Tennis:Djokovics Zögling

Marko Topo

"In Serbien geben sie dir viel mehr Möglichkeiten." - Marko Topo baut gerade sein Abi und wird parallel vom serbischen Verband gefördert.

(Foto: privat/oh)

Marko Topo spielt für den MTTC Iphitos in der Regionalliga und gilt als eines der größten Tennistalente. Nun will der 17-Jährige in Serbien zum Weltklassespieler reifen - in der Akademie seines großen Landsmanns.

Von Thomas Becker, München

Solche Schläge haben sie hier am Aumeisterweg lange nicht gesehen, mal abgesehen von der Woche im Frühjahr, wenn die ATP-Tour auf der Anlage des MTTC Iphitos für die BMW Open Station macht. Und jetzt haut dieser 17-Jährige in diesem Regionalliga-Match drauf, als gäbe es kein Morgen, demoralisiert sein Gegenüber, das fast tausend Weltranglistenplätze vor ihm steht. "Holy shit", entfährt es einer Zuschauerin nach einem dieser Vorhandgeschosse, ein junger Fan raunt seinem Kumpel zu: "Jetzt geht's ab!" Dabei schien es wieder eins dieser typischen Marko-Topo-Matches zu werden: großes Tennis im ersten Satz, Wucht, Präzision, Spielwitz, Biss, alles da. 6:4. Einbruch im zweiten, fahriges Spiel, Lamento, Motivationsverlust. 0:5. Auch bei diesem Spielstand kniet Iphitos-Cheftrainer Uli Sprenglewski vor dem jungen Mann und redet ruhig auf ihn ein. Satz laufen lassen, Spannung aufbauen für den Match-Tiebreak. Ob die Worte einen Knoten lösten oder Topo nur "Spannung" verstanden hatte: Jedenfalls hieß es sieben rauschhafte Spiele später 7:5, für ihn. Urschrei! Endlich mal ein Happy End.

Djokovic ging einst von Belgrad nach München, Marko Topo den umgekehrten Weg. Mittlerweile trainieren sie zusammen

Vor diesem Match gegen Nürnbergs Italiener Daniele Capecchi (Nummer 576 der Welt) hat Marko Topo nicht am Aumeisterweg, sondern an der Church Road gespielt, Wimbledon Juniors, gegen Borg. Leo Borg, den Sohn. Sein erstes Match auf Rasen. "Jetzt hab ich schon zum zweiten Mal gegen den verloren", schimpft Topo, "dabei hab ich das Gefühl, dass ich besser bin." In der Jugend-Weltrangliste ist Borg die Nummer 20, Topo die 39, im März stand er noch auf 23. Bei den French Open Juniors scheiterte er knapp in Runde zwei gegen den späteren Halbfinalisten. Und beim ersten ATP-Match bei den Männern Ende Mai in Belgrad hatte er Federico Coria, an 77 in der Welt notiert, eineinhalb Sätze lang auf beeindruckende Weise im Griff - ehe ihm die Kräfte ausgingen: 0:6 im dritten Satz. Unter den Zuschauern war einer seiner Trainingspartner: ein gewisser Novak Djokovic.

Ja, die Wege des Herrn sind zuweilen wundersam. So wie Djokovic einst als Zwölfjähriger aus Belgrad zu Erfolgscoach Niki Pilic nach Oberschleißheim kam, wechselte der in Gräfelfing geborene Topo mit 14 von München nach Belgrad. Mit sechs hatte er mit der älteren Schwester in Oberschleißheim die ersten Bälle geschlagen, er kam mit acht zu Iphitos, trainierte bei Alex Klec und spielte mit elf, zwölf schon bei den Herren in der dritten Mannschaft. Ein Talent, keine Frage. Aber auch ein Teenager, der zur Schule geht. Wer im Tennis Profi werden will, wird das an einer deutschen Regelschule in 99 von 100 Fällen nicht schaffen. Also ging Topo nach Belgrad, trainierte dort zwei Mal am Tag plus Konditionstraining: "In Serbien geben sie dir viel mehr Möglichkeiten." An einer internationalen Schule baut er gerade sein Abi, er wird vom serbischen Verband gefördert, muss dafür beim Junior Davis Summer Cup für Serbien spielen, wurde oft als Sparringspartner für die Top-Spieler Damir Dzumhur, Filip Krajinovic und Dusan Lajovic angefragt - und seit zwei Monaten trainiert er nun bei und mit der Nummer eins der Welt, im "Novak Tennis Centre": elf Sand-, drei Hardcourt-Plätze, inklusive Trainingshalle und allem, was Profis so brauchen - made by Nole. "Eins der größten Projekte meines Lebens", sagt Djokovic.

Marko Topo

In der Bundesliga spielt Marko Topo für Iphitos München - und schlägt oft weit besser platzierte Gegner.

(Foto: privat/oh)

Marko Topo ist mittendrin: "Hamad Mededovic und ich sind die zwei besten Serben, dazu drei Mädchen: Die fördert Djokovic, und wenn er alle zwei Monate mal da ist, will er mit Hamad und mir trainieren." Auch in Wimbledon, kurz vor Djokovics Triumph, schlugen die beiden ein paar Bälle. Schon mit 15 durfte Topo mal mit dem Meister trainieren: "Da war ich die ersten zehn Minuten brutal nervös", gibt er zu, "aber dann ging's. Er ist ein voll entspannter Typ, fragt mich, was ich heute trainieren will. Manchmal spielen wir auch Punkte, beim letzten Mal sechs Games, und es hieß sogar 3:3. Unfassbar, da hab ich richtig gut gespielt." Früher habe er gedacht, "dass die Top 100 irgendwelche Aliens sind, aber mittlerweile habe ich realisiert, dass die nicht so weit weg sind, dass mir vor allem Fitness und das Mentale fehlt. Man merkt noch, dass ich erst 17 bin. Aber spielerisch kann ich schon mithalten." Der Vorteil in Belgrad: Der Verband zahlt nicht nur Trainer und Reisekosten, sondern auch Physiotherapie und Massagen, was gerade in der Wachstumsphase wichtig ist. Mit zwölf schaute Topo kaum übers Netz, jetzt misst er 1,88 Meter, "die perfekte Größe", findet er und lacht sein Spitzbubenlachen.

Noch fehlt ein Sieg gegen Borg, Leon Borg, den Sohn des großen Björn

Wie es mit ihm weitergeht? Am Schritt vom Jugend- zum Männer-Tennis sind viele Talente gescheitert. Topo geht das Projekt mit einer gesunden Mischung an: Ehrgeiz, aber auch Demut. Fokus, aber auch Spaß. Derzeit bastelt er an einem Deal mit dem serbischen Verband, um auch mit seinem Iphitos-Coach Ulf Fischer weiterarbeiten zu können. Der hat 30 Jahre Trainererfahrung, gilt als Bessermacher, betreute schon Florian Mayer und Tommy Haas während seiner Zeit als Assistenztrainer des Davis-Cup-Teams. Vor allem an Rückhand und Aufschlag arbeiten sie, denn eins ist offensichtlich: "Meine Vorhand ist super", weiß Topo. In dieser Regionalliga-Runde verhalf sie ihm am Ende zu einer 4:2-Bilanz, Iphitos wurde Fünfter.

Der grobe Plan: sieben Monate Serbien, fünf Monate München, jetzt erst mal ein paar Future- und Challenger-Turniere, für die Weltrangliste. In Belgrad wird er nächstes Jahr wieder eine Wildcard für das ATP-Turnier bekommen - vielleicht klappt es dann auch mit einem Heimspiel bei den BMW Open. Da sollte er heuer auch schon einen Platz in der Quali bekommen, doch den wollte dann unbedingt Mischa Zverev - der ihn bekam und gleich rausflog.

Wie oft am Aumeisterweg noch "Holy shit" geraunt werden wird, ist schwer zu sagen. "Es gibt hier nur wenige Sparringspartner", meint Topo, und Cheftrainer Sprenglewski sagt: "Wir hoffen, dass er noch lange für uns spielt. Er hat ein sehr solides, stabiles Spiel, ist schnell zu Fuß, gut im Kopf und wird sicher seinen Weg machen." Vielleicht auch wieder an die Church Road in Wimbledon. Marko Topo sagt: "Ich hoffe, ich werde in ein paar Jahren mal bei den Älteren mitspielen." Irgendwann muss er diesen Borg ja mal knacken.

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