Coronavirus im Tennis:Ärger trifft auf Verständnis

BNP Paribas Open Canceled Due To Coronavirus Outbreak

Idylle ohne Filzbälle: "Tennisevent gestrichen", verkündet ein Schild in Indian Wells, einem Städtchen im Riverside County in Südkalifornien.

(Foto: AL BELLO/AFP)
  • Nach der Turnierabsage in Indian Wells ist unklar, wie die Tour weitergeht.
  • "Das verheißt nichts Gutes für die Tour, wenn Indian Wells aufgrund eines bestätigten Falles im Coachella Valley gestrichen wird", sagt Doppelspezialist Jamie Murray.
  • Obwohl kein Ball flog, gibt es in der Weltrangliste trotzdem Sieger und Verlierer.

Von Gerald Kleffmann

Als die Absage des Turniers bekannt wurde am Sonntagabend und sich die Nachricht von der kalifornischen Küste aus verbreitete, gab es unterschiedliche Reaktionen. "Ich war so aufgeregt, mein Debüt in Indian Wells zu geben", schrieb die 15-jährige Coco Gauff, das größte Talent im Frauentennis, und äußerte Verständnis: "Aber Sicherheit hat immer die höchste Priorität." Die frühere Spitzenspielerin Pam Shriver, nun beim Fernsehen im Einsatz, urteilte via Twitter: "Eine mutige, schwere, aber korrekte Entscheidung." Das jedoch sahen nicht alle so, wie überhaupt auffiel: Dass die Organisatoren des kombinierten Frauen- und Männerturniers unmittelbar vor dem Start der Qualifikation und vier Tage vor Beginn der Hauptrunde aufgrund eines bestätigten Corona-Falles im Coachella Valley den Alarmknopf drückten und die millionenträchtige Preisgeld-Veranstaltung abbliesen, rief auch Unverständnis, ja Ärger hervor.

"What the f*ck?!?!?!", textete die Belgierin Kirsten Flipkens und monierte: "Ist es nicht das Wenigste, das ihr tun könnt, ein Notfall-Meeting mit den Spielern zu organisieren????" Der Argentinier Diego Schwartzman kritisierte, dass die Spieler nur zufällig über das Turnier-Aus informiert worden seien, die gesamte Informationspolitik sei mangelhaft gewesen. So verlief offenbar auch die interne Debatte, ohne Zuschauer eventuell zu spielen, dem Vernehmen nach eher versprengt. Einige Spieler wären dazu bereit gewesen, aber das Turnier machte nicht mit. Wie groß die Unsicherheit generell im Tennis-Circuit ist, brachte der 19-malige Grand-Slam-Champion Rafael Nadal mit seinem Tweet zum Ausdruck, in dem er kundtat: "Wir sind noch hier und entscheiden, was wir als Nächstes tun. So traurig, was für alle rund um die Welt passiert bei dieser Situation. Hoffentlich gibt es bald Lösungen von den Behörden." Nicht einmal der Spanier, bestens vernetzt und umsorgt, kann derzeit also sagen, wie es für ihn weitergeht. Weil eben die Tour - bei den Frauen wie bei den Männern - in der Schwebe hängt.

Kein Spitzensport ist ja so global zerfasert wie das Profitennis. Es war daher natürlich aufgrund der Ausbereitungsdynamik des Coronavirus absehbar, dass irgendwann auch dieser Kosmos von der Epidemie betroffen sein würde. Schon vor dem Start des Männerturniers der Masters-Kategorie sowie der Frauen-Wettbewerbs mit dem Premier-Mandatory-Status (beides sind die höchsten Kategorien nach den Grand Slams) hatte Indian Wells erhöhte Sicherheitsmaßnahmen verkündet. So sollten sich etwa die Spieler nicht mehr von den Ballkindern ihre schweißnassen Handtücher reichen lassen. Ein Novum wäre das gewesen. Nachdem aber die Gesundheitsbehörde von Riverside County einen gesundheitlichen Notstand ausrief, oblag es Tommy Haas, die Absage zu erklären, die auch deshalb sicherlich so strikt durchgezogen wurde, weil in der Gegend von Indian Wells viele ältere Menschen leben; das Gesundheitsrisiko für sie gilt hinsichtlich des Coronavirus als besonders hoch.

"Wir sind sehr enttäuscht, aber Gesundheit und Sicherheit haben höchste Priorität", sagte der frühere deutsche Spitzenspieler, der nun als Turnierdirektor arbeitet: "Wir bereiten uns darauf vor, das Turnier an einem anderen Datum auszutragen, und erörtern die Optionen." Genau das ist aber nun eine von zwei großen Fragen, mit denen die Tennisfunktionäre ringen: Wie geht es weiter mit all den Events, die nun ja pausenlos anstehen, Woche für Woche? Zweitens: Wie geht man mit einem abgesagten Turnier um? Was passiert etwa mit den Weltranglistenpunkten?

Der Tenniswelt könnten noch ganz andere Prüfungen bevorstehen

Die Rechnereien begannen sogleich, zumindest in den Weiten des Internets. Klar ist schon mal, dass alle Spieler nun null Punkte erhalten, weil Indian Wells gemäß der Regel, dass nur die letzten 52 Wochen gewertet werden, aus dem Rankingsystem fliegt. So bizarr das klingt, aber auch ohne einen Ball gespielt zu haben, gibt es Sieger und Verlierer. Für jene Profis, die ohnehin absagten, aber viele Punkte zu verteidigen hatten, kommt die Turnierabsage sicher gelegen. Angelique Kerber stand wie der Schweizer Roger Federer 2019 im Finale, beide mussten verletzungsbedingt passen - ihnen nutzt nun, dass die Konkurrenz auch nicht punkten kann. Der Österreicher Dominic Thiem etwa, der 1000 Punkte als Sieger zu verteidigen hatte, verliert diese komplett. Sollte es wirklich, wie Haas andeutete, eine Chance geben, das Turnier nachzuholen, wäre die Rangliste zwar nicht mehr hinsichtlich Indian Wells verzerrt. Doch ein Zeitfenster bietet sich angesichts der Fülle an Events kaum an - zumal unklar ist, ob ein Turnier-Stau entsteht.

Kleine Events wie die Challenger-Turniere diese Woche in Kasachstan und Südafrika haben zwar normal begonnen, aber ob das nächste Großevent in Miami stattfindet, bezweifeln trotz der Beteuerungen der dortigen Veranstalter die ersten Spieler. "Das verheißt nichts Gutes für die Tour, wenn Indian Wells aufgrund eines bestätigten Falles im Coachella Valley gestrichen wird", teilte Jamie Murray mit, der Doppelspezialist und Bruder des dreimaligen Grand-Slam-Siegers Andy. Er betonte sogleich: "Broward County (Miami Open) hat noch mehr bestätigte Fälle. Monte Carlo grenzt an Nord-Italien, das gerade einen Lockdown erlebt. Rom? French Open? Wimbledon" - und dahinter setzte Murray ein Fragezeichen und drei Ausrufezeichen. Eine Antwort auf diese Fragen hätte nicht nur er gerne. "Es sollte mehr Informationen für bevorstehende Turniere geben, die auch in betroffenen Städten und Ländern stattfinden", forderte Schwartzman.

Die Miami Open immerhin taten ihm diesen Gefallen, in einem Statement wurde verkündet, man beobachte die Lage in Absprache mit Behörden, halte aber an der Austragung fest. "Der ATP-Tour-Kalender nach Indian Wells bleibt Status quo", sagte wiederum der ATP-Präsident Andrea Gaudenzi. Zu viel, das ist klar, steht auf dem Spiel, als dass vorzeitig etwas storniert wird. Im vergangenen Jahr kamen allein 400 000 Zuschauer zu den Miami Open.

Für die Frauentour dürfte die schwerste Zeit aber erst noch kommen. Die WTA hat in den vergangenen Jahren voll auf den asiatischen Markt gesetzt, so finden nach den US Open von September an diverse hochkarätige Turniere dort regelmäßig statt, darunter die WTA-Finals, in Shenzhen. Sollte sich die globale Lage zum Coronavirus nicht bessern bis dahin, stehen der Tenniswelt noch ganz andere Prüfungen bevor.

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