Tennis:Djokovic rutscht in die Chauvi-Ecke

BNP Parisbas Indian Wells Tennis

Novak Djokovic: Nicht unumstritten in der Männer-Frauen-Debatte

(Foto: AFP)

Im Tennis entbrennt eine Debatte über Leistungen und Preisgelder von weiblichen und männlichen Profis. Novak Djokovic präsentiert sich dabei ziemlich ungelenk.

Von Gerald Kleffmann

Als Novak Djokovic nach seinem Finale gefragt wurde, ob er "in the zone" gewesen sei, sprich: überragend, antwortete er nur: "Ich war es." Widersprechen konnte ihm keiner. Und als Wiktoria Asarenka nach ihrem Finale gebeten wurde, ein paar Worte zu ihrem Sieg zu sagen, wandte sie sich an Serena Williams: "Du hast mich so inspiriert. Wegen dir bin ich so motiviert zurückgekommen. Du bist ein wundervoller Kämpfer und hast den Sport verändert. Danke aus tiefstem Herzen." Viele im Stadion waren gerührt, auch die angesprochene Amerikanerin. So endete das Tennis-Masters in Indian Wells. Großer Sport, große Emotionen. Und doch gab es letztlich andere Themen, die die Szene aufwühlten. Nach den Wettbetrugsschlagzeilen während der Australian Open und dem Dopingfall Maria Scharapowa hat das Tennis-Jahr 2016 den nächsten Aufreger. Indian Wells hinterlässt eine Chauvinismus-Debatte, die sich anhand von Aussagen zweier nicht unbedeutender Akteure entzündete.

Das Kuriose ist, dass der Sport eigentlich zwei aufregende Endspiele beim millionenschweren Turnier in Kaliforniens Wüstenörtchen bot - nun geht es mal wieder am Rande um Sport. Zunächst dominierte die Weißrussin Asarenka die seit Jahren übermächtige Weltranglisten-Erste beeindruckend lange, 6:4, 5:1 führte sie, ehe sie strauchelte, Williams ihr kraftvolles Tennis reanimierte und auf 4:5 herankam. Asarenka rettete sich mit 6:4, 6:4 zum Sieg. Djokovic überrollte seinen Gegner Milos Raonic völlig, 6:2, 6:0 in nur 1:17 Stunden.

Turnierdirektor empört

Wie sehr der Weltranglisten-Erste derzeit in seiner Liga schwebt, demonstrierte er schon im Halbfinale, als er im 48. Duell mit Rafael Nadal zum 25. Mal gewann, obwohl der Spanier gallig agierte, fast wie früher, als er sich mit seinen Linkshänder-Topspin-Hieben 14 Grand-Slam-Titel erspielte. "The Missile Raonic", wie der frühere Profi und heutige Expertenguru Brad Gilbert den Kanadier wegen seiner Aufschlaggeschosse huldigt, machte von 30 Servicepunkten mit dem zweiten Aufschlag kümmerliche drei Punkte, 90 Prozent gingen an Djokovic. Eine unfassbare Quote.

"Ich habe es geschafft, die meisten großen Matches gegen Top-Ten-Spieler zu gewinnen", sagte der Serbe. "Offenbar habe ich eine gewisse Routine und Vorbereitung für diese großen Matches, die für mich funktionieren." Hätte es Djokovic bei derlei Ausführungen belassen, wäre ihm rein sportlich jedes Lob der Welt garantiert gewesen. Aber dann antwortete Djokovic noch auf Fragen zu Themen, die schon am Sonntagvormittag für Turbulenzen gesorgt hatten.

Raymond Moore, der Turnierdirektor in Indian Wells, hatte zur Morgenstunde den aus seiner Sicht geringen Stellenwert des Frauentennis relativ unverblümt angeprangert: "Wenn ich eine Spielerin wäre, würde ich jeden Abend auf die Knie gehen und Gott dafür danken, dass Roger Federer und Rafael Nadal geboren wurden. Denn die haben diesen Sport getragen." Auch befand der Südafrikaner, dass die Women's Tennis Association (WTA), das Pendant zur Association of Tennis Professionals (ATP)

, "im Schlepptau der Männer" sei. Kritik an Moore folgte umgehend. Die WTA publizierte eine Protestnote und wies auf die "Beiträge aller Spieler" hin, "Frauen wie Männer". Serena Williams sprach: "Wir Frauen sind einen langen Weg gegangen und sollten niemals vor irgendjemanden auf die Knie fallen." Und: "Wenn ich Ihnen sagen sollte, wie oft ich täglich von Leuten angesprochen werde, die mir erzählen, dass sie nur Tennis gucken, wenn meine Schwester Venus oder ich spielen - ich könnte Ihnen nicht einmal die genaue Zahl nennen." Die 34-Jährige bewertete Moores Kommentare als "sehr, sehr fehlerhaft".

Billie Jean King kritisiert heftigst

Die deutlichste Zurechtweisung kassierte der Turnierchef, der verlängerte Arm des Turnierbesitzers und Milliardärs Larry Ellison, von Billie Jean King. Die 72-jährige Amerikanerin und frühere Tennisgröße hatte 1973 die WTA gegründet und sich über Jahrzehnte für Gleichberechtigung im Sport eingesetzt. "Er liegt auf so vielen Ebenen falsch. Jeder Spieler, vor allem die Top-Leute, tragen zu unserem Erfolg bei", teilte King mit. Ja, sie sei "sehr enttäuscht". Moore tat das Einzige, was noch zur Ehrenrettung blieb, und entschuldigte sich für seine "geschmacklosen Kommentare", wie er selbst seine Sätze geißelte.

Kaum war dieses Thema abgekocht, trat Djokovic dank seines fünftes Sieges als Rekordgewinner von Indian Wells vor die Medien und eröffnete die nächste Runde einer Männer-Frauen-Diskussion, die zunächst harmlos damit begann, dass er nach seiner Meinung zu Moores Sätzen befragt wurde. "Politisch nicht korrekt und vielleicht etwas übertrieben", das hinterließ Djokovic als seine Sicht, und richtig erkannte er, dass das ja ein "sehr delikates und sensibles Thema" sei.

Umso zaghafter tastete er sich vor, analysierte, dass "gleiches Preisgeld das Hauptthema in den vergangenen sieben, acht Jahren" war, dass "die WTA und ihre Fürsprecher viel Kraft und Energie investiert" hätten für das Ziel. "Ich applaudiere ihnen dafür, ehrlich", betonte er. Dann allerdings fügte er hinzu, dass die ATP, also die Männertour, "für mehr kämpfen sollte". Djokovic verwies auf "Daten und Statistiken und Informationen", die belegten, "wer mehr Aufmerksamkeit erzeugt, mehr Zuschauer hat, wer mehr Tickets verkauft, solche Dinge", und dann kam doch eine, wenn auch indirekte Forderung bezüglich des Preisgeldes: "Im Verhältnis dazu sollte es fair verteilt werden."

Viel Kritik für den Joker

Wie delikat und sensibel diese Debatte fürwahr ist, darf Djokovic seitdem selbst erfahren, rasend schnell verbreiteten sich die Wünsche des Serben nach mehr Preisgeld für die Männer - samt der vermeintlichen Interpretation, dass Frauen weniger verdienen sollten. Zu dieser Resonanz trugen zusätzlich ungelenk vorgetragene Erklärungen Djokovics bei. So meinte er, er akzeptiere, dass Frauen mehr Herausforderungen bewältigen müssten, um erfolgreich in dem Sport zu sein - das beinhalte den Kampf mit "Hormonen". Einen derart unglücklichen Auftritt hatte Djokovic selten, im Internet prasselte sofort auch auf ihn Kritik ein. Seine Frau war später eine der wenigen, die ihn verteidigten.

Am Mittwoch beginnt in Miami das nächste große Turnier, bei dem beide Geschlechter um die Titel spielen. Das Preisgeld wird, wie bei den vier Grand Slams, beim 1000er Turnier der Männer und dem Premier Mandatory Event der Frauen wieder gleich hoch sein. Die Debatte dürfte weiter gehen. Da spielt es wohl auch keine Rolle, dass die Sieger beider Lager jeweils nicht ganz unerhebliche 1,028 Millionen Dollar kassieren.

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