Wie Lebkuchenteig, erzählt der Platzwart, schmecke die Mischung aus Ziegelsplitt und Bindemittel, die unter dem roten Ziegelmehl in der Stuttgarter Arena liegt. Andrea Petkovic dürfte sich auf die besondere Geschmacksnote freuen, wenn sie am Montagabend beim wichtigsten Tennisturnier in Deutschland erstmals im Training den Court betreten wird. Sie hat seit ihrem Sieg am Sonntag im rumänischen Cluj eine besondere Vorliebe für das Aroma von rotem Tennissand entwickelt.
Nachdem die 28-Jährige für die deutsche Fed-Cup-Mannschaft im Abstiegsduell den entscheidenden dritten Punkt gegen Monica Niculescu gewonnen hatte, ließ sie sich auf den Boden fallen und drückte ihre Lippen auf den Sand. Ob der Kuss mundete? "Ein Hauch von Walnuss mit einer Spur Schokolade und ein bisschen Champagner-Prickeln am Ende", sagte Petkovic.
Die Darmstädterin war ganz bei sich, als sie gegen Niculescu im dritten Satz den Matchball zum 0:6, 7:6 (7:1) und 6:3 verwandelte, mit dem sie der deutschen Mannschaft den Klassenverbleib in der Gruppe der besten acht Tennisnationen sicherte. Sie bewegt sich gerne auf großer Bühne, sie liebt den öffentlichen Auftritt, wenn alle Kameras, Mikrofone und Augen auf sie gerichtet sind. "Heute den entscheidenden Punkt zu holen, war mir sehr wichtig", sagte Petkovic und klang sehr aufrichtig. Ihre Karriere ist längst an einem Punkt angekommen, der in eine Sackgasse münden könnte, ohne jeden Ausweg zurück. Der Sieg tat ihr gut.
Manchmal beflügelt ihre "innerliche Zerrissenheit", manchmal hemmt sie
In dieser Saison sollte ja für sie alles anders werden, besser. Mit einem neuen Trainer und neuer Zuversicht wollte sie ihr Spiel wieder auf ein Niveau hieven, das sie schon zweimal in die Top Ten und sogar ins Halbfinale der French Open gebracht hatte. Hinter ihr lag ein Jahr voller beruflicher und privater Enttäuschungen. Sie haderte mit sich und ihrem Leben so sehr, dass sie im November öffentlich erklärt hatte, die Profitour für immer verlassen zu wollen.
Erst nach einem gemeinsamen Ausflug mit ihrer besten Freundin nach New York samt Museumsbesuchen und Nachtleben in schäbigen Pubs spürte sie, wie Lebensfreude und die Lust auf Tennis allmählich wieder zurückkehrten. Petkovic macht es sich und den anderen nicht immer einfach. Sie sei "innerlich zerrissen", hat sie einmal erklärt. Sie sei ein Mensch, der zu viel über sich und sein Leben nachdenke. Diese Ambivalenz ihrer Persönlichkeit kann manchmal sehr gedeihlich sein, auf dem Tennisplatz lenkt sie aber meistens vom Wesentlichen ab.
Zunächst auch am Sonntag gegen Niculescu. Angelique Kerber hatte die deutsche Mannschaft nach ihrem Sieg gegen Rumäniens Nummer eins, Simona Halep, mit 2:1 in Führung gebracht. Die Australian-Open-Siegerin spielte mutig und zeigte, dass sie die körperlichen und mentalen Strapazen nach ihrem überraschenden Triumph in Melbourne auf und abseits des Platzes überwunden hat. Es lag also an Petkovic, den entscheidenden dritten Punkt für den Klassenverbleib zu holen. Denn ein Abstieg aus der Weltgruppe hätte das deutsche Frauentennis nach den erfreulichen Nachrichten in der öffentlichen Wahrnehmung wieder stark zurückgeworfen und den angestrebten dritten deutschen Fed-Cup-Sieg erst wieder im Jahr 2018 ermöglicht.