Tennis:Das Tick-Tack der Tennisuhr

Tennis: Knapp geschlagen: Jule Niemeier rangiert trotz der Niederlage gegen Olympiasiegerin Belinda Bencic unter den besten 100 der Welt.

Knapp geschlagen: Jule Niemeier rangiert trotz der Niederlage gegen Olympiasiegerin Belinda Bencic unter den besten 100 der Welt.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Andrea Petkovic schlägt beim Berliner Frauenturnier die frühere Wimbledonsiegerin Garbine Muguruza. Das Beispiel der Kollegin Jule Niemeier zeigt: Der Weg nach oben führ zwangsläufig über Niederlagen.

Von Barbara Klimke, Berlin

Andrea Petkovic hat in Berlin dieser Tage kurz Berufsbilanz gezogen. Das kommt inzwischen häufiger vor, weil sie im Alter von 34 "noch jung fürs Leben" ist, wie sie mit Sinn für die Vieldeutigkeit des Daseins sagt, "als Sportlerin aber doch schon zum älteren Jahrgang" zählt. Neben dem Plopp-plopp der Tennisbälle gehört zu ihrer Alltagsgeräuschkulisse nun auch das Tick-tack der Tennisuhr. Sie hat es vorerst ignoriert und die Profilaufbahn noch einmal um eine Saison verlängert, aus purer Lust am Schlägerschwung. Aber das, sagt sie, ändert nichts an ihrem Fazit: Sie habe alles erreicht, was sie wollte in der Karriere. Nur eine winzige Ausnahme räumt sie ein: "Ein Grand-Slam-Turnier hätte ich gern noch gewonnen. Aber das war mir nicht vergönnt." Stattdessen hat sie nebenbei einen Erzählband veröffentlicht und sich, das dürfte einmalig in der Filzballbranche sein, einen Namen in der Literaturszene gemacht.

Ohnehin weiß sie, dass das Leben eines Tennisprofis aus einer langen Reihe von Niederlagen besteht, oder um es mit ihrem Buchtitel zu sagen: "Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht". Sieben Titel insgesamt hat sie auf der WTA-Tour erobert. Und im Rest der Zeit? Hat sie fast immer einmal pro Woche verloren. Das ist das Muster, das sich in diesem Sport für fast jede Spielerin wiederholt. Der "Glaube an sich selbst", so schreibt Petkovic in einem Kapitel, ist unabdingbar, um eine erfolgreiche Karriere im Tennis hinzubiegen.

Auch zu Beginn dieser Woche im Grunewald hat sie sofort im Doppel äußerst knapp verloren an der Seite ihrer Fed-Cup-Kollegin Jule Niemeier. Am Dienstag aber stand sie dann als Solistin auf dem Platz. Da demonstrierte sie dem Publikum bei den hochklassig besetzen Bett1Open am Hundekehlesee, dass mit einem gesunden Maß an Willen und Selbstbewusstsein auch die Wimbledonsiegerin von 2017, die Spanierin Garbiñe Muguruza, auf Rasen zu schlagen ist - 7:6 (8), 6:4. Im Vorjahr war Petkovic an selber Stelle noch knapp der Belarussin Wiktoria Asarenka unterlegen: "Heute war ich beinhart entschlossen, dass mir das nicht noch einmal passiert." Manchmal, erklärte sie, "kann man aus einer Niederlage Kraft schöpfen, auch wenn das widersprüchlich klingt."

Vor wenigen Tagen hat Jule Niemeier in Kroatien ihren ersten WTA-Titel gwonnen

Kurz zuvor hatte Jule Niemeier das Stadion verlassen, die zwar zwölf Jahre jünger ist, aber neben Petkovic und Angelique Kerber derzeit als einzige deutsche Tennisspielerin unter den besten Einhundert der Welt rangiert. Das Los hatte ihr ausgerechnet die Schweizer Olympiasiegerin Belinda Bencic zugeteilt, Nummer 17 der Welt. Es war Niemeiers erstes Match auf Gras seit einem Jahr: Sie hatte zuletzt auf roter Asche gespielt - und den Beweis geführt, dass Petkovic' Niederlagen-Doktrin begründete Ausnahmen beinhaltet. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Niemeier vor wenigen Tagen die Makarska Open in Kroatien für sich entschieden: zwar nur ein Wettbewerb der 125er Kategorie, aber immerhin hat sie damit ihre erste WTA-Trophäe in Empfang genommen. Weil weitere Erfolge in der zweitrangigen ITF-Serie zu Buche stehen, urteilt Barbara Rittner, Frauen-Chefin im Deutschen Tennis Bund und in Personalunion Turnierdirektorin in Berlin: "Auf Sand ist Jule Niemeier eine Nummer."

Auf stumpfem Grün, wo die Bälle flach abspringen, fand sie zunächst nicht in den Tritt. Nach verlorenem ersten Satz zeigte sie dann, dass sie im vollen Lauf dazuzulernen kann: Sie traf die Bälle besser, servierte präziser. Ein paar leichte Fehler besiegelten dann jedoch das Aus - 4:6, 7:5, 3:6.

Petkovic bleibt die einzige deutsche Spielerin im Turnier, sie trifft am Mittwoch nun auf Alexandra Sasnowitsch aus Belarus. Rittner ist dennoch überzeugt, dass Niemeier, die seit April bei Christopher Kas in Regensburg trainiert, es in die Top-50 schafft. Die Zeit der Pandemie, sagt die DTB-Frauenchefin, war für die Jüngeren, denen nach dem Abitur die Spielpraxis fehlte, nicht leicht zu meistern. Und Niederlagen gehören im Tennis schließlich zum Geschäft.

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