Tennis in Stuttgart:Scharapowa schleicht durch die Provinz

Maria Scharapowa

Maria Scharapowa ist derzeit noch gut verpackt unterwegs.

(Foto: dpa)
  • Beim Stuttgarter Tennisturnier kehrt Maria Scharapowa nach ihrer langen Dopingsperre zurück.
  • Die Veranstalter stellt das vor schwierige Aufgaben - auch das Thema Doping müssen sie moderieren.

Von Philipp Schneider

Ach was, sagt Knut Seyerle, so ganz ohne Probleme laufe die ganze Angelegenheit dann doch nicht ab. Wie denn auch? Eigentlich hätten er und seine Vorstandskollegen beim Sportverein Sillenbuch 1892 die Geschichte auch vertraulich behandeln wollen. "Wir wollen ja keinen Volksaufstand haben bei uns auf der Anlage", sagt Seyerle, der Vereinsvorsitzende. Aber so völlig klandestin lässt es sich eben doch nicht abwickeln, wenn da plötzlich eine Weltbürgerin, noch dazu eine überführte Dopingsünderin, wie Maria Scharapowa in der Stuttgarter Provinz Tennis spielt. Weil sie ja irgendwo hin muss. Aber nicht überall hin darf.

Normalerweise ist die Halle in Sillenbuch gut gebucht. Es gibt nur zwei überdachte Plätze für 420 Mitglieder, und auch am vergangenen Wochenende wollten ein paar von ihnen Tennis spielen, das weiß Seyerle ganz genau. "Wir haben seit letztem Jahr ein Online-Buchungssystem eingeführt, wo ich die Software dafür geschrieben habe", sagt er. Für das neue System wird Scharapowa keinen Zugang haben, sie ist kein Mitglied beim SV Sillenbuch, aber seit dem vergangenen Freitag hat sie trotzdem einen der zwei Plätze gebucht, die normalerweise 18 Euro die Stunde kosten. Darum hat sich Scharapowas Entourage gekümmert. Ganz professionell. Wie fast immer eigentlich.

An diesem Mittwoch gibt die fünfmalige Grand-Slam-Siegerin ihr Comeback beim WTA-Turnier in Stuttgart. Erst in diesem Moment, und garantiert keinen Tag früher, wird sie ihre 15-monatige Sperre abgesessen haben, mit der der Tennisweltverband ITF ihren Missbrauch des Medikaments Meldonium ahndet. Einem Herzmittel, das seit dem 1. Januar 2016 auf der Dopingliste steht, was wiederum Scharapowa und ihr Umfeld nicht mitbekommen haben, so die Argumentation.

Bis Mittwoch, so sieht es das Reglement für gesperrte Spielerinnen vor, dürfen ihr weder die WTA, also die Vereinigung der professionellen Tennisspielerinnen, noch die Turnierveranstalter in Stuttgart dabei helfen, einen geeigneten Trainingsplatz zu finden. Geschweige denn einen bereitstellen. Aber Scharapowa hatte zum Glück gar keine fremde Hilfe nötig bei ihrer Suche nach einem Platz, der dem in Stuttgart ähnelt, obwohl der eher zu einer speziellen Spezies gehört. "Wir sind angesprochen worden, weil wir unsere Tennishalle auf Sandboden umgestellt haben", sagt Seyerle. Sand ist selten in der Halle.

Markus Günthardt, der Turnierdirektor in Stuttgart, sagt, er habe nichts zu schaffen gehabt mit der Mission, einen Trainingsplatz für Scharapowa aufzutreiben. "Das ist nicht über uns gelaufen", versichert er. Sven Groeneveld habe sich um alles gekümmert, Scharapowas Trainer, der auch schon Michael Stich und Tommy Haas betreut hat. "Groeneveld ist da auch sehr minutiös. Er war in Deutschland, wann genau weiß ich nicht, und ist dann extra nach Stuttgart gefahren, um sich Hallen anzugucken. Die Maria hat ein sehr professionelles Umfeld. Die überlassen nichts dem Zufall."

Umgeben von Profis - nur einmal nicht

Sieht ganz so aus. Demnach hat das professionelle Umfeld blöderweise nur einmal geschlampt. In dem Moment, als es übersehen hat, dass Meldonium auf die Liste der verbotenen Substanzen gesetzt wurde und niemand Scharapowa darüber in Kenntnis setzte. "Das ist der einzige Punkt, den ich nicht verstehe", sagt Günthardt: "Das war ein Riesenfehler, der nicht hätte passieren dürfen."

So kommt es nun, dass sich Scharapowa ein paar Tage lang durch den Hintereingang einer Halle schleichen muss, die zu einem 1892 gegründeten Tennisklub an der Stuttgarter Peripherie gehört. Auch am Montag spielte sie ein paar Stündchen, ehe sie die Anlage wieder verließ, versteckt unter einer schwarzen Trainingsjacke und begleitet von ihrem professionellen Tross, zu dem auch der Fitnesstrainer Yutaka Nakamura und ihr Physiotherapeut Jérôme Bianchi zählen.

So rundum optimal scheinen die Bedingungen zur Vorbereitung beim SV Sillenbuch allerdings nicht zu sein. Am Freitagabend, das wurde Vorstand Seyerle zugetragen, soll auf dem Platz neben Scharapowa ein Mitglied gespielt haben, das im Anschluss auf ein gemeinsames Foto bestand. "Sie hat ja nur einen Platz gebucht, nicht beide", sagt Seyerle, und man hört raus, dass alles andere auch einem Hochverrat an den Fair-Play-Prinzipien in seinem Online-Buchungssystem gleichgekommen wäre.

Günthardt sorgt sich etwas um die Wettbewerbsfähigkeit seiner größten Attraktion, die er eigens mit einer Wildcard in den Wettbewerb geschleust hat. Auch wenn der Court in Sillenbuch dem in der großen Halle in Stuttgart nahekomme, sei er nicht identisch, sagt er: "Das ist ein Riesenunterschied: vom Licht, vom Ambiente, vom Speed. Da muss man jetzt sehen, ob Scharapowa überhaupt die erste Runde übersteht. Roberta Vinci ist ja ein Fuchs." Gegen die erfahrene Italienerin spielt Scharapowa zum Auftakt am Mittwoch. Die Debatte um ihren Start in Stuttgart nennt Günthardt, 59, ein ehemaliger Schweizer Davis-Cup-Spieler, eine "Polemik". Er geht davon aus, dass sich die bald legen wird, schließlich habe sie ja gebüßt für ihr Vergehen.

Vorstand Seyerle findet sowieso, dass die ganze Debatte um den Weltstar in seiner kleinen Halle ein paar Etagen zu hoch eingehängt wird. Er sagt: "Normal sind ja alle gedopt. Früher auch schon. Die waren doch alle schon bei einem Sportarzt in Freiburg."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: