Iga Swiatek gewinnt die French Open:Es donnert nur 70 Minuten lang

Iga Swiatek gewinnt die French Open: Zweiter Titel in Paris: Nach 2020 ist Iga Swiatek wieder erfolgreich.

Zweiter Titel in Paris: Nach 2020 ist Iga Swiatek wieder erfolgreich.

(Foto: Jean-Francois Badias/dpa)

Die Polin Iga Swiatek, selbst erst 21, zeigt gegen die 18-jährige Coco Gauff im Finale von Paris keine Gnade, gewinnt ihren zweiten Titel, erreicht Rekorde der Williams-Schwestern - und holt sich eine Gratulation von Robert Lewandowski ab.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Jetzt geriet Iga Swiatek, der gerade so ziemlich alles gelingt, doch einmal ins Straucheln. Sie hielt nicht mehr den Schläger in der Hand. Sie redete nun, und wenn Swiatek etwas noch schneller ausübt als ihre Tennishiebe, dann ist es das Sprechen. Sie wirkt vor Publikum, wenn sie etwas sagen muss, sogar nervöser als auf dem Platz. Sie dankte also ihrem Team, allen, die sie unterstützten, sie redete und redete, plötzlich stockte sie. "Oh mein Gott", rief sie ins Mikrofon. Sie hatte vergessen, was sie sagen wollte.

Es war ein putziger Auftritt, und man könnte ja fast vergessen, dass diese Iga Swiatek aus Warschau gerade erst 21 Jahre alt geworden ist. Dass sie vor drei Jahren noch eine von vielen auf der Tennistour war. Nun stand sie hier, der Himmel war pechschwarz geworden, das Dach über dem mächtigen Court Philippe Chatrier war just in diesem Moment geschlossen worden, und präsentierte sich als die logische, verdiente Siegerin dieser French Open. Im Finale an diesem Samstagnachmittag bezwang sie die Amerikanerin Coco Gauff mit 6:1, 6:3, nach 70 Minuten hatte sie zum zweiten Mal in ihrer jungen Karriere den Coupe Suzanne Lenglen erhalten.

Und dann fiel Swiatek wieder ein, was sie sagen wollte. "Ich möchte etwas zur Ukraine sagen: Bleibt stark. Die Welt ist noch da." Der Applaus, der nun aufbrandete, war anders als der, den sie nach ihrem Matchball erhalten hatte. Alle im Stadion fühlten sich betroffen und klatschten aus Solidarität umso energischer.

Die neuesten Statistiken zu Swiatek sind wahrlich atemberaubend

Unter den 15 000 Zuschauern war auch Robert Lewandowski, der noch beim FC Bayern München unter Vertrag stehende Stürmer. Er saß nur ein paar Reihen hinter der Box von Swiatek, mit der er inzwischen lose befreundet ist. Swiatek hatte mit dem Fußballer auch kurz kommuniziert und ihn gedrückt, als sie nach dem Triumph zu ihrem Team auf die Tribüne gesprintet war. Lewandowski freute sich mit ihr mit.

Iga Swiatek gewinnt die French Open: Prominenter Besuch: Robert Lewandowski, aktuell noch Fußballprofi des FC Bayern, gratuliert auf der Tribüne Iga Swiatek zum Triumph.

Prominenter Besuch: Robert Lewandowski, aktuell noch Fußballprofi des FC Bayern, gratuliert auf der Tribüne Iga Swiatek zum Triumph.

(Foto: Javier Garcia/Shutterstock/Imago)

Zu recht wurde die Weltranglisten-Erste gefeiert. Die neuesten Statistiken zu Swiatek sind wahrlich atemberaubend. Ihr gelang nun der 35. Sieg in Serie, damit hat sie Serena Williams abgehängt (34 Siege in Serie/2013) und ist mit deren Schwester Venus Williams gleichgezogen, die 2000 diese Erfolgsstrecke aufgestellt hatte. Swiatek gewann ihr sechstes Turnier und ihr neuntes Finale hintereinander, 2022 hat sie von 47 Matches nur drei verloren (gegen Ashleigh Barty, Danielle Collins, Jelena Ostapenko). 2,2 Millionen Euro erhält sie für ihren zweiten Grand-Slam-Pokal. "Was du geschafft hast, ist wunderbar", sagte die unterlegene Gauff tapfer bei der Siegerehrung. "Ich wollte es wirklich heute" - dann kamen der 18-Jährigen, die erstmals ein Endspiel auf diesem Niveau erreicht hatte, die Tränen. Der mitfühlende Jubel sollte sie aufmuntern. Sie lächelte.

Iga Swiatek gewinnt die French Open: Kurz kamen die Tränen, dann ging es wieder: Coco Gauff (links) bei der Siegerehrung mit Iga Swiatek.

Kurz kamen die Tränen, dann ging es wieder: Coco Gauff (links) bei der Siegerehrung mit Iga Swiatek.

(Foto: Ryan Pierse/Getty Images)

Gauff hatte schlicht den Zuschauern leid getan. Das Match begann ja schon so, als stünde die Siegerin bereits fest. Gauff schlug als Erste auf, machte den Fehler im ersten Ballwechsel, und ein Zuschauer, der ein Gespür für die Übermacht Swiateks hatte, rief sofort auf Französisch auf den Platz: "Auf geht's, Coco, es ist noch nicht vorbei." Da stand es 0:15. Gauff fabrizierte sofort einen Doppelfehler hinterher. Wer wollte Gauff verdenken, dass sie völlig nervös war. Sie war die jüngste Grand-Slam-Finalistin seit 2004, als Maria Scharapowa damals mit 17 Jahren in Wimbledon triumphierte.

Immerhin ging es nicht so schnell wie 1988, als Stefanie Graf das Finale in 32 Minuten gewann

Gauff konnte ihre Aufgeregtheit und Unsicherheit kaum ablegen. Wenn ihr ein Punkt gelang, wurde dieser sofort vom Publikum überschwänglich beklatscht. Ihr Spielgewinn zum 1:4 wurde fast wie ein Satzgewinn bejubelt. Swiatek zog einfach nur ihr Swiatek-Tennis auf, das reichte für diesen Klassenunterschied. Dicht an der Grundlinie stehen, das Tempo hochhalten, permanent in Lauerposition - und dann reißt sie mit einem Schlag das Kommando eines Ballwechsels an sich und schlägt zu, wenn die Chance da ist, mit einem Gewinnschlag cross, longline oder einem Volleystopp. Die arme Gauff hatte, bis auf einige Momente, schlicht kaum Zeit, überhaupt in die Partie reinzukommen.

1988 hatte es in Paris mal ein absurd einseitiges Finale gegeben. Die einzigartig Stefanie Graf benötigte gegen die 17-jährige Natalia Zvereva aus der damaligen Sowjetunion nur 32 Minuten, um mit 6:0 und 6:0 ihren zweiten von dann insgesamt sechs Titeln in Roland Garros zu erringen. Eine Minute länger dauerte nun, an diesem 4. Juni 2022, der erste Satz zwischen Swiatek und Gauff, er endete 6:1.

Auch in der Körpersprache drückt sich die Überlegenheit von Swiatek aus

Das Verblüffende im Tennis ist aber, dass dieser Sport ein brutaler Kopfsport ist. Und wenn ein Satz zu Ende geht und ein neuer Abschnitt beginnt, beginnt auch das neue Nachdenken. Verzweiflung kann sich in Mut verwandeln, Selbstsicherheit in Unsicherheit. Es gibt wenig Sportarten, in denen die Dramaturgie eines Wettkampfes derart viele Wendungen nehmen kann wie im Tennis.

Gauff schaffte tatsächlich das Break zum 1:0, dann 2:0, sie war jetzt drin im Match. Wind kam auf, die Schwüle kündete von einem aufkommenden Regen.

Und schon war der Moment des Aufbäumens vorbei. Swiatek hat auf dem Platz keinen Sinn für Gnade. Sie hob kurzerhand ihr Niveau an, es donnerten wieder diese Pitsch-Patsch-Schläge ins Feld, die Körpersprachen erzählten Bände. Gauff schlurfte. Swiatek, das Kreuz aufrecht, reckte den Arm und ballte die Schlaghand zur Faust - 5:2 nach 0:2 nach 27 Minuten. Swiatek sorgt dafür, dass ihre Gegnerinnen einbrechen, spielerisch, mental. Auf Twitter nannte dieses Phänomen jemand den "Swiatek-Effekt". Noch ein Spielgewinn für Gauff, "Coco, Coco"- Rufe, Gewitterdonnern war zu hören. Dann der Matchball, nach insgesamt 70 Minuten. Natürlich ein Fehler Gauffs, der Return mit der Vorhand landete im Aus, und Swiatek kniete auf dem Sand, fast an jener Stelle, auf der am Freitagabend Alexander Zverev auf so tragische Weise gestürzt war.

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