Tennis:Kerbers pikantes Saisonfinale

Angelique Kerber beim WTA-Finale 2018 in Singapur

6:1, 3:6 und 4:6 musste sich Angelique Kerber in drei Sätzen gegen die Niederländerin Kiki Bertens geschlagen geben

(Foto: dpa)
  • Angelique Kerber verliert zum Auftakt des WTA-Finales.
  • Nach dem Ende ihrer Zusammenarbeit mit Trainer Wim Fissette bleibt es spannend, wie glücklich die Saison der Wimbledonsiegerin endet.
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Von Gerald Kleffmann

Der Anfang war vielversprechend. Sie pushte sich, wirkte positiv und bei sich, auch an den Daten zum ersten Satz ließ sich ablesen, wie souverän Angelique Kerber agiert hatte. Sie erinnerte an die selbstbewusste, zähe, wettkampfbereite Kerber. Ihr waren nur acht leichte Fehler unterlaufen, Gegnerin Kiki Bertens 17. Die Niederländerin ist eine Spielerin, die aggressiv von der Grundlinie aus auf Punktgewinne geht, doch hatte sie gegen Kerber im ersten Satz nur fünf Winner geschafft, wie Kerber. 6:1 nach 31 Minuten, so war die Deutsche, die dreimalige Grand-Slam-Siegerin und seit Juli Wimbledon-Champion, ins Jahresabschlussturnier der Frauentour gestartet. Bei den WTA Finals in Singapur treten die besten Acht der Saison an, in zwei Vierergruppen, die Erste und Zweite erreichen das Halbfinale.

Nach dem Match, in dem Kerber ihre Winnerzahl nur noch von fünf auf elf steigern konnte, bei 24 Fehlern, war die Situation für Kerber eine andere. Sie erinnerte an die hadernde, ungeduldige, ratlose Kerber, die sie auch sein kann. "Ich weiß, ich muss meine nächsten Spiele gewinnen, aber ich habe noch Chancen. Noch bin ich nicht ausgeschieden", sagte sie und präzisierte richtig: "Das Verrückte ist ja: Du kannst ein Spiel verlieren und immer noch das Turnier gewinnen." Ja, sie hatte verloren, 6:1, 3:6, 4:6, kein Drama vorerst. Kerber kann mit einem Sieg gegen die US-Open-Siegerin Naomi Osaka an diesem Mittwoch (13.30 Uhr/DAZN) zurück ins Turnier finden.

Die Trennung von Trainer Fissette wirft nach wie vor Fragen auf

Doch völlig unter Heile-Welt-Vorzeichen findet Kerbers Teilnahme ja auch nicht statt, das lässt sich schon anhand der überraschenden Trennung vergangene Woche von Trainer Wim Fissette folgern, und mehr als ihre Antworten verrieten ihre Nicht-Antworten und Körpersprache, dass es in ihr zu brodeln scheint. Mehr als vor nur drei Monaten gedacht ist Deutschlands erfolgreichste Spielerin seit Steffi Graf jedenfalls in einer pikanten Lage: In dieser Woche zeigt sich, in welcher Schwingung ihre bemerkenswerte Saison nach einem Durchhänger in Asien zu Ende geht.

"Das Thema Trainer ist für mich echt abgehakt. Es war für mich alles wie immer", versicherte Kerber in Singapur zwar den dort anwesenden Reportern. Alles halb so wild, sollte die Botschaft sein, was zumindest insofern eine merkwürdige Darstellung ist, weil bis heute beide Seiten - der hinauskomplimentierte Belgier Fissette sowie Kerber - offiziell nichts Auf- oder Erklärendes zum Vertrauensbruch offenlegen wollen. Vielmehr wird gemauert nach bester Handwerkerskunst.

Auch das On-Court-Coaching bringt Kerber nicht die Wende

Bei den WTA Finals hat Kerber, das ließ sich nicht verbergen, ihren Sparringspartner André Wiesler zum zuständigen Coach aufgewertet, kurzfristig sicher die praktikabelste Lösung. Der gebürtige Pforzheimer und Zweitligaspieler steht seit längerem in den Diensten Kerbers, um sie auf Matches vorzubereiten. Diese neue Kombination musste allerdings sofort einem fordernden Belastungstest standhalten, den vor allem der 35 Jahre alte Wiesler so auch noch nicht kannte.

Kerber hatte ihn im dritten Satz zum einmal pro Satz erlaubten On-Court-Coaching auf den Platz beordert. Zum ersten Mal überhaupt führte Wiesler diese Art der Ansprache durch, dann sogleich live im globalen Fernsehen, bei den WTA Finals, mit einer Wimbledonsiegerin und aktuellen Nummer zwei der Welt als Zuhörerin. Eine verständliche Anspannung war Wiesler anzumerken, der erst überlegen musste, was er sagen sollte. "Sei mutig, Angie" und "Spiel mit Überzeugung", sagte er schließlich, aber er schien Kerber, die frustriert vor ihm saß, als hätte man ihr Schläger geklaut, nicht zu erreichen.

Angelique Kerber hat eine klare Vorstellung von ihrem zukünftigen Trainer

Sie spielte weitgehend ohne Mut und Überzeugung weiter, begleitet von Gesten, die offenbarten: Ihre Frustrationstoleranz war zu niedrig an diesem Arbeitstag. Manchmal ist Kerber zu streng mit sich selber und sieht die Welt misstrauischer und schwärzer, als es angemessen wäre. Fans immerhin bietet sie so öfter gute Möglichkeiten, mit ihr mitzufühlen und -leiden.

Und weil Kerber so ist, war es für sie stets umso wichtiger in ihrer Karriere, einen passenden Trainer zu haben, der ihr mit sich ringendes Inneres zu kanalisieren weiß. Jeder ihrer Triumphe gelang aus einem harmonischen, unbelasteten Zusammenspiel mit einem Coach heraus: Der loyale Torben Beltz führte sie zu zwei Grand-Slam-Erfolgen, der bedachte Fissette aus einem Tief heraus zum Sieg in Wimbledon. Der Kreis an Kandidaten, den Kerber in Betracht ziehen dürfte, ist klein, sie bevorzugt den Austausch in Deutsch, im Idealfall weiß sie die Person bereits einzuschätzen. Daher holte sie je einmal Beltz sowie Benjamin Ebrahimzadeh zurück. "Was soll ich denn machen?", dies hatte Kerber während ihres Matches gegen Bertens in der ihr eigenen Verzweiflung gerufen. Auf ihre Trainersituation dürfte diese Frage zum Ende ihrer bemerkenswerten Saison auch zutreffen. Nach Singapur will sich Kerber entscheiden. Ihre Wahl wird dann einiges darüber verraten, wie sie 2019 und ihr nächstes Kapitel anzugehen gedenkt.

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