Süddeutsche Zeitung

Tennis:Dynastie auf Rasen

Lesezeit: 3 min

"Wir sind ständig überall": Der Tennisspieler Sebastian Korda, 21, hat dieser Tage in Wimbledon debütiert. Seine Schwester Nelly Korda ist mit 22 schon einen Schritt weiter - sie ist Nummer eins der Golf-Welt.

Von Barbara Klimke, London/München

Mit großer Hingabe hat der Obergärtner in Wimbledon die Plätze gehegt, die Graspflege wird in England auch wissenschaftlich begleitet, vom Sport Turf Research Institut beispielsweise. Doch das bedeutet weder, dass die Briten einen Heimvorteil bei ihrem Lawn-Tennis-Turnier genießen, noch dass sich die Grundlagen nicht auch andernorts problemlos erlernen lassen. In Prag zum Beispiel, auf einem Fußballplatz.

Dort, auf den Feldern des Sparta Tennis Klubs, hat Sebastian Korda, 21, in diesem Sommer ordentlich Rasentennis trainiert, zum ersten Mal in seiner Karriere, wie er berichtete. Die Halme vor den Fußballtoren waren nicht acht Millimeter hoch und handgebürstet. Aber Sebastian Korda war mehr daran gelegen, seine Tritt- und Standfestigkeit auf der Grasnarbe zu verbessern. Bälle schlug er mit seinem Fitness-Coach nur ab und an, aus der Hand. Möglicherweise hätte er all das auch von seinem Vater Petr lernen können, der selbst ein großer Könner mit dem Filzball war, die Nummer zwei der Tennisweltrangliste 1998. Aber der Vater war anderweitig gefordert. "Wir sind ja ständig überall", hat der Sohn schmunzelnd erklärt. Willkommen im komplizierten Leben der Kordas!

Von einer fabelhaften amerikanischen Sportfamilie ist dieser Tage in den Zeitungen der Insel zu lesen. Und mit sportiver Verwandtschaft kennt sich das Publikum der Insel aus: Der schottische Wimbledonsieger Andy Murray, sein doppelspielender Bruder Jamie samt Mutter Judy werden dort längst als "National Treasure" verehrt, als eine Art liebgewonnenes tennisspielendes Kulturgut. Die Kordas aber sind nun drauf und dran, sogar die ehrenwerten Zwillingsbrüder Renshaw in den Schatten zu stellen: Ernest und William, die sich anno 1889 letztmals duellierten und das Rasentennis revolutionierten. Denn die Korda-Dynastie, früher in Tschechien beheimatet, jetzt in Florida, kann nicht nur auf Sebastian verweisen, der von Prag über Halle/Westfalen nach Wimbledon weiterfuhr. Der Junior, 1,96 Meter lang, hat sich auf Anhieb mit prächtigem Serve-und Volleyspiel bis ins Achtelfinale durchgekämpft. Am Montag hat er sich erst mit dem letzten Ball nach fünf großartigen Sätzen dem Russen Karen Karchanov geschlagen geben müssen - 6:3, 4:6, 3:6, 7:5 und 8:10. Für den Jüngsten der Familie war das ein beeindruckendes Debüt.

Aber es gibt auch den Senior, Petr Korda, 53, der 1998 die Australian Open in Melbourne gewann. Es gibt Regina Korda, geborene Rajchrtova, ebenfalls eine ehemalige Tennisspielerin, die 1988 bei den Olympischen Spielen die Tschechoslowakei vertrat. Und von den Töchtern, Jessica, 28, und Nelly, 22, können selbst die Eltern noch einiges lernen: Beide haben als Profispielerinnen den Schwung mit dem Golfschläger perfektioniert. Erst zu Jahresbeginn sorgten die Schwestern für Aufsehen, als sie, nacheinander, je ein Turnier auf der LPGA-Tour, der US-Frauentour der Golfprofis, für sich entschieden. Vor einer guten Woche hat Nelly Korda nun ihren größten Triumph feiern können: Sie gewann ihr erstes Major-Turnier in Atlanta, die Women's PGA Championships - und stieg prompt zur Nummer eins der Golf-Weltrangliste auf.

Nach Vorbildern hat Sebastian Korda also nie lange suchen müssen. Er hat sie stets im Nebenzimmer gefunden. Nelly sei seine "Inspiration", hat er in London der BBC erzählt: "Sie ist zwei Jahre älter als ich und im Grunde meine beste Freundin." Von solch fantastischen Trophäen "haben wir schon als Kinder geträumt".

Team-Korda jongliert viele Bälle durch die Luft. Das erklärt, warum sie beim größten Familienerfolg dann doch nicht vollständig versammelt waren. Vater und Sohn sahen in London vor einem Hotelfernseher zu, wie die Schwestern in Atlanta auf die letzte Runde gingen - und Nelly, oh Schreck!, zwischenzeitlich einen Ball ins Wasser schlug. Die Mutter folgte unterdessen erst Jessica, die Rang 15 belegte, dann der siegreichen Nelly jeweils neun Löcher über den Kurs. Kurz nach dem Jubel in Georgia stand auf der anderen Seite des Atlantiks dann Sebastian auf dem Rasen.

Sie stehen ständig miteinander in Kontakt, egal, wo sie sich befinden, haben die Schwestern kürzlich in einer Titelgeschichte des Magazins Golf Digest erzählt. Dem kleinen Bruder schicken sie aufmunternde Nachrichten nach einem missratenen Match. Dazu allerdings hat es zuletzt nur wenig Anlass gegeben. Sebastian Korda, im Januar noch die Nummer 119 der Welt, hat sich, stoisch, Schritt für Schritt, bis auf Platz 50 vorgearbeitet. Die Gemütsruhe auf dem Platz hat ihn die Mutter gelehrt, die auch seine Trainerin zu Juniorenzeiten war, sagte er - der Vater reiste damals als Golf-Caddie mit Jessica um die Welt. Heute wird er hauptsächlich von dem US-Trainer Dean Goldfine betreut - und von Andre Agassi, meist aus der Ferne.

Ein großes Glück sei diese Beziehung zum achtmaligen Grand-Slam-Sieger Agassi, seinem Idol, einem "besonderen Menschen", hat er in Wimbledon gesagt. Sie reden fast jeden Tag. Vor einem Jahr nahm Vater Korda Kontakt zu seinem ehemaligen Kollegen auf; sie wurden eingeladen nach Las Vegas ins Haus von Agassi und seiner Frau, Steffi Graf, und blieben zwei Wochen als Gäste. "Eine wunderbare Familie, fast wie unsere eigene", sagte Sebastian Korda. Und so hat er sich zu Herzen genommen, was ihm Agassi riet - gewissermaßen von einer Dynastie zur anderen: Man darf nie die Freude verlieren. Er sei glücklich über dieses Debut, das erst im Achtelfinale endete, sagte Sebastian Korda, als er ging.

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