Wettbetrug im Tennis:Doppelfehler im System

ATP World Tour

Wettbetrug im Tennis ist ein großes Problem.

(Foto: Juan Carlos Hidalgo/dpa)

Der Tennisweltverband ITF feiert sich für Maßnahmen gegen Wettbetrug. Dieses Eigenlob ist fehl am Platz, denn die Branche selbst bietet auch Strukturen, in denen unterklassige Profis kaum über die Runden kommen können.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Dass Tennis anfällig ist für den Missbrauch von Sportwetten, ist keine neue Erkenntnis, bekanntermaßen lassen sich zwei Quellen des Übels ausfindig machen: die, die einfach verdientes Geld zum Schummeln bieten - und die, die das Geld annehmen. Ein kleiner Doppelfehler, auf den sich ja auch setzen lässt, mag schließlich nicht auffallen, zumindest nicht in jenen Profi-Spielklassen, die weit weg liegen von New York und Wimbledon und von denen Dominik Koepfer jetzt sprach. "Ich kann mir schon vorstellen, dass manche Leute einfach verzweifelt sind und es ihre letzte Chance ist, noch weiter Tennis zu spielen", sagte der 25-jährige Deutsche der Agentur dpa.

Koepfers Versuch, Verständnis für die Not vieler Spieler aufzubringen, die nicht wie er auf Weltranglistenplatz 94 stehen oder von den Eltern gefördert wurden, mag ehrenwert gemeint gewesen sein. Doch Betrug bleibt Betrug und lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass Umstände ihn erforderten. Koepfers Gedanke beinhaltete nichtsdestotrotz einen Kern, der die Wurzel der Problematik betrifft: Will man auf unterer Ebene einsteigen, bei ITF-und Future-Events, lässt sich selbst im Bestfall zu wenig verdienen, um die Kosten für Reisen und Teambetreuung zu begleichen. Das System ernährt nicht alle seine Spieler, die es ja will. Ein Widerspruch in sich, nach wie vor.

Wetten auf Matches in der Provinz werden zu wenig unterbunden

Wie zum Beweis, in welcher Spannbreite sich die Preisgeldstruktur bewegt, veröffentlichten die Australian Open ihre Zahlen. 45 Millionen Euro werden ab Mitte Januar in Melbourne ausgeschüttet, eine Steigerung von 13,6 Prozent zu 2018, je zweieinhalb Millionen Euro kassieren die Einzelsieger. Unter den Grand-Slam-Turnieren findet ein Wettrüsten statt, sie können es sich leisten, jede der vier Messen erwirtschaftet einen dreistelligen Millionenbetrag, heißt es. Hinsichtlich einer gerechteren Umverteilung immerhin gibt es Fortschritte, Erstrundenverlierer erhalten rund 60 000 Euro, für einen wie Koepfer sind solche Summen Säulen der Budgetplanung. Und doch: Dem Tennissport in der Breite hilft es nicht, wenn die Spitze obszön reich wird, 80 Prozent der Profis aber schauen müssen, wie sie sich die erste Runde in Südamerika oder Südtirol finanzieren. Wobei sich die Frage stellt: Wie global müssen unterklassige Serien überhaupt sein?

Der Ruf nach mehr Überlebensfähigkeit am Ende des Rankings ist nachvollziehbar. Aber auch eine andere Schwachstelle im System ist hausgemacht. Zu wenig wurde stets unternommen, um Wetten auf Matches in der Provinz zu unterbinden. Dass der Weltverband Livescores bei 15 000-Dollar-Events verbieten will, mutet richtig an. Doch fraglich ist, wie erfolgreich die ITF im Milliardenbusiness der Zocker mit ihrem auf süße acht Millionen Dollar aufgestockten Kontrollsystem sein kann: Es gibt mehr als 1000 solcher ITF-Turniere in 80 Ländern. Symbolpolitik hat Wettsyndikate und solche, die mitwirken bei der Korruption, selten vor Taten abgeschreckt. Deshalb ist das Eigenlob der ITF zu ihren Maßnahmen völlig fehl am Platz. Das System muss sich schon auch selbst hinterfragen.

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