Tennis:Auf der Suche nach dem Königs-Gefühl

Qatar Exxon Mobil Open 2021 Dominic Thiem , Austia *** Qatar Exxon Mobil Open 2021 Dominic Thiem , Austia

Bereit für einen neuen Anfang: Dominic Thiem.

(Foto: Paul Zimmer/Imago)

US-Open-Sieger Dominic Thiem offenbart, dass er sich als Grand-Slam-Champion zu sehr unter Druck setze. Beim Turnier in Doha hofft er auf einen mentalen Neustart.

Von Gerald Kleffmann

Vier, fünf Fragen, dann werden in den Antworten die Bedingungen und die Gastfreundschaft des Veranstalters gelobt, Ziele genannt, die nicht zu forsch wirken - so ähnlich verlaufen in der Regel Pressekonferenzen mit Tennisprofis vor einem Turnierstart ab. Athleten tasten sich quasi langsam an den Wettbewerb heran. Auch Dominic Thiem praktizierte an diesem Montagvormittag in Doha zunächst die sanfte Annäherung, als er etwa sagte, er habe gut trainiert. Schleichend aber, ohne dass es von dem 27 Jahre alten Österreicher womöglich beabsichtigt war, begann er, sich zu öffnen. Man muss nicht gleich von Geständnissen sprechen, aber es waren Ausführungen, die so von einem Grand-Slam-Sieger und der Nummer vier der Welt in einem solchen virtuellen Rahmen nicht zu erwarten gewesen waren.

Thiem sprach zunächst über seine missglückte Reise nach Australien zu Jahresbeginn, doch es ging mehr und mehr um Grundsätzliches: sein neues Verhältnis zu Niederlagen. Dominic Thiem, 27, aus Wiener Neustadt ist ja nun ein anderer Dominic Thiem als der vor einem Jahr, was natürlich am Triumph bei den US Open im vergangenen Herbst liegt, als er als erster Vertreter der jüngeren Generation die Grand-Slam-Dominanz der großen Drei durchbrach - Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer. Aber wie Thiem erklärte, prägten ihn zwei andere Turniere mindestens ebenso: die Australian Open 2020 sowie 2021, die im Februar über die Bühne gegangen waren.

Seine Metamorphose setzte jedenfalls weit vor den US Open ein. "Seit Australien 2020, wo ich im Finale war, habe ich gemerkt: Wenn ich wirklich meine Topleistung abrufe, habe ich gute Chancen, ein Grand Slam zu gewinnen", erklärte er: "So gehe ich auch in die Grand-Slam-Turniere rein." Die logische Folge: "Das ist ein ganz anderer Druck." Tja, der Druck. Ein Thema, das Leistungssportler auf so viele Arten motivieren und lähmen kann. Die Crux für die, die oben ankommen: Siege werden plötzlich zur Pflicht, Niederlagen zur Enttäuschung. Thiem spürte im Januar 2020, dass er sich bereit fühlte für große Siege, einer kam dann in New York, wenn auch im Finale gegen den Deutschen Alexander Zverev mit Kampf und viel Fortune. Ein Jahr später machte er die Erfahrung, wie sehr sich seine Ansprüche verschoben haben. Das kann runterziehen.

"Vor drei, vier Jahren wäre ich wahrscheinlich heimgeflogen und hätte mich gefühlt wie der König"

"Ich habe mir selber die Latte richtig, richtig hoch gesetzt", offenbarte Thiem in Doha: "Das macht die ganze Sache schwierig. Ich bin aus Australien mit einem schlechten und traurigen Gefühl abgereist, weil ich in der vierten Runde verloren habe." Drei, vier Jahre vorher, so resümierte er, wäre er nach einem Aus in der vierten Runde "wahrscheinlich heimgeflogen und hätte mich gefühlt wie der König und wäre topmotiviert in die nächsten Wochen gegangen". Erste innere Verkrampfungen hätte er bereits vor den Australian Open wahrgenommen. Beim ATP-Cup, einem Nationenwettbewerb, hatte er schon keinen guten Eindruck gemacht; die zweiwöchige Hotel-Quarantäne hatte ihn zusätzlich belastet. Beim Grand Slam schied er dann, nachdem er in der dritten Runde mühsam in fünf Sätzen den Australier Nick Kyrgios abwehren konnte, glatt in drei Sätzen gegen den Bulgaren Grigor Dimitrov aus, gezeichnet von körperlichen Beschwerden. "Vor Australien ist mir das Ganze ein bisschen über den Kopf gewachsen", gab Thiem zu: "An das muss ich mich gewöhnen, das ist ein Lernprozess." Immerhin ist der finanzielle Streit mit seinem früheren Coach Günter Bresnik ausgeräumt; die beiden haben sich nach einem Gespräch geeinigt.

So sind in dieser Woche zwei interessante Fälle beim Turnier in Doha zu begutachten: Federer, 39, im vorigen Jahr zweimal am rechten Knie operiert, wagt seine Rückkehr nach 13 Monaten ohne Wettkampf. Der Schweizer will ausloten, ob sein Körper hält. Thiem dagegen will sich um seine mentale Verfassung kümmern. Dass er das Aus bei den Australian Open immer noch als "niederschmetternde Niederlage" bezeichnet, verdeutlicht, wie sehr sein Ehrgeiz getroffen wurde. Mit Sicherheit ist dieser nette Österreicher aus Wiener Neustadt auch ein Beispiel dafür, dass man - selbst wenn man auf Erfolge vorbereitet zu sein glaubt - doch wieder neu mit allem klar kommen muss.

Es klang ehrlich, als Thiem davon sprach, dass andere Profis, die in der Jugend stets erfolgreich und im Rampenlicht gewesen waren, sich leichter zurechtfinden. Zverev zum Beispiel hat selten Probleme mit dem Selbstbewusstsein. "Ich bin so ein bisschen langsamer in die Rolle reingewachsen. Und deshalb wird es für mich vielleicht ein bisschen länger dauern, mit dem Ganzen gut umzugehen", sagte Thiem. Sein Vorsatz steht fest: "Ich werde versuchen, mit dem Druck, den ich mir meistens selber auferlege, besser zurechtzukommen."

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