Süddeutsche Zeitung

Tennis:Für die Zukunft

Sebastian Korda gewinnt in Eckental. Die Veranstalter sind froh, das Turnier zu Ende gebracht zu haben.

Von Sebastian Winter

Sie haben es also tatsächlich geschafft, das ATP-Challengerturnier von Eckental zu Ende zu bringen, ohne größere Verletzungen, und vor allem: ohne Corona-Fall. Das wäre ja der Gau für die Veranstalter gewesen in dem tennisbegeisterten mittelfränkischen Örtchen: dass sich trotz der strikten Hygienevorschriften, trotz fehlender Zuschauer, trotz Maskenpflicht sowie An- und Abreise der Profis durch einen extra dafür installierten Hintereingang doch von irgendwoher das Virus ausbreiten und das Turnier noch sprengen könnte. "Wir sind froh", sagt der Organisator Fabian Reisch, "es war die richtige Entscheidung, das hier durchzuziehen. Auch für die Spieler, die ihren Beruf weiter ausüben konnten. Und wir sind mit einem blauen Auge davongekommen." Er meint: in finanzieller Hinsicht. Die schwarze Null stehe, das Geld der meisten Sponsoren ist inzwischen da.

Für Sebastian Korda steht nicht nur die schwarze Null, für den US-Amerikaner hat sich die Reise nach Eckental gelohnt. Rund 12 000 Euro bekommt der 20-Jährige für seinen Finalsieg über Ramkumar Ramanathan aus Indien. Das von großer Nervosität geprägte Endspiel gewann Korda auch deshalb 6:4 und 6:4, weil ihm nur drei Doppelfehler unterliefen - Ramanathan hingegen neun. Korda hatte in diesen Wochen, in denen er zunächst in Ismaning ins Viertelfinale kam, gleich zwei Premieren: Zum ersten Mal betrat der Mann aus Bradenton, Florida, deutschen Boden (bislang lief er hierzulande nur auf Flughäfen durch den Transitbereich), außerdem gewann er in Eckental sein erstes Challenger-Turnier überhaupt.

Die Serie ist eine Art zweite Liga des Profitennis, hier versuchen Spieler, die zumeist jenseits der Top 100 stehen, länger verletzte Akteure oder junge Talente, Weltranglistenpunkte zu sammeln und die Tür in den illustren Zirkel zumindest einen Spalt breit zu öffnen. Korda ist gerade dabei, dort einzutreten, 116. ist er nach seinem ersten Finalerfolg auf der ATP-Tour. Schon beim Grand-Slam-Turnier in Paris hatte er Aufmerksamkeit erregt mit dem Einzug ins Achtelfinale, wo er in drei Sätzen gegen sein großes Idol Rafael Nadal verlor. Der wichtigste Ratgeber ist aber weiterhin sein Vater - Petr Korda.

1992 stand der einstige Weltranglistenzweite im Finale der French Open, 1998 siegte der hagere Tscheche bei den Australien Open, insgesamt hat er mehr als zehn Millionen US-Dollar an Preisgeld gewonnen. Ein großer Schatten legte sich aber in dem Jahr, in dem er in Melbourne gewann, auf seine Karriere. Korda wurde positiv auf das Dopingmittel Nandrolon getestet und ein Jahr gesperrt.

Die sportbegeisterte Familie lebt heute in Florida nahe beieinander, Sebastian Kordas Mutter Regina war einst 24. der Tenniswelt, seine Schwestern Nelly und Jessica sind Profi-Golferinnen - Nelly ist derzeit Weltranglistendritte. "Sie schauen sich jedes meiner Spiele an", sagt Sebastian Korda über die Eltern, die meist zu Hause vor dem Livestream mit ihrem hoch gewachsenen Sohn fiebern. Zu den Turnieren reisten sie schon vor der Corona-Pandemie kaum mit ihm.

Fabian Reisch beschreibt den neuen Eckental-Sieger als "sehr entspannt und sympathisch" und meint: "Er fühlt sich inzwischen bereit, auch gegen die Großen zu spielen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir ihn noch oft hier sehen werden." Der Organisator des Turniers spielt auf die eher geringe Bedeutung des Challengers im Vergleich zu den sehr viel höherwertigen ATP-Turnieren oder gar den großen Grand Slams an, bei denen selbstredend auch Korda seine Zukunft sieht.

Aber nicht nur der US-Profi überzeugte in Eckental, wo kurz vor dem Start alle drei ausländischen Top-100-Spieler wegen der Corona-bedingten Unsicherheit absagten. Der junge Hamburger Marvin Möller schob sich durch seinen Halbfinal-Einzug mehr als 800 Plätze auf Weltranglisten-Rang 598 nach vorne. Und der 17-jährige Aschheimer Max Rehberg kam überraschend ins Achtelfinale. Applaus dafür spendeten allenfalls Mitarbeiter des Organisationsteams; Fans und Sponsoren waren aufgrund der behördlichen Vorgaben nicht erlaubt.

Fabian Reisch hofft, dass sich die Situation im nächsten Jahr wieder zum Guten wendet. Dann ist 25-jähriges Jubiläum in Eckental, das seine familiäre Atmosphäre so gerne betont. Geisterspiele sind dann kaum vorstellbar.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2020
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