Süddeutsche Zeitung

Tennis-Historie:Entscheidende Schläge für die Frauenbefreiung

Auch 30 Jahre später glaubt Billie Jean King, noch Folgen ihres Geschlechter-Duells gegen Bobby Riggs ausmachen zu können.

René Hofmann

(SZ vom 01.10.2003) - Immer, wenn ich vor die Tür gehe, bekomme ich es wieder zu hören", sagt Billie Jean King: "Manche Menschen ärgern sich über mich, weil sie beim Wetten viel Geld verloren haben. Andere freuen sich, weil sie Geld gewonnen haben. Und alle erzählen mir, wie es ihr Leben verändert hat." Dabei ist es inzwischen ziemlich genau 30 Jahre her: das Tennis-Match, das Billie Jean King am 20. September 1973 im Astrodome von Houston gegen Bobby Riggs bestritt und das zum Battle of Sexes hochgejazzt wurde - zum "Kampf der Geschlechter".

Aus heutiger Zeit mag es befremdlich wirken, dass sich von einem Showkampf zwischen einer 29-Jährigen und einem 55-Jährigen mehr als 30.000 Zuschauer anlocken ließen und 50 Millionen Menschen ihren Fernseher einschalteten, doch die Welt war noch eine andere in den Siebzigerjahren.

Bei Tennisturnieren erhielten die besten Frauen gerade einmal ein Drittel dessen, was die besten Männer mit nach Hause nehmen durften. An den amerikanischen Colleges sorgte der so genannte Paragraph neun, der Athletinnen die gleichen Rechte wie den männlichen Sportlern zugestand, für viele Diskussionen. Allein stehende Frauen erhielten in vielen Banken noch keine Kreditkarte, aber es gab immer mehr, die sich das nicht länger gefallen lassen wollten.

Das Duell auf dem Tennisplatz passte also bestens in die Zeit, und für King, die als Teenager in ihrer Tennismannschaft einst nicht mit auf ein Erinnerungsfoto gedurft hatte, weil sie als einziges Mädchen Hosen trug, war es eine Mission. "Ich habe entsetzlich viel Druck verspürt, dieses Match gewinnen zu müssen", sagt King: "Um dem Frauentennis zu helfen, dem Frauensport, den Frauen überhaupt." Riggs war dafür der ideale Gegner. 1939 hatte der US-Amerikaner in Wimbledon den Einzel-, den Doppel- und den Mixed-Wettbewerb gewonnen. Er galt als Playboy und Chauvinist.

Rosen zum Muttertags-Massaker

Aus dem Tennis-Ruhestand, in den er sich 1951 begeben hatte, meldete er sich immer wieder mit despektierlichen Kommentaren über die Kolleginnen zu Wort. "Jeder halb-demente Mann ist jederzeit in der Lage, die beste Tennisspielerin vom Platz zu fegen", tönte Riggs. Am Muttertag 1973 zog er los, das gegen die 24 Jahre jüngere Margaret Smith Court unter Beweis zu stellen. Vor dem Match überreichte er der US- und French-Open-Siegerin dieses Jahres ein Bouquet Rosen, dann schoss er sie mit 6:2 und 6:1 vom Platz. Das "Muttertags-Massaker" nannten es die Zeitungen.

"Jetzt", erklärte Riggs, "will ich Billie Jean King, die Nummer 1 der Women's lib, der Frauenbefreiung." "Okay", entgegnete die, stellte aber Bedingungen: ein Match, keine Revanche, der Sieger bekommt das ganze Preisgeld; die ausgelobten 100 000 Dollar waren eine Rekordsumme. Riggs willigte ein. Damit war die Bühne für ein bis heute einmaliges Schauspiel bereitet.

Während King sich zum Training zurückzog, brach Riggs zu einer Promotion-Tour durch Radio- und Fernseh-Talkshows auf, zu Buchhandlungen und Cocktailparties. Seine Botschaft war überall die gleiche. Er zeigte sich in einem T-Shirt mit der Aufschrift "Männer wehrt Euch!" und erklärte groß- spurig: "Wenn ich schon ein chauvinistisches Schwein sein muss, dann will ich auch das größte sein."

Auf dem Übungsplatz, der in einem Houstoner Parkhaus extra errichtet worden war und auf dem Billie Jean King täglich trainierte, war Riggs selten zu sehen, und wenn, dann schlug er für ein paar Minuten Bälle mit schwachen Sparringspartnern: Er spielte mit einem Kongressabgeordneten, einem Herzchirurgen, einem 13-Jährigen. Sogar gegen Larry King, den Ehemann seiner Rivalin, trat Riggs an, ließ ihn auf 4:0 davonziehen und gewann doch noch 6:4. Für ihn war das Match eine einzige große Show.

Karamell-Lutscher für die Gegnerin

Als es ernst wurde am 20. - einem Samstagabend - ließ er sich von Frauen in einer Rikscha in die Arena ziehen, für seine Gegnerin hatte er einen riesigen Karamell-Lutscher dabei. Billie Jean King erschien in den Farben Mentholgrün und italienisches Himmelblau, in einem Tenniskleid, das ein Londoner Designer extra für den Abend entworfen hatte. Sie ließ sich auf einer mit rotem Samt ausgeschlagenen Sänfte von den Footballern der University of Houston in die Halle bringen. Die gut gebauten Jungs trugen zu diesem Anlass lediglich Mini-Togen. Auch King hatte ein Präsent dabei: ein echtes Ferkel. Die Menge johlte, als sie die Sau dem Chauvinisten-Schwein Riggs übergab.

Das war der Zirkus, den alle sehen wollten, doch der Spaß verschwand schnell, als die Bälle flogen. Das Publikum hatte sich eine Demütigung gewünscht, einen fulminanten Triumph für Riggs. Doch so fest der auch schlug, King brachte jeden Ball zurück. Sie diktierte das Tempo und donnerte Riggs die Filzkugel immer wieder auf die schwache Rückhand. Er breakte sie dreimal, jedes Mal schaffte sie prompt das Re-Break.

Den ersten Satz schenkte er ihr mit einem Doppelfehler, den zweiten holte sie sich mit einem Aufschlagspiel, in dem er keinen Punkt gewann. Als es im dritten Satz 4:2 stand, nahm Riggs eine Auszeit; Krämpfe schüttelten seine Schlaghand. Die Männer in der Halle waren da schon sehr still geworden. Es war abzusehen, wie der Vergleich enden würden. "Los, mach' ihn fertig!", schrie eine ihrer Anhängerinnen, als sich Billie Jean King ein Matchball bot. Die tat, wie geheißen: 6:4, 6:3, 6:3.

Späte Einsicht des Playboys

"Eine Menge Frauen haben mich hinterher wissen lassen, wie gut das Match ihrem Selbstbewusstsein getan hat. Viele haben sich danach getraut, für ihre Rechte aufzustehen", sagt Billie Jean King. Riggs hat sie nach dem Match noch einmal gesprochen, 1995, kurz bevor er an Prostata-Krebs starb. "Da", sagt Billie Jean King, "war er stolz darauf, was wir gemeinsam ins Rollen gebracht haben."

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