Australian Open:Zverev stößt vor in einen elitären Zirkel

Tennis - Australian Open - Fourth Round

Hat noch viel vor in Melbourne: Alexander Zverev.

(Foto: REUTERS)
  • Während Angelique Kerber im Achtelfinale der Australian Open an ihre Grenzen stößt, überzeugt Alexander Zverev.
  • Im Viertelfinale gegen Stan Wawrinka traut sich der Hamburger nun selbst viel zu.
  • "Ich habe keinen Grund, nicht zuversichtlich zu sein", sagt Zverev.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Runde für Runde sind sich Angelique Kerber und Alexander Zverev zuletzt im Melbourne Park begegnet, mal im Spieler-Restaurant, mal spätnachts beim Auslaufen nach ihren jeweiligen Matches. Nun, in der zweiten Turnierwoche, trennten sich die Wege. Zverev wird noch ein wenig weiter den Schläger schwingen dürfen in der weitläufigen Anlage am Yarra River. Kerber dagegen, die im Jahr 2016 ein kurzes Bad im Fluss genommen hatte nach ihrem Australian-Open-Sieg, hat das Areal am Montagabend kurz vor Mitternacht mit traurigem Blick verlassen.

Noch einmal hat Angelique Kerber, 32, drei Sätze lang gekämpft, diesmal gegen die Russin Anastassija Pawljutschenkowa, 28, doch sie konnte die Achtelfinal-Partie gegen Ende nicht mehr nach ihrem Willen biegen. Sie habe ihr "Herz auf dem Platz gelassen", seufzte Kerber nach der 7:6 (5), 6:7 (4), 2:6-Niederlage, aber das Herz allein reichte nicht mehr. Letztlich musste sie sich eingestehen, dass sie in den entscheidenden Phasen zu passiv agierte, dass sie der Gegnerin zu wenig Widerstand entgegensetzte, dass sie es Pawljutschenkowa, mit der sie sich seit Jahren immer wieder duellierte, zu einfach machte. "Sie hat es durchgezogen und selber gewonnen." Und Kerber hat sich bezwingen lassen.

Wieder einmal schließen sich hinter ihr die Tore eines Grand-Slam-Turniers, und seit ihrem Wimbledon-Triumph 2018 hat Kerber in diesen Wettbewerben kein Viertelfinale mehr erreicht. Zu ihrer Entschuldigung hätte sie eine Oberschenkelverletzung anführen können, die sie seit einem Monat quält, aber das wäre ihr wohl als unpassende Ausflucht vorgekommen. Nur so viel wollte sie zu ihrer Verteidigung zulassen: Angesichts der geringen Erwartungen, mit denen sie nach Melbourne gereist war, könne sie mit dem Erreichen der zweiten Turnierwoche zufrieden sein.

Kerber will nun ihre Verletzung auskurieren

Achtelfinals sind aber nicht der Maßstab für eine dreimalige Grand-Slam-Siegerin, die fest davon überzeugt ist, es im Vollbesitz ihrer physischen Kräfte mit allen Konkurrentinnen aufnehmen zu können. "Ich kann jede schlagen - und wenn ich nicht fit bin, kann mich jede schlagen", so lautete ihre Erkenntnis nach der Niederlage gegen eine Gegnerin, die sie in zuvor 14 Duellen sieben Mal besiegt hatte. Und deshalb will sich Kerber nun die nötige Zeit nehmen, um die Muskelverletzung zu kurieren. Sie will erst wieder auf den Platz gehen, wenn sie fit ist, sagte sie: "Egal, ob das zwei Woche oder zwei Monate dauert.

Auch Alexander Zverev, 22, traf auf einen alten Bekannten, aber auf einen, mit dem er weit mehr teilt als Erinnerungen an vorbeizischende Passierbälle an der Seitenlinie. Mit dem Russen Andrej Rubljow hat er als Kind schon Doppel gespielt, wann immer sich die Gelegenheit ergab. Kennengelernt haben sich die beiden Hochbegabten bei einem Jugendturnier auf Mallorca, als sie beide kaum älter als zehn Jahre waren, so hat er es dieser Tage erzählt.

Und nachdem er Rubljow am Montagabend im Achtelfinale glatt 6:4, 6:4, 6:4 geschlagen hatte, flüsterte er seinem geknickten Freund am Netz Aufmunterndes ins Ohr: Hinter beiden liege ein langer Weg, sagte er, und sie würden ihn weitergehen bis an die Spitze. Auch wenn Zverev dem gleichaltrigen Gefährten auf dem letzten Abschnitt schon ein paar Schritte vorausgeeilt ist.

Zverev klingt plötzlich sehr zuversichtlich

Denn Zverev, Nummer sieben der Weltrangliste, hat Rubljow, die Nummer 17, nun in jedem ihrer vier Duelle bezwungen. Und bei dieser aktuellen Gelegenheit ist die glatte Niederlage für den Kumpel besonders schmerzhaft gewesen: Rubljow war schon seit Oktober ungeschlagen, er hatte einschließlich des Davis Cups im Herbst 15 Matches nacheinander gewonnen und zuletzt dabei, im Januar, zwei Turniersiege eingeheimst, in Doha und Auckland. Dass er die Serie beenden konnte, sei womöglich nur dem Zufall zuzuschreiben, sagte Zverev: "Ich habe einfach einen Tag erwischt, an dem ich die Bälle besser traf."

Als Understatement allerdings sollte das niemand missverstehen. Zverev gehört nun erstmals in seiner Karriere zur Runde der letzten Acht bei den Australian Open. Zu jenem elitären Zirkel also, den am Montagabend auch der Spanier Rafael Nadal erreichte. Der 19-malige Grand-Slam-Sieger benötigte all seine Fähigkeiten als Tennis-Torero, um den furiosen Ansturm des 24-jährigen Australiers Nick Kyrgios in vier Sätzen (6:3, 3:6, 7:6/6, 7:6/4) abzuwehren.

Zverev jagt noch immer seinem ersten Grand-Slam-Titel nach. Bis ins Viertelfinale ist er auch in Paris schon zwei Mal vorgedrungen. Aber nun, da er seine eklatante Aufschlagschwäche der ersten Saisonwochen überwunden hat und sich in Melbourne, wie er glaubt, von Match zu Match gesteigert hat, hofft er, auch den nächsten Schritt gehen zu können.

Und dieser Schritt wird schwer genug, denn sein Gegner im Viertelfinale ist Stan Wawrinka aus der Schweiz: dreimaliger Grand-Slam-Sieger, Gewinner in Melbourne 2014, 34 Jahre alt, an Schlagkraft und Finesse schwer zu überbieten. Wawrinka hat in Australien den 23-jährigen Daniil Medwedew in fünf Sätzen bezwungen: "ein Champion", wie Zverev fast ehrfürchtig sagte. Optimistisch ist er trotzdem: "Ich habe keinen Grund, nicht zuversichtlich zu sein." Angelique Kerber klang beim Abschied weniger hoffnungsfroh.

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