Tennis:Licht aus

Beim Matchball den Knöchel verletzt: Nach ihrem skurrilen Viertelfinal-Aus in Melbourne läuft Serena Williams weiter dem Grand-Slam-Rekord hinterher. Diesmal allerdings zeigt sie Größe.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Sie warf keinen Blick zurück. Die Veranstalter der Australian Open haben Kameras in den Gängen der Rod Laver Arena aufgebaut, um dem Publikum die Hauptdarsteller ihres Tennisspektakels auch außerhalb der Arena näherzubringen: beim Stretching vor dem Ballwechsel, beim Schulterklopfen danach. Von Serena Williams indes war nicht mehr viel zu sehen nach ihrer Niederlage: Sie humpelte nicht, sie haderte nicht, als sie mit der schweren Schlägertasche über den Schultern zügig den Flur entlangschritt. Dann war sie im Tunnel verschwunden.

Als sie wieder ans Licht trat nach einer Stunde, in den großen Pressekonferenzraum der Anlage, gab es ebenfalls keine Klagen: nicht über den Knöchel, nicht über den unglücklichen Zeitpunkt der Verletzung, nicht über das Resultat (6:4, 4:6, 5:7), und schon gar nicht über ihre Gegnerin, die elf Jahre jüngere Tschechin Karolina Pliskova, der Williams bescheinigte, in den entscheidenden Momenten eine taktisch brillante Vorstellung gegeben zu haben.

Kein Eklat also diesmal bei einem weiteren vergeblichen Versuch von Serena Williams, 37, ihre Lebensleistung als Athletin mit einem weiteren Rekord verewigt zu sehen. Diesmal hat sie Größe gezeigt, als sie im Viertelfinale der Australian Open strauchelte: Ihr Ziel, durch den Gewinn des 24. Grand-Slam-Titels mit der Australierin Margaret Court als erfolgreichste Tennisspielerin der Geschichte gleichzuziehen, ist noch einmal aufgeschoben.

Das Match nahm einen Verlauf, als habe ein zynischer Dramaturg das Skript geschrieben: Der Wendepunkt kam im dritten Satz, als Serena Williams, siebenmalige Siegerin in Melbourne, sich den ersten Matchball erkämpft hatte. Beim Stand von 5:1 und 40:30 wollte sie einen Ball der Tschechin Pliskova erlaufen, musste kurz das Gewicht verlagern und knickte mit dem Knöchel um. Kein Sturz, nichts Gravierendes, auf den ersten Blick. Aber danach unterlief ihr ein Doppelfehler. Pliskova, die sich im zweiten Satz durch die zunehmende Aggressivität der Grundschläge ihrer Gegnerin in die Enge getrieben sah und zugab, dass sie "schon mit dem Kopf in der Kabine war", nutzte die Chance und holte auf, Punkt für Punkt. Williams gab ihre Aufschlagspiele ab, ließ noch drei weitere Matchbälle gab und das verlor Duell.

Tennis - Australian Open - Quarter-final

Frust über die vergebenen Chancen - aber Hochachtung für die mutige Gegnerin: Serena Williams zeigte sich gegen Karolina Pliskova als gute Verliererin.

(Foto: Kim Kyung-Hoon / Reuters)

Mit dem Knöchel, so sagte sie später, habe die Niederlage nichts zu tun. Um medizinische Hilfe auf dem Platz bat sie nicht, was verwunderte, weil sie sich zwischenzeitlich das Fußgelenk massierte: "Ich hasse es, ehrlich gesagt, den Physiotherapeuten zu rufen", erklärte sie. Und zu dem Zeitpunkt habe sie auch nicht geglaubt, "dass das eine große Sache" sei, weshalb sie lieber durchgespielt habe. Tatsächlich humpelte sie nach einigen Ballwechseln nicht mehr, dafür mehrten sich nun unpräzise Schläge und Doppelfehler.

Das Verdienst, dieses Viertelfinale entschieden zu haben, so erklärte sie später, gebühre ganz allein Pliskova: Vor allem bei den Matchbällen habe sie vortrefflich agiert. "Sie hat angefangen, die Lampen auszuschießen beim Stand von 5:1, 40:30. Wirklich, so was habe ich nie zuvor erlebt." Sie werde daraus lernen für den Fall, dass ihr das noch einmal passiert. "Das nächste Mal drehe ich auch so auf", versprach sie lächelnd, bevor sie ging.

Es war ein stiller Abschied im Vergleich zum Furor, den sie ausgelöst hatte, als sie das vergangene Mal in einem Grand-Slam-Finale verlor. Während der Niederlage gegen die Japanerin Naomi Osaka im September 2018 bei den US Open legte sich Serena Williams lautstark mit dem Schiedsrichter an, der sie dreimal verwarnte, wegen Coachings, wegen Schlägerzertrümmerns und wegen unsportlichen Verhaltens. Sie warf ihm Sexismus vor, weil er ihrer Meinung nach solche Bagatellvergehen bei keinem Männerduell anprangern würde. Das Publikum in New York schlug sich damals auf Serena Williams' Seite. Die Situation eskalierte und überschattete Osakas Triumph.

Auch das Image von Serena Williams, der höchstbezahlten Sportlerin der Welt, die in den vergangenen Jahren zunehmend auch als Geschäftsfrau und Aktivistin auftrat, nahm leichten Schaden, wenngleich weniger in den USA als im Rest der Tennis spielenden Welt. In Melbourne ist sie dieser Tage sehr zurückhaltend aufgetreten. Denn zu verlieren, hasst sie immer noch, auch als "Working Mum", die nach der Geburt von Töchterchen Olympia in den Beruf zurückgekehrt ist. "Ich kann Niederlagen nicht gut verkraften", bestätigte sie am Mittwoch bei den Australian Open, wo der vierte Versuch fehlschlug, bei einem der vier Grand-Slam-Turniere, den prestigeträchtigen Veranstaltungen in Paris, London, New York und Melbourne, nach dem Mutterschutz den ersehnten 24. Titel zu erobern: Bei den French Open war im Achtelfinale Schluss, in Wimbledon und bei den US Open jeweils im Finale.

2019 Australian Open - Day 10

Nutzte ihre Chance und holte Punkt für Punkt: Halbfinalistin Karolina Pliskova

(Foto: Quinn Rooney / Getty Images)

Wie wichtig ihr diese Titel sind, mit welch eiserner Konsequenz sie diesen nachjagt, hat dieser Tage ihr Trainer Patrick Mouratoglou in Melbourne erzählt: Auf dem roten Sand von Paris, wo Serena Williams sich immer etwas schwerer tat als auf schnelleren Courts, hatte sie elf Jahre auf den zweiten Triumph nach der Premiere 2002 gewartet. Als sie die Trophäe endlich 2013 in den Händen hielt, bat sie ihren Coach, sie nach der Siegerehrung zum Stretching zu begleiten. Nach zwei Minuten habe sie sich zu Mouratoglou umgedreht und gesagt: "Und jetzt müssen wir Wimbledon gewinnen." Elf Jahre Streben, und wenn das Ziel erreicht ist, sofort ein neues formulieren. Das sei es, was Serena Williams als Athletin so besonders mache: "Manche Männer", sagte er lachend, "gewinnen einen Titel und feiern 15 Jahre."

Am Mittwoch, nach ihrer schmerzlichen Niederlage in Australien, ist Serena Williams gefragt worden, wann sie ihre nächste Chance auf Titel Nummer 24 sehe: Bei den French Open, sagte sie. Auf Sand.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: