Tennis:Im LaLa-Land

Angelique Kerber besiegt Andrea Petkovic mit 6:2, 6:1 und beendet ihre Serie der Erstrunden-Niederlagen in Indian Wells. Nach Turnierende wird sie wieder auf Platz eins der Weltrangliste geführt werden.

Von Jürgen Schmieder, Indian Wells

Es gibt so einen Schlag von Angelique Kerber, der sorgt nicht nur für einen schnöden Punktgewinn, sondern sendet eine deutliche Botschaft an die Gegnerin, dass da heute nicht viel zu machen sein wird. Sie lässt sich während des Ballwechsels über den Platz hetzen, es sieht wahrlich nicht gut aus für sie - doch dann vollführt sie an der Grundlinie eine tiefe Kniebeuge und schickt den Ball auf eine geometrisch höchst interessante Reise. Kerber verfolgt die Flugbahn des Spielgeräts aus der geknieten Pose heraus, sie weiß, dass sie nicht mehr wird aufstehen müssen. Dann sieht sie zu ihrer Kontrahentin und ballt die Faust.

Am Samstag in Indian Wells präsentierte sie diesen Schlag immer wieder mal, meist am Ende dramaturgisch bedeutsamer Ballwechsel, weshalb für Gegnerin Andrea Petkovic bereits Mitte des ersten Durchgangs klar war, dass da nicht viel zu machen sein würde. Petkovic mühte sich redlich, sie agierte aggressiv und selbstbewusst, verlor jedoch am Ende deutlich mit 2:6, 1:6.

Es wäre freilich ein grotesker Moment gewesen, hätte Kerber diese Partie verloren. Sie wird aufgrund der Absage von Serena Williams nach dieser Veranstaltung in Indian Wells wieder als weltbeste Spielerin geführt werden. Da Williams auch auf das nächste Turnier in Miami verzichtet, wird Kerber mindestens bis 2. April oben bleiben - vielleicht noch länger, weil Williams bereits betont hat, dass sie in diesem Jahr weniger Turniere spielen möchte - und fleißig Punkte sammeln können. Das ist gewiss nicht Kerbers Schuld, und doch gibt es da einen (zumindest gefühlten) Unterschied, die Spitzenposition in der Weltrangliste nach einem Turniersieg einzunehmen oder nach einer Niederlage in der ersten Runde.

Knie- und Rücken-Probleme sollen überwunden sein

Kerber scheint das, was gemeinhin unter dem schwammigen Begriff Druck zusammengefasst wird, anders wahrzunehmen als andere Sportler. Im Finale der Australian Open 2016, da rang sie Serena Williams in drei Sätzen nieder - und es ist wichtig zu wissen, dass sie bei diesem Turnier in der ersten Runde einen Matchball hatte abwehren müssen. Bei den US Open ein paar Monate später gewann sie ihr Halbfinale, nachdem sie kurz davor von ihrer Beförderung zur amtlich beglaubigt besten Spielerin der Welt erfahren hatte. Im Finale siegte sie gegen Karolina Pliskova, obwohl sie im entscheidenden Satz mit einem Break im Rückstand gelegen hatte - vor mehr als 23 000 Zuschauern im Arthur Ashe Stadium und Millionen von Menschen vor den Fernsehern. Druck? Welcher Druck?

Kerber plagen eher jene Partien, die gemeinhin unter dem noch schwammigeren Begriff machbar zusammengefasst werden. Diese Spiele in den ersten Runden, bei denen sich die prägenden Akteure im Turniertableau ein wenig einspielen und an Anlage und Klima gewöhnen sollen. Wie knifflig das für Kerber ist, das zeigten ihre vergangenen Auftritte in Indian Wells, bei denen sie jeweils in der ersten Runde verlor: vor drei Jahren gegen Maria Teresa Torro-Flor (damals auf Platz 72 der Weltrangliste), danach gegen Sloane Stephens (42) sowie gegen Denisa Allertova (64).

Ihre Saison bislang bezeichnete Kerber vor der Partie gegen Petkovic als "lala" - was einerseits ziemlich schwammig ist, andererseits kaum treffender sein könnte. Sie ist bei den Australian Open im Achtelfinale ausgeschieden und in Doha gleich in der ersten Runde. In Dubai erreichte sie das Halbfinale, hatte danach aber mit Problemen an Knie und Rücken zu kämpfen. "Es gibt keinen Grund zur Panik", sagte sie: "Ich bin positiv und ruhig geblieben, auch alle Leute drum herum. Es ist ja nichts Schlimmes passiert." Kerber bewegt sich qualitativ gerade im Lala-Land.

In Indian Wells besiegte sie nach einem Freilos in der ersten Runde am Samstag Andrea Petkovic. Es war eine machbare Partie, und Kerber absolvierte sie souverän und auch mit eben jenen Schlägen, die nicht nur Petkovic zur Verzweiflung bringen werden, sondern auch Gegnerinnen wie Venus Williams oder Karolina Pliskova. "Ich bin nicht hier, um mich um die Weltrangliste zu kümmern", hatte sie bereits vor der Partie gesagt: "Ich will ein gutes Turnier spielen. Aufgrund der frühen Niederlage im vergangenen Jahr habe ich nichts zu verlieren." Nach diesem deutlichen Sieg sollte nun auch bisschen Druck weg sein.

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