Tennis:Der Sieg schmeckt nach Lebkuchenteig

Fed Cup - Romania vs Germany

"Ein Hauch von Walnuss mit einer Spur Schokolade und ein bisschen Champagner-Prickeln am Ende": Andrea Petkovic nach ihrem Sieg gegen Monica Niculescu.

(Foto: dpa)

Andrea Petkovic bewahrte das deutsche Fed-Cup-Team vor dem Abstieg. Dabei dachte sie vor Kurzem noch ans Aufhören. Jetzt will sie ihre gute Form beim wichtigsten deutschen Tennisturnier zeigen.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Wie Lebkuchenteig, erzählt der Platzwart, schmecke die Mischung aus Ziegelsplitt und Bindemittel, die unter dem roten Ziegelmehl in der Stuttgarter Arena liegt. Andrea Petkovic dürfte sich auf die besondere Geschmacksnote freuen, wenn sie am Montagabend beim wichtigsten Tennisturnier in Deutschland erstmals im Training den Court betreten wird. Sie hat seit ihrem Sieg am Sonntag im rumänischen Cluj eine besondere Vorliebe für das Aroma von rotem Tennissand entwickelt.

Nachdem die 28-Jährige für die deutsche Fed-Cup-Mannschaft im Abstiegsduell den entscheidenden dritten Punkt gegen Monica Niculescu gewonnen hatte, ließ sie sich auf den Boden fallen und drückte ihre Lippen auf den Sand. Ob der Kuss mundete? "Ein Hauch von Walnuss mit einer Spur Schokolade und ein bisschen Champagner-Prickeln am Ende", sagte Petkovic.

Die Darmstädterin war ganz bei sich, als sie gegen Niculescu im dritten Satz den Matchball zum 0:6, 7:6 (7:1) und 6:3 verwandelte, mit dem sie der deutschen Mannschaft den Klassenverbleib in der Gruppe der besten acht Tennisnationen sicherte. Sie bewegt sich gerne auf großer Bühne, sie liebt den öffentlichen Auftritt, wenn alle Kameras, Mikrofone und Augen auf sie gerichtet sind. "Heute den entscheidenden Punkt zu holen, war mir sehr wichtig", sagte Petkovic und klang sehr aufrichtig. Ihre Karriere ist längst an einem Punkt angekommen, der in eine Sackgasse münden könnte, ohne jeden Ausweg zurück. Der Sieg tat ihr gut.

Manchmal beflügelt ihre "innerliche Zerrissenheit", manchmal hemmt sie

In dieser Saison sollte ja für sie alles anders werden, besser. Mit einem neuen Trainer und neuer Zuversicht wollte sie ihr Spiel wieder auf ein Niveau hieven, das sie schon zweimal in die Top Ten und sogar ins Halbfinale der French Open gebracht hatte. Hinter ihr lag ein Jahr voller beruflicher und privater Enttäuschungen. Sie haderte mit sich und ihrem Leben so sehr, dass sie im November öffentlich erklärt hatte, die Profitour für immer verlassen zu wollen.

Erst nach einem gemeinsamen Ausflug mit ihrer besten Freundin nach New York samt Museumsbesuchen und Nachtleben in schäbigen Pubs spürte sie, wie Lebensfreude und die Lust auf Tennis allmählich wieder zurückkehrten. Petkovic macht es sich und den anderen nicht immer einfach. Sie sei "innerlich zerrissen", hat sie einmal erklärt. Sie sei ein Mensch, der zu viel über sich und sein Leben nachdenke. Diese Ambivalenz ihrer Persönlichkeit kann manchmal sehr gedeihlich sein, auf dem Tennisplatz lenkt sie aber meistens vom Wesentlichen ab.

Zunächst auch am Sonntag gegen Niculescu. Angelique Kerber hatte die deutsche Mannschaft nach ihrem Sieg gegen Rumäniens Nummer eins, Simona Halep, mit 2:1 in Führung gebracht. Die Australian-Open-Siegerin spielte mutig und zeigte, dass sie die körperlichen und mentalen Strapazen nach ihrem überraschenden Triumph in Melbourne auf und abseits des Platzes überwunden hat. Es lag also an Petkovic, den entscheidenden dritten Punkt für den Klassenverbleib zu holen. Denn ein Abstieg aus der Weltgruppe hätte das deutsche Frauentennis nach den erfreulichen Nachrichten in der öffentlichen Wahrnehmung wieder stark zurückgeworfen und den angestrebten dritten deutschen Fed-Cup-Sieg erst wieder im Jahr 2018 ermöglicht.

"Ich habe es dann einfach wie Edberg gemacht"

Die Mannschaft, bestehend aus einer Generation von begabten Spielerinnen um Teamchefin Barbara Rittner, sieht sich nämlich selbst als natürlichen Titelkandidaten. Petkovic stand also vor einer der wichtigsten Partien ihrer Karriere. Und nach dem ersten Satz sah es zunächst so aus, als ob sie mit dieser Erwartungshaltung nicht umgehen könnte. 0:6 verlor sie gegen die Weltranglisten-31. Niculescu pflegt einen Stil, der eigentlich nicht mehr ins moderne Hauruck-Tennis passt. Sie spielt die Vorhand meist mit viel Unterschnitt, mit Slice. Aber gerade deshalb treibt sie ihre Gegnerinnen häufig in die Resignation, weil sie diese flachen und langsamen Bälle nicht mehr gewohnt sind.

Auch Petkovic musste tief runter in die Knie gehen, um sie zurückzuspielen. Erst als sie im zweiten Satz beim Stand von 5:6 zwei Matchbälle abwehrte und begann, mutiger auf die Vorhand ihrer Gegnerin anzugreifen, um die Ballwechsel vorne am Netz vorzeitig zu beenden, fand sie ins Match. "Ich habe es dann einfach wie Edberg gemacht", sagte Petkovic.

Dass sie künftig das geschmeidige Angriffstennis des schwedischen Wimbledon-Siegers in ihr eigenes Spiel übernehmen wird, ist auszuschließen. Sie hat dadurch aber gelernt, dass sie ihr Spiel anpassen, variieren muss, wenn es im Match mal nicht so läuft, wie sie es sich vorgenommen hat. Das könnte ihr helfen, wieder zu alter Form zurückzufinden. "Ich wurde plötzlich ganz ruhig und wusste, dass ich das Match gewinne", sagte Petkovic. Diese innere Ruhe will sie nun mitnehmen in die kommenden Wochen und Monate.

In Stuttgart wird sie in der ersten Runde am Dienstag auf die Französin Kristina Mladenovic treffen. Wenn sie gewinnt, entdeckt Petkovic vielleicht im Stuttgarter Sand den Geschmack des Lebkuchenteigs, den der Platzwart gemeint hat.

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