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Davis Cup:Die Frage im Tennis ist: Wer überlebt?

Das Gerangel um den Davis Cup ist nur ein Vorbote: Im Tenniskosmos bahnen sich größere Verschiebungen an - das Geld ist aufgetürmt, wie beim Monopoly.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Der Davis Cup ist tot. Zumindest für jene Nostalgiker, die sich noch an Schlachten wie die der Deutschen 1992 in Rio erinnern, als Boris Becker, Markus Zoecke und Eric Jelen unter Samba-Getrommel untergingen. Oder die Franzosen, mon dieu! Holten 2017 ihren ersehnten Titel, im Fußballstadion von Lille. Yannick Noah sang die Marseillaise, die Spieler warfen sich zur Pyramide aufeinander - Bilder, die bleiben!

Und jetzt? Was ist das in Madrid?

Zunächst einmal eine Sportveranstaltung, die 119 Jahre Geschichte besitzt - und nun erstmals von Investoren ausgerichtet wird. "Davis Cup by Rakuten" nennt sich das Konstrukt. Nach einer K. o.-Runde zu Jahresanfang kämpfen 18 Nationen in einem komplexen Modus binnen einer Woche um den Sieg. Der spanische Fußballprofi Gerard Piqué hat mit Partnern wie Japans Internetriesen Rakuten die Kosmos Group gegründet - diese krallte sich den Davis Cup, mit dem Lockruf, in 25 Jahren drei Milliarden Dollar sprudeln zu lassen, 20 Millionen jetzt als Preisgeld. Um zu verstehen, warum nun plötzlich so viele jeden Lapsus von Piqués Konsortium aufzeigen und Matches bis tief in die Nacht oder Geisterstimmung tadeln, muss man zurückblicken.

Zum einen erwuchs diese Neuinterpretation des Davis Cups nicht aus dem Tennisherz, auch wenn viele die Meinung teilten, der Cup müsse reformiert werden; denn zu oft fehlten Topkräfte. "Es ist schon etwas komisch für uns Tennisspieler, einen Fußballer in unserer Welt zu haben", sagte Roger Federer bezeichnend, als die Macht vor einem Jahr an Piqué übergeben wurde. Die primäre Basis dieses Deals aber waren persönliche Interessen. Um Ehre und Ruhm, was den Davis Cup auszeichnete, ging es nur am Rande. Piqué will verdienen - und David Haggerty, Präsident des Tennis-Weltverbandes ITF, wollte sich mit den Millionen, die er nun den Ländern bietet, die zweite Amtszeit sichern. Und das gelang. Geld für Stimmen funktioniert im Tennissport, der ähnlich durchzogen ist von Eitelkeiten, Interessenkollisionen und Amigogeschäften wie andere Sportarten.

Die nächste Dekade wird Antworten liefern

Man blicke nur auf die Akteure in Madrid. Am Ende werden alle das aufgetürmte Geld gerne nehmen, wie auch die Verbände, die satt mitkassieren. Zugleich aber beklagen, die alte Atmosphäre sei beerdigt worden? Das grenzt an Heuchelei. Wenn man einen Pakt mit dem Mammon eingeht, ist klar, wer Bedingungen stellt. Der lässt dann auch bis morgens um vier spielen.

Im Übrigen ist das Gerangel um Ausrichtungs- und Deutungshoheit des Davis Cups nur ein Vorbote auf das, was auf den Tenniskosmos zukommt. Tektonische Verschiebungen bahnen sich an. Das ist auch ein Grund, warum alle auf die Züge springen, notfalls eben auf den Piqué Cup, wie er bei Spöttern heißt.

Die Frage ist: Wer überlebt? Der Davis Cup? Federers Laver Cup, das Duell von Profis aus Europa und dem Rest der Welt? Der ATP Cup im Januar, ein neues Turnier, quasi wie der Davis Cup? Und was ist mit den Frauen? Jüngst ermahnte die Präsidentin der WTA Tour die Männer zu mehr Kooperation. Zudem: Das Machtgefüge der ATP verschiebt sich von England nach Mitteleuropa. CEO Chris Kermode tritt ab, zwei Italiener folgen, ab 2021 laufen die ATP Finals in Turin - London ist passé! Die Ära von Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic ist es vielleicht auch bald, längst bringen sie sich für Geschäfte in Stellung. Nadal mit Akademien. Djokovic als Präsident des Spielerrats, als der er anregte, Davis und Laver Cup zu bündeln. Wie das Federer, gerade mit Alexander Zverev in Südamerika auf Showkampftournee, findet?

Die nächste Dekade wird Antworten liefern, den Markt sortieren. Fest steht nur: Der Davis Cup, Piqués Schlossallee, ist erst der Anfang in diesem Monopoly.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2019
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