Ausraster im Tennis:Nachhilfe für Rüpel

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Einer der üblichen Verdächtigen: Nick Kyrgios ist ein exzellenter Tennisspieler - aber seine Frustrationstoleranz tendiert oft gegen null. (Foto: Frederic J. Brown/AFP)

Die ATP will Disziplinlosigkeiten auf dem Platz schneller und härter bestrafen. Ein notwendiger Schritt: Der Tennissport lebt von Emotionen - doch zu oft haben Profis zuletzt Grenzen des Hinnehmbaren überschritten.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Am Dienstag hat eine Videosequenz die Plattform Twitter geflutet, sie hatte eine nicht ganz gewaltfreie Aktion eines Tennisspielers zum Inhalt. Der junge Franzose Michael Kouame war zu sehen, wie er seinem Gegner Raphael Nii Ankrah aus Ghana mit der rechten Hand gratulierte, mit der linken Hand ausholte und dem Kontrahenten bei dem Turnier der ITF Juniors World Tour eine Ohrfeige verpasste, wie Will Smith bei den Oscars dem verdutzten Chris Rock. Wie es zu dieser Reaktion in Accra kam, blieb unklar. Fest steht, dass der Szene nicht derart Beachtung geschenkt worden wäre, hätte in den vergangenen Monaten nicht ein Problem auf der ATP Tour überhandgenommen.

In immer kürzeren Abständen benehmen sich diverse Profis höchsten Ranges daneben, beschimpften den Schiedsrichter vor Millionen Fernsehzuschauern als dumm - wie Daniil Medwedew, attackierten wie Alexander Zverev den Schiedsrichterstuhl, zertrümmerten Schläger wie Nick Kyrgios, dessen Frustrationstoleranz gegen null tendiert. Selten ist das lustig, dafür oft gefährlich für Ballkinder, wenn etwa Schläger angeflogen kommen. Auffallend war jedes Mal, wie schwer sich die ATP damit tat, Strafen auszusprechen. Das soll sich nun ändern.

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Von Gerald Kleffmann

Die Spielerorganisation will Vergehen neu kategorisieren, um schneller, nachvollziehbarer und vor allem strenger Urteile fällen zu können, wenn wieder jemand ausflippt. Ein leider notwendiger Schritt, auf den ATP-Chairman Andrea Gaudenzi, der die Neuerungen bereits an alle Spieler kommunizierte, sicher gerne verzichtet hätte.

Geldstrafen schrecken einige kaum ab - Kyrgios musste schon mehr als 320 000 Dollar zahlen

Der Tennissport hat schon immer von solchen Typen gelebt, John McEnroe ist nicht nur deshalb zum Kult geworden, weil sein Volleyspiel so genial war. Seine Ausbrüche boten Unterhaltungswert. Verglichen mit manchem Fehlverhalten heutiger Profis wirkt Big Mac im Rückblick wie ein braver Bube. Offensichtlich war zuletzt, dass hohe Geldstrafen, die in Relation mancher Einkünfte nicht mehr gar so empfindlich wirken, nicht abschrecken - siehe Kyrgios, der in seiner Karriere mehr als 320 000 Dollar blechen musste, bei einem Vermögen von rund 15 Millionen Dollar.

Zudem: Zwei, drei Runden bei einem Grand Slam gleichen den Verlust schnell aus. Geholfen hat der ATP wohl auch nicht, Zverev ohne Sperre in Acapulco davonkommen zu lassen; denn so verschob sich wieder eine Grenze, jeder konnte sehen: So schnell wird man nicht verbannt. Gaudenzi setzte sich dem Ruf aus, Offizielle wie Schiedsrichter alleinzulassen und seine Topjungs zu generös zu schützen, die er ja auch benötigt fürs Marketing der Tour. Dass sich die Frauen auf der WTA Tour fast einheitlich vorbildhaft benehmen, stellte die ATP Tour noch mehr in die Ecke.

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Kommentar von Gerald Kleffmann

Gaudenzis Durchgreifen hat daher nicht nur erzieherischen Wert, es ist auch eine Maßnahme, um das eigene Produkt zu schützen. Man ist sich der eigenen Vorbildfunktion bewusst. Manchem Profi, an diesem Punkt ist man angelangt, muss diesbezüglich doch etwas nachgeholfen werden, notfalls mal mithilfe von Zwangspausen. In erster Linie haben diese Reform jene verhaltensauffälligen Spieler zu verantworten, die bei der Gratwanderung zwischen akzeptablen und nicht mehr akzeptablen Emotionen auf dem Platz zu oft einen Schritt zu weit gegangen sind.

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