Tennis: Andrea Petkovic:Und überall Liebe

Tennisspielerin Andrea Petkovic erreicht das Halbfinale des WTA-Turniers in Miami - und weckt Hoffnungen. Dabei begeistert sie die Zuschauer nicht nur mit großem Sport und ihrem Charme, sondern auch mit einem ganz eigenen Siegesritual.

Michael Neudecker

Stellar play, brillantes Spiel, das zum Beispiel war zu lesen am Mittwoch in den örtlichen Zeitungen von Miami, oder stunning, atemberaubend, und auch smart, klug. Das Thema war: eine deutsche Tennisspielerin. Andrea Petkovic aus Darmstadt gewann im Viertelfinale des mit 4,5Millionen US-Dollar dotierten Turniers von Miami gegen die Weltranglistensiebte Jelena Jankovic, davor schon hatte sie die Weltranglistenerste Caroline Wozniacki besiegt, sie steht nun im Halbfinale, the charismatic newcomer, wie der Miami Herald befand. Miami ist ein bisschen verliebt.

Sony Ericsson Open

Ein Tänzchen zum Sieg: Andrea Petkovic hat ihre eigenen Rituale.

(Foto: AFP)

Deutsche Tennisspielerinnen waren in den vergangenen Jahren eher selten Thema in der internationalen Presse, weshalb jetzt die Fakten und Vergleiche hervorgeholt werden, die lange in irgendwelchen Archiven lagerten. War Petkovic nicht die erste Deutsche seit Steffi Graf 1999, die eine Weltranglistenerste besiegte? Das sei schon eine Ehre, sagt Petkovic, in einem Satz mit Graf genannt zu werden, aber sie sagt auch: "Den Vergleich verstehe ich nicht." Von Grafs Erfolgen sei sie doch so weit entfernt.

Das ist richtig, mit 23 Jahren steht bisher ein Turniersieg in Petkovic' Vita: 2009, Bad Gastein. Richtig ist aber auch, dass alle Deutschen, die sich für Tennis interessieren, seit Steffi Graf und Boris Becker sehnsüchtig auf einen Spieler warten, der sie stolz macht, mit dem sie angeben können, zum Beispiel in Miami. Der Deutsche Tennis Bund hat 1,6 Millionen Mitglieder, hinzu kommen ungezählte Freizeitspieler, und weil nun Andrea Petkovic wiederholt auf sich aufmerksam macht, ist es nicht zu kühn zu behaupten, dass auch Deutschland gerade dabei ist, sich ein bisschen zu verlieben.

Damit sich ein Land in einen Sportler verliebt, muss er, erstens, gewinnen, und, zweitens, Eigenschaften haben, die auffallen. Letzteres ist bei Andrea Petkovic erfüllt. Sie ist klug, hat ein Einserabitur und studiert Politik; sie ist athletisch und hübsch; sie ist nicht langweilig, sondern redet gerne und gut; und, das vor allem, sie ist geschickt genug, all das nicht für sich zu behalten. Andrea Petkovic ist extrovertiert, nach Siegen führt sie einen eigens kreierten Tanz auf, den sie "Petko-Dance" nennt.

Der Tanz geht zurück auf eine Wette, die sie vor den US Open 2010 mit ihrem Trainer abschloss, und weil sich derartige Aufführungen im Zeitalter der Videoportale im Internet rasch verbreiten, waren so schnell so viele Fans von dem Tanz begeistert, dass sie ihn nun weiterhin zeigt, obwohl sie eigentlich schon wieder damit aufhörten wollte. Eine gewisse Prise Extravaganz kommt an bei der breiten Öffentlichkeit. So lange Punkt eins erfüllt ist: das Gewinnen.

"Beinahe neurotisch"

Seit das Jahr 2011 begonnen hat, zeigt Andrea Petkovic eine Tendenz, die sie schon in der vergangenen Saison andeutete, sie führt aufwärts. Im Januar stand sie im Finale von Brisbane, dann im Viertelfinale der Australian Open, und nun im Halbfinale von Miami. Kommende Woche wird Andrea Petkovic erstmals in den Top 20 der Welt geführt werden.

Gegen Wozniacki wie auch gegen Jankovic begeisterte Petkovic mit einer Art, mit der sie an guten Tagen Jede schlagen könne, wie ihre Doppelpartnerin Ana Ivanovic sagt. Petkovic erscheint nach einem trainingsintensiven Winter beeindruckend fit, sie schlägt so hart wie präzise, sie geht vor ans Netz, wenn es nötig ist, sie achtet auf die Spielweise ihrer Gegnerin und versucht, sich darauf einzustellen.

Ihre Flexibilität ist ihrer Neigung zur Kopflastigkeit geschuldet, sie setzt sich viel und gern mit Verschiedenem auseinander, nach Spielen ganz besonders mit Andrea Petkovic.

Ihre Verbesserungsideen schreibt sie auf einen Zettel, besonders auffallende Sachen in ihr Notizbuch. Im vergangenen Jahr erzählte Petkovic, sie habe vor ihrem Abitur all ihre Klausuren von der zehnten zur 13. Klasse hervorgeholt und die Fehler rausgeschrieben. "Es stört mich, wenn ich etwas falsch mache", sagt Petkovic, "ich bin da beinahe neurotisch." Sie ist eine Getriebene, das wohl auch, manchmal kann das auch ein Hindernis sein. An schlechten Tagen raubt ihr ihre Art zu spielen und zu denken die innere Ruhe, die im Tennis nötig ist.

Aber schlechte Tage gibt es zurzeit nicht viele für Andrea Petkovic. Gegen Jankovic lag sie im ersten Satz 2:5 zurück, dann wurde die Partie wegen Regens 90 Minuten unterbrochen, ein guter Zeitpunkt sei das gewesen, sagt Petkovic, "ich war wütend". Sie nutzte die Zeit zur Selbstreflexion, und als sie wieder kam, drehte sie das Match, gewann den zweiten Satz 6:2 und den hervorragenden dritten 6:4. Nun, sagt Petkovic, stehe dem Turniersieg ja nichts mehr im Weg, "nur noch zwei Mädchen". Zuerst am Donnerstag Maria Scharapowa, die Russin, die auch mal Weltranglistenerste war.

Zuletzt trafen Petkovic und Scharapowa im Achtelfinale der Australian Open im Januar aufeinander, die Unbekannte und der Star, so war das damals. Es gewann: ja, natürlich.

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