache, aber so bin ich halt." Klar verhalte sich ein Roger Federer - Mollekers großes Idol - beispielhaft auf dem Platz. "Diese Art passt aber nicht zu mir, so werde ich nie sein", sagt er.

Neben der Emotionalität schöpft der Tennisprofi auch aus einer anderen Quelle seine Kraft: der Musik. Vor allem Deutschrap und amerikanischer R&B inspirieren und motivieren ihn vor Matches. "Ich mag vor allem so Realtalk-Lieder, in denen ich mich wiedererkenne. Lieder, die von sozialem Aufstieg oder hart erarbeitetem Erfolg handeln", sagt der 19-Jährige.

Harte Arbeit ist auch notwendig, um das nächste Ziel zu erreichen: Der Einzug in die Top 100 der Welt. "Rudi muss sich noch viel konzentrierter im körperlichen Bereich betätigen. Er muss auch viel mehr in Physiotherapie und Pflege rein investieren, um weniger Ausfallzeiten zu bekommen", sagt Bundestrainer Kohlmann. Denn vom Potenzial her habe Molleker das Zeug "viel weiter zu gehen als die Top 100".

Durch Verletzungen wurde der 19-Jährige immer wieder zurückgeworfen - so auch zu Beginn des Jahres 2020. Aufgrund einer Rückenverletzung verpasste er die Australian Open. Mittlerweile sei er wieder fit und habe mit seinem neuen Trainer Rohan Williams vor der Coronakrise bereits drei intensive Wochen in Berlin gearbeitet.

Seit Jahren klettert er fast kontinuierlich in der Weltrangliste. War er 2017 noch außerhalb der Top 1000, so steht er aktuell auf Platz 189. Sein großer Traum: "Klar, die Nummer eins zu werden und Grand Slams zu gewinnen", sagt er. Dieses Jahr sei sein großer Wunsch allerdings ein anderer: "Überhaupt nochmal Tennis spielen".

Denn bis mindestens 7. Juni ruht der Spielbetrieb auf der Damen- und Herrentour. Die erzwungene Tennispause nutzt der Oranienburger auch, um einen weiteren großen Schritt im Leben vorzubereiten: den Auszug. "Aktuell bin ich auf der Suche nach meiner ersten eigenen Wohnung in Berlin", sagt er. Besonders wichtig dabei: "Ich stehe super auf Autos und brauche einen Ortsteil, wo ich problemlos parken kann. Das ist in Berlin nicht so einfach", sagt er und lacht. Eine Herausforderung, die er wohl mit ebenso viel Ehrgeiz angehen wird, wie seine Tenniskarriere.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: