Tennis in Wimbledon:Weniger als Null

Wimbledon

Am Boden: Alexander Zverev geht schon in der ersten Runde von Wimbledon k.o.

(Foto: Toby Melville/Reuters)

Alexander Zverev scheitert bereits in der ersten Runde am Qualifikanten Jiri Vesely. Danach macht er nebulöse Andeutungen über etwas, das ihn gerade sehr belastet.

Von Barbara Klimke, London

Es war ein schneller Abgang: ein Handschlag am Netz, ein Griff nach der Tasche. Dann wartete er noch höflich auf seinen Gegner, Jiri Vesely, mit dem er gemeinsam den Platz verließ. Kurz darauf saß Alexander Zverev, 22, im Interviewraum in Wimbledon, um seine überraschende Niederlage zu erklären. Er hatte sich nur Zeit genommen, das Hemd zu wechseln. Dem Kontrahenten, der als Qualifikant seine Chance genutzt hatte, zollte Zverev Tribut. Aber er räumte auch ein, dass der abrupte Abgang Folge seines eigenen Unvermögens war an diesem Montagabend: "Ich hatte genug Möglichkeiten, dieses Match zu gewinnen", sagte er bedeutungsschwer.

Stattdessen steht nun zu Buche, dass für den Sieger des ATP-Finals der vergangenen Saison, die Nummer 5 der Welt, das Turnier beendet ist, kaum dass es begonnen hat. 6:4, 3:6, 2:6, 5:7 wurde Zverev von Vesely geschlagen, der im Ranking 103 Plätze hinter ihm steht. Zwar ist der 25 Jahre alte Tscheche ein begabter Rasenspieler, der 2018 das Achtelfinale erreicht hatte, wo er sich dem Spanier Rafael Nadal beugen musste. Auch wusste Vesely, dass er diesmal gegen Zverev nicht viel zu verlieren hatte und ging mit entsprechender Aggressivität zu Werke. Aber Alexander Zverev war ihm zumindest im ersten Satz weit überlegen. Dann schien er mit einem Schlag die Konzentration und den Glauben an sein Können zu verlieren.

Von den sieben deutschen Profis rückte am Montag keiner in die zweite Runde vor

Dabei begann das Match nach Plan: Im ersten Satz konnte sich Zverev auf seinen Aufschlag verlassen - er schlug neun Asse und rückte häufig ans Netz. Fast immer, wenn der erste Service im Feld landete, verwandelte er den Punkt. Ihm gelang das Break zum 6:4, auch im zweiten Satz wirkte er bis zum 3:3 dominant. Dann kippte das Spiel: Ein verschlagener Ball; ein Doppelfehler; ein verunglückter Versuch, einen Volley per Beckerhecht zu retten. Er verlor diesen und die folgenden fünf Punkte. Zervev ließ die Schultern hängen. Seine Schritte zwischen den Ballwechseln wurden schleppender. Dem immer stärker und präziser spielenden Vesely hatte er in den drei verlorenen Sätzen nicht mehr viel entgegenzusetzen.

Er habe das ganze Jahr zu schlecht gespielt, erklärte Zverev, dann reiche die Form eben auch in Wimbledon nicht. "Das war ein typisches Grand-Slam-Match für mich. Ich bin gut gestartet, dann gehen zwei oder drei Dinge schief, und irgendwie fällt alles auseinander." Sein Selbstvertrauen, so lautete die schonungslose Analyse, sei derzeit "weniger als Null".

Dann folgten die Sätze, die der Niederlage eine ganz neue Dimension verliehen. "Die letzten zwei Tage waren sehr hart für mich. Was gerade los ist, ist abartig", sagte er, "ich bin sehr wütend darüber." Er dürfe "nichts Offizielles sagen", fügte er nebulös hinzu. Nur so viel: "Es tut mir weh. Ich dachte, wir sind Freunde." Einen Namen nannte er nicht, die Bemerkung war vermutlich als Anspielung an seinen Rechtsstreit mit seinem früheren Manager Patricio Apey zu verstehen. Offenbar belastet Zverev dieses Zerwürfnis sehr.

Festzuhalten bleibt, dass nicht einmal die Anwesenheit seines Trainers Ivan Lendl dem Match eine Wendung zu geben vermochte. Gewohnt stoisch, mit einem weißen Handtuch auf den Knien, verfolgte Lendl auf der Tribüne, wie Zverev auf Court Number One den Faden verlor. Im 17. Anlauf bei einem Grand-Slam-Turnier hat der mit Abstand begabteste deutsche Tennisspieler erneut den Durchbruch verfehlt.

Es war eine Niederlage, die ins Bild passte an diesem für die deutschen Akteure so unerquicklichen Tag: Sieben Spieler und Spielerinnen aus den Reihen des DTB standen auf dem Rasen - keiner rückte in die zweite Runde vor. Neben Alexander Zverev musste sich auch Philipp Kohlschreiber geschlagen geben: Er sah sich allerdings dem Titelverteidiger und Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic gegenüber. "Ich habe alles gegeben", sagte er, als das Resultat, 3:6, 5:7, 3:6, auf dem Center Court von Wimbledon besiegelt war. Auch Mona Barthel, Anna-Lena Friedsam, Peter Gojowczyk, Cedrik-Marcel Stebe und Mischa Zverev verloren.

Vielleicht war es ein kleiner Trost für Alexander Zverev, dass auch anderen Favoriten an diesem Montag an ihre Grenzen stießen: Der Grieche Stefanos Tsitsipas, ein Aufsteiger der vergangenen sechs Monate und neuer Liebling der Tennisfans, konnte eine Fünfsatzniederlage gegen den Italiener Thomas Fabbiano nicht verhindern. Naomi Osaka, die Gewinnerin der US Open und der Australian Open, verlor gegen Julija Putinzewa. Und für Venus Williams, 39, kam das Ende ihrer Ambitionen, als die 15 Jahre alte Cori Gauff auf der anderen Netzseite auftauchte. Gauff gewann glatt in zwei Sätzen 6:4, 6:4; sie wurde 2004 geboren - zu einem Zeitpunkt, als Venus Williams schon sechs Grand Slams gewonnen hatte.

Sie alle werden sich nun wohl etwas Erholung gönnen. Das ist auch Alexander Zverevs Plan. "Irgendwo, wo mich keiner finden kann", sagte er noch, ehe er endgültig seinen Abschied nahm.

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