Tennis:Pirat auf den sieben Weltmeeren

Tennis: Stefanos Tsitsipas: Erhält schon mal Glückwünsche vom griechischen Premierminister.

Stefanos Tsitsipas: Erhält schon mal Glückwünsche vom griechischen Premierminister.

(Foto: AP)
  • Die junge Generation rückt im Männertennis auf, wieder ein Stück höher Richtung Spitze.
  • Zwischen Weltranglistenplatz elf und 20 befinden sich nun schon fünf Profis, die jünger als 25 Jahre alt sind.
  • Das Interessante ist dabei, dass die Stärken der neuen Generation sehr unterschiedlich aussehen und in der Vielfalt die unterschiedlichen Charaktere der Spieler widerspiegeln.

Von Gerald Kleffmann

Noch am Abend sandte Alexis Tsipras eine Botschaft via Twitter. "Gratulation, @StefTsitsipas", übermittelte der Premierminister Griechenlands, "für diesen Sieg in Stockholm. Ein historischer Sieg, der uns alle stolz macht." Mit 20 Jahren hatte Stefanos Tsitsipas, dieser Don-Juan-Typ, sein erstes Profiturnier auf der ATP-Tour gewonnen, 6:4, 6:4 im Finale gegen den Letten Ernests Gulbis. 1500 Kilometer südöstlich reckte, ebenfalls am Sonntag, Karen Chatschanow die Hände hoch, als er seinen Matchball zum 6:2, 6:2 gegen den Franzosen Adrian Mannarino verwandelt hatte. 22 ist der Russe mit der peitschenden Vorhand. Wie Tsitsipas sprach er von einem wahrgewordenen Traum. Chatschanow hatte in seiner Geburtsstadt Moskau triumphiert. Kyle Edmund wiederum erlebte weiter westlich, in Antwerpen, seinen speziellen Moment: 3:6, 7:6 (2), 7:6 (4) im Endspiel gegen den Franzosen Gaël Monfils. Tränen flossen, eine ewige Umarmung mit dem norwegischen Trainer Fredrik Rosengren, der den 23 Jahre alten Engländer nach dessen erstem Titelgewinn kaum loslassen wollte.

Es menschelte sehr an diesem Finalwochenende der Männertour, und jeder Gewinner hatte seine Geschichte. In der Summe aber gab es eine Klammer: Die junge Generation rückt auf, wieder ein Stück höher in Richtung Spitze. Die Dominanz im Männertennis der großen Akteure wie Roger Federer, Rafael Nadal und des wiedererstarkten Novak Djokovic ist nach wie vor offensichtlich - wenn sie fit sind. Aber dahinter verändert und vor allem verjüngt sich das Feld. Noch ist Alexander Zverev mit 21 der einzige der NextGen (für Next Generation) in den Top Ten. Aber zwischen Weltranglistenplatz elf und 20 befinden sich nun schon fünf Profis, die jünger sind als 25: der Kroate Borna Coric (13./ 21), Edmund (14.), Tsitsipas (16.), Chatchanow (19.), der Russe Daniil Medwedew (22./20.).

Gemein ist den Aufstiegen dieser Spieler die Tatsache, dass sie mehrheitlich auf Erfolge bei Turnieren im Best-of-three-Format zurückzuführen sind. Also wenn es nur um zwei Gewinnsätze geht und nicht um drei wie bei den vier Grand Slams. Dort fehlt den Jungprofis noch zu oft das Durchhaltevermögen, um körperliche und emotionale Tiefs überwinden zu können. Auch Zverev ist keine Ausnahme: Er kann erst seit dieser Saison ein Viertelfinale bei den French Open vorweisen, offenbarte in Paris aber tatsächlich einen deutlichen Entwicklungsschub. Er siegte dreimal im fünften Satz, trotz jeweils deutlicher Rückstände. Boris Becker, der frühere sechsmalige Grand-Slam-Sieger, hat mehrmals darauf hingewiesen, wie sehr die Major-Events im Best-of-five-Format eine völlig andere Herausforderung seien. Und die Jungen müssten erst lernen, mit dieser umzugehen. Becker zielte mehr auf die mentale Herangehensweise ab, denn die spielerischen Fähigkeiten betreffend sind die Anfang-20-Jährigen ja in der Lage, große Taten zu vollbringen. Sie haben die Mittel.

Der Glaube bei den Youngsters ist sichtbar gewachsen

Das Interessante ist dabei, dass diese Mittel sehr unterschiedlich aussehen und in der Vielfalt die unterschiedlichen Charaktere der Spieler widerspiegeln. Der Grieche Tsitsipas ist der rasanteste Emporkömmling im Welttennis, der auch dank seines Charismas noch Herden von Sponsoren und Anhängern in Verzückung versetzen dürfte. Seine einhändige Rückhand, eine Seltenheit im Tennis, erinnert an die von Pete Sampras, sein wildes Spiel sieht manchmal aus, als wäre er ein Pirat und möchte die sieben Weltmeere erobern. Tsitsipas ist der Sohn eines griechischen Tennislehrers und einer früheren russischen Profispielerin, beide haben noch großen Einfluss auf ihn, wie auch Patrick Mouratoglou, der dandyhafte Coach von Serena Williams, dessen Trainingsanlage bei Nizza Anlaufstelle für Tsitsipas ist.

Der Russe Medwedew, ein dünner, gewiefter Konterspieler, verfügt über eine ähnliche Unerschrockenheit. Kürzlich beim Turnier in Shanghai unterlag er Federer erst im dritten Satz 4:6 und sagte: "Ich habe begriffen, dass ich Spieler wie Roger Federer schlagen kann." Der Glaube bei all diesen Youngsters ist sichtbar gewachsen. Coric etwa hat Federer im Finale von Halle in Westfalen 2018 schon besiegt. Chatschanow ist auch keiner mehr, den die Großen im Vorbeigehen bezwingen. Und Edmund erinnert an Andy Murray, seinen Mentor. Das Zähe ist seine Stärke, die nicht immer gegebene Konstanz indes seine Schwäche.

Sieben der besten zehn Profis sind 30 und älter, es gibt keinen aktiven Grand-Slam-Sieger mehr, der jünger als 30 ist. Erfahrung ist gut. Und doch hat 2018 einen Trend bewiesen, der sich 2019 fortsetzen dürfte: Die Verschiebungen in der Weltrangliste finden zugunsten der Jungen statt. Das zurückliegende Wochenende war ein kleiner Vorgeschmack der schleichend vonstatten gehenden Wachablösung.

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