Tennis:Kontrolliert aggressiv

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Ungarn hat in Marton Fucsovics wieder einen Tennis-Topspieler. 2010 gewann er den Juniorentitel in Wimbledon und war zu dem Zeitpunkt der global beste Teenager. Dann dauerte es sieben Jahre, bis er erstmals die Top 100 erreichte.

Von Gerald Kleffmann, München

Die zwei Damen stellten sich neben ihn, ließen sich fotografieren, lächelten. Dann unterschrieb Marton Fucsovics noch eine Broschüre, die ihm hingehalten wurde. Als die beiden Zuschauerinnen, die zufällig bei dieser Autogrammstunde vorbeigeschlendert waren, weitergingen, sahen sie erfreut aus. "Wer war das?", fragte die eine. "Das war der beste Ungar", wusste tatsächlich die andere. Fucsovics hat das natürlich nicht verstanden.

Dass man ihn nicht so kennt, auch beim Münchner ATP-Turnier nicht, würde er aber keinem übel nehmen. Zwei Dinge treffen auf ihn zu: Kaum ein Profi ist derart höflich und sagt so oft "danke". Und der fitteste ist er auch, er gilt als der mit dem besten "Body". Als er sich aufgrund der abendlichen Kühle am Mittwoch vor dem Match gegen den Brasilianer Thiago Monteiro aufwärmte, holte er ein Springseil aus der Tasche - und hüpfte auf dem Platz Seil-Kombinationen, als sei er vom Cirque du Soleil.

Nach sieben Jahren fast wieder in seiner Spitzenform: Marton Fucsovics galt einst als weltbester Nachwuchsspieler. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Fucsovics sieht aus wie einer, den man schnell zu der "Next Gen", der beworbenen nächsten Generation im Männertennis zählen könnte, aber das täuscht. Er ist schon 27 Jahre alt. Dabei war er selbst mal in einer ähnlichen Situation wie die fähigen Talente, die gerade eine neue Ära einzuleiten versuchen. 2010 gewann er den Juniorentitel in Wimbledon und war gar zu dem Zeitpunkt der global beste Teenager. "Ich werde das oft gefragt, was dann war", erzählt er, "ja, es hat dann sieben Jahre gedauert, bis ich erstmals die Top 100 erreicht habe." Dabei war er nicht verletzt, hatte keine anderen Probleme, "manchmal dauert etwas eben", sagt Fucsovics. Die Jahre der Warteschleife haben ihn dafür gestählt, so sieht er das. "Ich habe gelernt, zu fighten - und stolz auf mich zu sein." Leichte Selbstzweifel hatte er offenbar doch zwischendurch.

Davon ist dieser Tage wenig zu spüren, wobei Fucsovics nichts Arrogantes ausstrahlt. Aber er, 2016 mit dem Bundesligisten Gladbacher HTC deutscher Meister, hat sich festgekämpft in den Top 50 der Welt, im vergangenen Jahr holte er seinen ersten Titel, im Finale von Genf schlug er den Münchner Peter Gojowczyk. Das gibt Sicherheit, er weiß, dass er da oben zu Recht steht. 35. der Weltrangliste ist er, bei den BMW Open bestreitet er an diesem Freitag wie 2018 das Viertelfinale; der Italiener Marco Cecchinato ist sein Gegner. "Meine Situation in diesem Jahr ist wirklich gut", sagt er. Aufgrund seines hohen Rankings kommt er bei allen großen Turnieren ins Hauptfeld. Längst ist er bei den Topspielern bekannt, in Genf besiegte er den dreimaligen Grand-Slam-Champion Stan Wawrinka aus der Schweiz. In einer speziellen Disziplin macht er Viertelfinalist Philipp Kohlschreiber Konkurrenz: Der 35-jährige Deutsche ist einer der meistgebuchten Hitting Partner, weil er so schön kontrolliert aggressiv spielt. Fucsovics hat auch schon reihenweise mit Größen wie Roger Federer trainiert. "Ich denke, sie mögen meinen Stil", sagt er nur dazu.

Bei Turnieren im Ausland wird so einer wie Fucsovics oft übersehen, weil er aus einem Land kommt, "in dem Tennis nicht der populärste Sport ist", wie er einordnet. In Ungarn aber, das ist seine Geschichte, ist er ein Name. So hoch wie er stand zuletzt nur Balazs Taroczy, 1982 Nummer 13 der Welt und Sieger im Doppel von Wimbledon und den French Open. Ende 2018 wurde Fucsovics zum sechsten Mal Ungarns Tennisspieler des Jahres, "mich freut, dass die Kinder mich als Vorbild haben", sagt er. Zu hoch nur hängt er seine Rolle nicht, zumal es einen Zwist gibt, über den er nicht gerne spricht, den er aber bestätigt. Der ungarische Verband soll, so kursiert es auch im Internet, Geld, viel Geld für vieles ausgegeben haben, indes nicht für die Spieler. Zuletzt hat sich Fucsovics geweigert, weiter im Davis Cup anzutreten, auch im Februar in Frankfurt gegen Deutschland fehlte er. Aber er ist in der Zwickmühle. "Ich möchte 2020 bei Olympia spielen", sagt er, "dafür muss ich noch einmal Davis Cup spielen."

Kürzlich hat er sich von seinem Trainer Attila Savolt getrennt und den Franzosen Olivier Thomas zurückgeholt. "Ich würde gerne die Top Ten erreichen und ein Grand Slam gewinnen", sagt Fucsovics. Das mag träumerisch klingen. Andererseits: Während seinen erfolglosen sieben Jahren hatten ihn viele abgehakt. "Man muss sich Ziele setzen", sagt er.

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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