Tennis in Stuttgart:Aufwärts

Tennis in Stuttgart: Steht in Stuttgart im Finale: Angelique Kerber setzt sich klar gegen Madison Brengle durch. Im Finale wartet nun die Nummer fünf der Welt.

Steht in Stuttgart im Finale: Angelique Kerber setzt sich klar gegen Madison Brengle durch. Im Finale wartet nun die Nummer fünf der Welt.

(Foto: Michael Probst/AP)

Die Saison von Angelique Kerber ähnelt einer Achterbahnfahrt. Derzeit führt die Kurve steil nach oben. In Stuttgart hat sie das Endspiel erreicht.

Von Johannes Knuth, Stuttgart/München

In Stuttgart halten sie gerade ihr Frühlingsfest ab, in der Nachbarschaft der Tennishalle, und man darf davon ausgehen, dass die Tennisspielerin Angelique Kerber sich mit den angebotenen Fahrgeschäften auseinandergesetzt hat. Vor allem mit den Achterbahnen. Kerber und ihr Trainer Torben Beltz wetten gerne, meistens denkt sich Kerber irgendeine Gemeinheit für ihren Trainer aus, sollte sie das Turnier für sich entscheiden. Im Falle eines Erfolgs in Stuttgart, hat Kerber vor ein paar Tagen erzählt, wird Beltz wohl in die Achterbahn steigen müssen, in die "Wilde Maus", den "Höllenblitz" oder die "Alpinabahn", man stehe noch in Verhandlungen. Beltz mag es, wenn Kerber gewinnt; was er eher nicht so gerne mag, sind: Achterbahnen.

Es sieht derzeit gut aus für Angelique Kerber, 27, für ihre Ambitionen in Stuttgart und ihre Wette. Die Kielerin rückte am Samstagabend ins Endspiel am Sonntag (14.30 Uhr, SWR) vor, zum ersten Mal in ihrer Karriere, sie gewann ihr Halbfinale souverän 6:3, 6:1 gegen die Amerikanerin Madison Brengle, Nummer 43 der Welt. Im Endspiel trifft die 27-Jährige nun auf die Dänin Caroline Wozniacki. Kerber könnte die zweite Deutsche werden, die in Stuttgart gewinnt, Julia Görges war 2011 die Erste. "Es war nicht so einfach", sagte Kerber nach einem scheinbar einfachen, einstündigen Match, "nach dem Sieg gegen Maria Scharapowa haben alle erwartet, dass ich hier im Finale stehe. Ich habe den Druck gespürt".

In Stuttgart zeigt sie gerade ihr ganzes Repertoire

Die Angelique Kerber in der Verfassung von vor ein paar Monaten hätte mit diesem Druck vermutlich ihre Probleme gehabt. Allerdings hat die Kerber von damals mit der Angelique Kerber, die man in diesen Tagen in Stuttgart antrifft, nicht viel gemein. Die 27-Jährige führt gerade alles im Angebot: überraschende Erfolge (wie in der zweiten Runde gegen Scharapowa), kämpferische Qualitäten (wie im Viertelfinale gegen Jekaterina Makarowa), nun die Pflichterfüllung gegen Brengle. Das Tief, das zu Jahresbeginn über ihr aufgekommen war, hat sich verzogen, erst einmal.

Zu Jahresbeginn war Kerber in der ersten Runde der Australien Open ausgeschieden, sie war aus den besten Zehn der Weltrangliste gerutscht, trennte sich von Trainer Benjamin Ebrahimzadeh und holte ihren ehemaligen Betreuer Beltz zurück. Mit den ersten kleinen Erfolgen stellte sich das Selbstvertrauen ein, mit dem Selbstvertrauen kamen die nächsten Siege. Mittlerweile könnte Kerber vor ihren Spielen drei Stunden lang Achterbahn beim Frühlingsfest fahren, sie würde vermutlich trotzdem gewinnen. Selbst die traurige Niederlage des deutschen Fed-Cup-Teams in Russland am vergangenen Wochenende brachte sie nicht aus der Fassung - übrigens als einzige Spielerin aus dem Quartett. Sie hatte in Sotschi ihr Einzel gegen Anastasia Pawljutschenkowa gewonnen, und zwar in überragender Manier (6:1, 6:0), mehr konnte sie nicht leisten. Während ihre Kolleginnen in Stuttgart schnell verloren (Sabine Lisicki und Julia Görges) oder gar nicht antreten konnten (Andrea Petkovic), biss sich Kerber durch.

Im Finale gegen Caroline Wozniacki

Am Samstag klaute sie Brengle zur Begrüßung den Aufschlag, brachte ihr eigenes Aufschlagspiel durch, prompt stand es 2:0. Brengle wehrte sich, sie platzierte die Bälle immer mal wieder präzise an den Seitenlinien, schnörkellos; die Amerikanerin ist nicht mit dem größten Talent gesegnet, aber sie arbeitet hart an sich im Training; wer sie unterschätzt, gerät schnell ins Hintertreffen. Beltz hielt Mitte des ersten Satzes ein kurzes Impulsreferat am Spielfeldrand, kurz darauf entschied Kerber den ersten Satz für sich, nach einer halben Stunde.

Brengle eröffnete den zweiten Satz mit einem Break, doch das änderte wenig an Kerbers konzentriertem Vortrag. Die 27-Jährige variierte ihr Spiel, beschäftigte die Amerikanerin, zum Beispiel per Aufschlag-Slice, mit dem sie Brengle in eine Ecke des Feldes schickte und damit die gegenüberliegende Seite öffnete. Ansonsten rief Kerber das ab, was sie im bisherigen Verlauf des Turniers ausgezeichnet hatte: Sie ließ sich nicht irritieren, erreichte fast jeden Ball, während Brengle nun immer mehr Flüchtigkeitsfehler einstreute. Nach 58 Minuten schlug die Amerikanerin eine Rückhand ins Netz, Kerber jubelte befreit auf. Sie hatte die Partie als die theoretisch bessere Spielerin aufgenommen; dass sie die Theorie in der Praxis bestätigen konnte, war ihr wichtig.

Die größte Prüfung des Turniers steht ihr freilich am Sonntag bevor, im Endspiel gegen Wozniacki. Die Dänin musste am Samstag 2:58 Stunden investieren, ehe ihr 7:5, 5:7, 6:2 gegen Simona Halep amtlich war. Kerber kennt sich ein wenig aus mit Endspielen gegen die Dänin, 2012 trafen beide in Kopenhagen aufeinander, "ich hatte 4000 Leute gegen mich", sagte Kerber damals. Sie gewann, es war ihr zweiter Turniersieg im WTA-Betrieb. Torben Beltz musste anschließend Achterbahn fahren.

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