Süddeutsche Zeitung

Tennis:Eiskönigin Scharapowa wird emotional

  • Maria Scharapowa kehrt nach ihrer Doping-Sperre mithilfe einer umstrittenen Wild Card ins Hauptfeld der US Open zurück.
  • In der ersten Runde schlägt sie in einem hochklassigen Match die an Nummer zwei gesetzte Rumänin Simona Halep nach drei Sätzen.
  • Es heißt, viele Sponsoren und TV-Sender hätten sich eine Teilnahme von Scharapowa gewünscht.

Von Jürgen Schmieder, New York

Als diese Partie vorüber war, nach fast drei Stunden, da kniete Maria Scharapowa in Embryostellung auf dem Boden im Arthur Ashe Stadium. Sie lachte und weinte zugleich. Das ist bemerkenswert für eine Spielerin, die aufgrund ihrer unfasslichen Selbstbeherrschung als im buddhistischen Sinne erleuchtet gilt, und doch war diese außergewöhnliche Reaktion verständlich: Scharapowa hatte am Eröffnungsabend der US Open die favorisierte Simona Halep in einem hochklassigen und dramatischen Duell mit 6:4, 4:6, 6:3 besiegt, die mehr als 23 000 Zuschauer jubelten ihr nach ihrer ersten Grand-Slam-Partie seit 19 Monaten begeistert zu. "Man fragt sich manchmal, wofür man das alles macht und warum man sich quält", sagte sie noch auf dem Platz: "Es ist für Momente wie diesen hier."

Es ist wichtig zu wissen, dass Scharapowa diesen Moment nicht hätte erleben dürfen. Sie hatte nach Ablauf ihrer Dopingsperre im April (sie war 15 Monate lang wegen der Einnahme des verbotenen Mittels Meldonium bei den Australian Open suspendiert gewesen) nicht genügend Weltranglistenpunkte für die Aufnahme ins Hauptfeld des Turniers oder gar die Setzliste erspielt. Die Verantwortlichen des US-Tennisverbandes hatten ihr eine Wild Card gegeben mit der Begründung, dass frühere Champions wie Martina Hingis, Kim Clijsters oder Juan Martín del Potro ebenfalls solche Freikarten erhalten hatten. Nur: Anders als diese war Scharapowa nicht schwanger oder verletzt gewesen. Sie hatte gedopt, ihre Strafe verbüßt und darf nun wieder an Turnieren teilnehmen (wenn sie sich qualifiziert).

"Ein Mädchen mit ordentlich Biss und Durchhaltevermögen"

Wer auf der Tennisanlage in Flushing Meadows ein bisschen mit Spielern, Trainern und Betreuern spricht, der hört immer wieder, dass sich viele Sponsoren und TV-Sender die Teilnahme von Scharapowa gewünscht hätten. Der Eröffnungsabend bei den US-Open ist zwar stets ein gewaltiges Spektakel, in diesem Jahr marschierten Promis wie Rapper Pharrell Williams, Designerin Vera Wang oder Gesamtkunstwerk Mike Tyson über den blauen Teppich, die Countrysängerin Shania Twain präsentierte einige Hits. Der sportliche Wert indes ist fragwürdig, es spielen gewöhnlich Favoriten gegen erbarmungswürdige Opfer. Vor zwei Jahren etwa schaffte Vitalia Diatchenko gegen Serena Williams in 21 Minuten Spielzeit mehr Doppelfehler (sechs) als Punktgewinne, dann gab sie auf.

Nun also gab es diese wahnwitzige Partie zweier Gegnerinnen auf Augenhöhe, es war eines der besten Tennismatches in diesem Jahr, das Volk wurde bestens unterhalten. Scharapowa zeigte, dass sie während ihrer Absenz ihre ohnehin aggressive Spielweise noch ein bisschen aggressiver gemacht hat, dass sie knifflige Situationen auch weiterhin geduldig meistert und dass sie die sportliche Qualität zur Teilnahme und womöglich auch zum Turniersieg besitzt. Und welche Geschichte lieben die Amerikaner mehr als die einer gefallenen Heldin, die geläutert zurückkehrt und nach dem ersten Erfolg auf dem Boden kauert und weint?

"Hinter diesem Kleid, hinter all den Swarovski-Steinchen, da steckt ein Mädchen mit ordentlich Biss und Durchhaltevermögen", sagte Scharapowa, als sie sich nach dem Spiel wieder in die emotionale Eiskönigin verwandelt hatte. Sie wollte weder über ihre Dopingsperre reden noch über die kontrovers diskutierte Wild Card für dieses Turnier. Im Weltbild von Scharapowa und vieler Zuschauer, das zeigte der Jubel nach ihrem Sieg, ist das längst vergessen. Sie sagte lieber: "Ich gehe nirgendwo hin." Das ist durchaus als Drohung zu verstehen.

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