Süddeutsche Zeitung

Davis Cup:Piqués Ansage an Federer

  • Nach viel Kritik am neuen Turnier endet die Davis-Cup-Finalwoche mit einem dominanten Sieg der Spanier.
  • Veranstalter Gerard Piqué will nun einen besseren Termin für sein Event - und könnte den nächsten Zwist auslösen

Von Gerald Kleffmann

Der Reihe nach marschierten sie ein, die Kameras fingen die enttäuschten Gesichter ein. Von Vasek Pospisil, der so lädiert war, dass er bei dem finalen Höhepunkt nicht mehr eingreifen konnte nach tollen Leistungen zuvor. Von Felix Auger-Aliassime, diesem hochveranlagten Talent. Von dem kaum älteren Denis Shapovalov, der spielerisch an Thomas Muster erinnert. Fast demütig passierten die Mitglieder des Teams Kanada die Ehrengäste, die ihnen Mini-Ausgaben der Haupttrophäe überreichten.

König Felipe VI. stand auf der Empore, auch David Haggerty, der Präsident des Tennis-Weltverbandes ITF, sie gratulierten, von den Rängen Beifall. Dann kamen die Spanier raus, jene Auswahl, über die die Zeitung Marca titelte: "Fünf Helden und ein Gott". Mit Letzterem war nicht Gerard Piqué gemeint, auch wenn der Fußballprofi ja neuerdings die Fäden des Schicksals bei diesem Teamwettbewerb in die Hand genommen hat. Gemeint war Rafael Nadal, der mit acht Siegen binnen einer Woche seiner Nation den sechsten Titel beschert hatte. Jeder übernahm am Ende seine Rolle, dieser Eindruck drängte sich bei der Siegerzeremonie des sogenannten "Davis Cup by Rakuten" auf. Auch Shakira. Piqués Partnerin hatte vor dem Finale einen musikalischen Auftritt in der Caja Mágica hingelegt, vor sehr offensichtlich inszenierten Jublern. Piqués Machtübernahme war wirklich gründlich.

Nach 119 Jahren des Bestehens wird der Davis Cup nun also von der Investorengruppe Kosmos verantwortet - und vielleicht klafften nach der Premiere des komplett reformierten Formats in Madrid die Urteile so weit auseinander, weil es derart viele Möglichkeiten gab, die Veranstaltung zu bewerten. Piqué etwa sprach bilanzierend von einem "einzigartigen Event" und meinte: "Wir sind sehr glücklich darüber, wie es lief." Damit konnte der Spieler des FC Barcelona indes nicht Matches bis vier Uhr morgens, leere Zuschauerplätze bei Partien ohne spanische Beteiligung oder geschenkte Matches nach vorzeitigen Siegen (wie bei Kanada - USA) gemeint haben. Und tatsächlich, ein wenig Eingeständnisse waren zu vernehmen, zähneknirschend. "Es war das erste Mal, wir wussten, dass es Schwierigkeiten geben wird", räumte Piqué ein. "Wir müssen einige Sachen verbessern." Dafür, dass seine Kosmos-Gruppe drei Milliarden Dollar für 25 Jahre versprochen hatte, um dieses Großprojekt besser aufzuziehen, als es die Welt je erlebt hat, waren manche Abläufe doch erstaunlich fehlerhaft. Nicht mal die App für Smartphones funktionierte.

"Den Davis Cup gibt es nicht mehr", so schlussfolgerte daher auch beim Sportinformationsdienst DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff, dem man zwar entgegenhalten kann, auch seit Jahrzehnten eigene Interessen in wechselnden Rollen miteinander zu verweben. Aber sein Tennisfachverstand gilt als unumstritten. Überhaupt zählte die deutsche Fraktion auch nach Erleben des Turniers weiter zu den Kritikern. "Wir hatten über die Tage hier lediglich ein paar deutsche Fans dabei, worüber ich mich natürlich sehr freue", wurde Philipp Kohlschreiber bei tennisnet.com zitiert. "Es hat sich allerdings zu keinem Zeitpunkt nach einem Heimspiel angefühlt. Dieser Vorteil ist vollständig abhandengekommen." Überdies meinte der 36-Jährige: "Kosmos hat einige Dinge, wie Unterbringung und Organisation, richtig gut gemacht. Allerdings habe ich das ganz spezielle Gefühl vermisst." Was nicht am Sport lag.

Denn auch wenn diese Woche wie ein einziges Heimspiel Spaniens unter Anteilnahme fremder Gäste wirkte, fiel die hohe Qualität in vielen Duellen auf. Es war, als pfiffen die Profis auf all die Debatten um die niederreformierte Tradition, stattdessen gingen sie lieber sportlich miteinander ins Gericht, vor allem nach der eher zähen, überfrachteten Gruppenphase. Beim Doppel der Serben gegen Russland verkeilten sich etwa Novak Djokovic / Viktor Troicki und Karen Chatschanow / Andrej Rublew verbissen wie Boxer ineinander, ein intensiver Schlagabtausch, der zu herzzerreißenden Tränen bei Verlierer Troicki führte. Auch andere Matches gingen in den dritten Satz, stets unter Anfeuerungsrufen der Teamkollegen auf der Bank. Die Figur des Helden wiederum war von Beginn an für Nadal vorgesehen, die er einerseits übererfüllte - und andererseits teilte, mit Roberto Bautista Agut.

Ende 2020 findet die zweite Ausgabe unter Piqués Regie statt

Obwohl von der langen Saison (inklusive Hochzeit) übermüdet, stellte sich Nadal achtmal auf den Platz, achtmal gewann er, dreimal dabei im Doppel. Seine Gesamtbilanz ist somit noch einmaliger: Nur bei seiner Davis-Cup-Premiere 2004 verlor er ein Spiel (gegen den Tschechen Jiri Novak) - danach in 29 Einsätzen nicht mehr. In der ihm eigenen Bescheidenheit verwies der 32-Jährige jedoch am Sonntagabend sofort auf Bautista Agut, den er pathetisch "als Vorbild für den Rest meines Lebens" würdigte. Der 31 Jahre alte Kollege aus Castellón de la Plana, Nummer neun der Weltrangliste, verlor - nachdem 2018 seine Mutter gestorben war - während des Davis Cups nun auch seinen Vater. Bautista Agut reiste ab, kehrte zum Finale zurück und legte mit dem 7:6 (3), 6:3 gegen Auger-Aliassime die Grundlage zum Erfolg. Nadal rang schließlich Shapovalov 6:3, 7:6 (7) nieder. "Es gibt Dinge, die kann eben nur ein Rafael Nadal", schwärmte Teamkollege Feliciano Lopez und meinte nicht den käferhaften Jubel Nadals, der sich wie so oft rücklings auf den Boden geworfen hatte.

Ende November 2020 findet die zweite Ausgabe des Davis Cups unter Piqués Regie statt, wieder in Madrid, eigentlich ein unlauterer Vorteil Spaniens. Die hohe Entlohnung der Spieler scheint aber offenbar einiges zu kompensieren, diesbezüglich gab es jedenfalls nie Klagen zu vernehmen. Dabei gibt es Schieflagen: Von den 18 Startplätzen für die Finalrunde etwa sind bereits sechs vergeben; die diesjährigen Halbfinalisten Spanien, Kanada, Russland und Großbritannien rücken automatisch ein, Frankreich und Serbien dank Wildcards. Das DTB-Team muss die erste Runde gegen Weißrussland überstehen (6./7. März).

Am nächsten Ziel feilt Piqué schon: einem besseren Termin. Er würde sein Turnier gern im September sehen, womit er sich einen pikanten Gegenspieler ausgesucht hat: Roger Federer. An besagtem Datum findet dessen Laver Cup statt. Unterschätzen sollte Piqué indes niemand. Als er vor Jahren vom eigenen "World Cup of Tennis" schwadronierte, hatten noch viele gespöttelt. Nun liegt die erste Quittung vor.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4697292
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.11.2019/tbr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.