French Open:Struff zähmt seinen Gegner

Tennis French Open

Mutig und oft am Netz: Achtelfinalist Jan-Lennard Struff.

(Foto: Frank Molter/dpa)

Mit List, Können und gutem Matchplan meistert Jan-Lennard Struff den Ansturm eines spanischen Teenagers und erreicht das Achtelfinale der French Open - ein deutsches Duell entfällt aber. Dominik Koepfer verpasst nach Mitternacht eine Sensation gegen Roger Federer.

Von Milan Pavlovic

Die Jugend hat nicht immer die höchsten Maßstäbe an die ästhetische Note. Sie will Erfolge, und das zackig, Rücksicht auf Etikette oder ähnlich Erwachsenes wäre da nachgerade fehl am Platz. Man erinnert sich an Michael Chang in seiner Teenager-Zeit als tanzender Derwisch oder an Rafael Nadal, wie dieser hüpfend und jubilierend 2005 die größte Sandplatzbühne der Welt eroberte. In seinem Muskelshirt weckte Carlos Alcaraz in seinem Drittrundenspiel am Samstag Erinnerungen an prominente Spieler der Vergangenheit, wenn er fast nach jedem gewonnenen Punkt die Hand zur Faust ballte, gerne auch in Nasenhöhe, damit jeder sie sehen konnte.

Es hätte niemanden gewundert, wenn er in seinem Repertoire auch die Jubelpirouette gehabt hätte, die Chang 1989 auf seinem Weg zum sensationellen Titelgewinn exzessiv vorgeführt hatte. Alcaraz, vor einem Monat volljährig geworden, ging dann aber nur so weit, seine besonders starken Punkte mit stechenden Blicken zum Gegner zu garnieren.

Der Spanier, der aus der Qualifikation kam und bereits sein sechstes Match am Bois de Boulogne bestritt, musste am Ende auch eingestehen, dass an diesem Nachmittag auf diesem Court ein anderer noch mehr Grund zum Fäusteln hatte: Jan-Lennard Struff gewann das Match 6:4, 7:6 (3), 6:2, und trotz höchster Konzentration war dem Deutschen anzusehen, wie glücklich er war, zum zweiten Mal in seinen inzwischen zwölf Jahren als Profi das Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers erreicht zu haben. "Ich bin happy, dass ich in drei Sätzen durchgekommen bin", sagte Struff und lobte seinen jungen Herausforderer: Alcaraz sei "ein großartiger Spieler", von dem man noch viel hören werde.

French Open: Heftige Muckis und erfolgversprechende Anlagen: der spanische Herausforderer Carlos Alcaraz.

Heftige Muckis und erfolgversprechende Anlagen: der spanische Herausforderer Carlos Alcaraz.

(Foto: Anne-Christine Poujoulat/AFP)

Struff half derweil, eine feine Serie der deutschen Männer fortzusetzen: Zum vierten Mal hintereinander qualifizierten sich zwei deutsche Männer für das Achtelfinale von Paris. Immer dabei war Alexander Zverev; hinzu kamen Maximilian Marterer (2018), Struff (2019), Daniel Altmaier (2020) und nun wieder Struff. Die Schattenseite ist allerdings, dass danach nur Zverev eine Runde weiterkam (2018 und 2019). Diese Leistung egalisierte der Hamburger am Sonntagabend durch ein extrem dominantes 6:4, 6:1, 6:1 im Duell mit dem überforderten Japaner Kei Nishikori.

Dass es nicht drei deutsche Achtelfinalisten gibt, liegt daran, dass Dominik Koepfer in der Night Session seine Chancen gegen Roger Federer nicht konsequent ausnutzte. (Siehe eigenen Bericht.) Gegen den berühmten Gegner spielte der 27-Jährige dreidreiviertel Stunden lang auf Augenhöhe - und verlor am Ende denkbar knapp mit 6:7 (5), 7:6 (3), 6:7 (4) und 5:7. Eine Weile lang schien Federer seltsam unschlüssig zu sein, wie er diesen zähen Deutschen bezwingen sollte. Erst um 0:43 Uhr hatte der Schweizer das Spiel ins Ziel gebracht.

Mutige Vorstöße und stupende Volleys

Das sah einige Stunden vorher bei Struff anders aus. Er zähmte den schlaggewaltigen Youngster Alcaraz dank einer klugen Matchstrategie, mutiger Vorstöße ans Netz und zum Teil stupender Volleys. Es schien ihm nichts auszumachen, dass der Platz ohne Sonne längst nicht mehr so schnell war wie in den ersten Tagen. Der Warsteiner wird aber noch besser spielen müssen, um mit 31 erstmals ins Viertelfinale vorzudringen. Denn er bekommt es nun mit Diego Schwartzman zu tun, der bekannt dafür ist, sich notfalls mindestens so sehr zu quälen wie seine Gegner.

Am Samstag vermieste der 28-jährige Argentinier in Windeseile die Laune von Philipp Kohlschreiber, der beim 4:6, 2:6, 1:6 nie auch nur den Hauch einer Chance hatte - zumal ihn die Adduktoren zwickten. "Schade, dass Kohli heute verloren hat. Ich hätte sehr gerne ein deutsches Duell im Achtelfinale gehabt", sagte Struff der Deutschen Presse-Agentur: "Aber man hat heute die Qualität von Diego Schwartzman gesehen, das wird eine schwere Aufgabe."

Ein 19-Jähriger als erste ernsthafte Prüfung für Rafael Nadal

Kohlschreiber haderte derweil. "Vor dem Turnier hätte ich es unterschrieben, bei einem Grand Slam mal wieder zwei Matches gegen starke Gegner zu gewinnen, heute ist man natürlich enttäuscht", sagte er nach seiner 17. und vielleicht letzten Niederlage in Paris: "Momentan freue ich mich nicht über das Turnier, dafür ist die Niederlage zu aktuell." Man konnte sehen, warum der 37-jährige Augsburger viele Jahre einer der begehrtesten Trainingspartner war (weil er so schön sauber spielt) und warum er für die Top-Spieler so ein beliebter Kontrahent war (weil er praktisch nie gegen einen der ganz Großen gewinnen konnte). "Old school"-Tennis hatte Kohlschreiber unerwartet bis in Runde drei geführt, aber dann fehlte ein Schuss jugendlicher Forschheit.

Davon hat Paris weiterhin einiges zu bieten, denn der Ansturm der Teenager ist keineswegs beendet. Schon am Montag geht das Duell der Generationen in die nächste Runde: Novak Djokovic, 34, trifft auf den Italiener Lorenzo Musetti, 19, der seine Mähne gerne per Dutt zähmt; und Rafael Nadal, 35, sieht sich auf seinem Weg zum womöglich 14. Triumph in Paris der wohl härtesten Aufgabe ausgesetzt, die er im Achtelfinale bekommen konnte: Der Italiener Jannik Sinner ist mit seinen 19 Jahren fraglos der talentierteste der aufstrebenden Spieler. 2020 warf er in Paris Alexander Zverev aus dem Turnier und kam im Match gegen Rafael Nadal einem Satzgewinn so nah wie kein anderer Gegner. Und gut erzogen ist der vielsprachige Italiener obendrein. Es hat in Paris schon lange nicht mehr so früh im Turnier derart geknistert.

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