Tennis:Am Anschlag statt beim Aufschlag

Slany

Stolz auf den neuen Boden: Turnierdirektor Marcus Slany präsentiert den blauen Strukturvelour-Belag, der den 20 Jahre alten grünen Nadelvliesboden im Eckentaler House of Sports ersetzt.

(Foto: oh)

Übernachtungen in der Tankstelle, Flyer als Eintrittskarten: Im Eckentaler Challenger-Turnier steckt viel Überlebenskunst.

Von Sebastian Leisgang

In erster Linie ist das Eckentaler ATP-Challenger ein Tennisturnier, das heißt allerdings nicht, dass es um Tennis geht. Zumindest nicht ausschließlich. Es geht auch um Autobahnfahrten mit 250 Stundenkilometern, es geht um Übernachtungen in einer Tankstelle, es geht um Discothekenbesuche, und es geht um Ballkinder, die im Schichtbetrieb arbeiten. Auch das ist Eckental. Und all das veranlasst Marcus Slany zu der Aussage: "Die Story von Eckental ist crazy."

Slany, 42, steht im Foyer der Eckentaler Halle. Als Turnierdirektor ist er zwar Überlebenskünstler, er ist allerdings keiner dieser besonders lässigen Typen, bei denen man sich eine Zigarette dazudenkt. Slany ist ein nüchterner Mann, und vermutlich muss er das auch sein, um jenes Chaos zu beherrschen, das ihn umgibt. "Alleine die Logistik ist spektakulär", sagt er und erzählt dann die Anekdote mit der Tankstelle. Weil sämtliche Hotels ausgebucht waren, einer der Spieler aber noch eine Unterkunft benötigte, buchte Slany ihn in einer Tankstelle ein, die Fernfahrern an der Autobahn zwei Betten anbietet.

Wie jede andere Sportart ist Tennis nicht mehr als ein Spiel, es erhält erst dann eine Bedeutung, wenn es über den Center Court hinaus wirkt. Wenn es eine Geschichte erzählt. So wie in Eckental.

Es sind ja auch die weichen Faktoren, mit denen das Turnier in der beschaulichen Marktgemeinde im Landkreis Erlangen-Höchstadt punktet. "Wir zahlen den Spielern kein Startgeld, erfüllen ihnen aber alle Wünsche", sagt Slany, "das endet dann schon mal in der Disco." Oder die Sauna wird mitten in der Nacht in Betrieb genommen. Manchmal will ein Spieler auch um Mitternacht trainieren oder einen seiner Schläger während einer Partie besaitet haben, um im nächsten Satz mit ihm zu spielen. "Und der nächste mag keine grauen Handtücher, dann bekommt er eins in einer Farbe, die ihm gefällt", sagt Slany und lächelt. Sein Gesicht hat etwas Triumphales. Er weiß ja, dass er es am Ende dann doch wieder hinkriegt.

So wie am Freitagabend, als sie an der Kasse Flyer als Eintrittskarten ausgeben mussten, weil sämtliche Tickets vergriffen waren. Und als der Ansturm nicht nachließ, sahen sich die Verantwortlichen genötigt, mehr als hundert Fans nach Hause zu schicken. Keine einzige Sitzschale war mehr frei, selbst in der Eingangshalle fand sich kein Platz mehr, weil die Leute das Spiel an einem Monitor verfolgten, um wenigstens irgendwie teilzuhaben. "Als ich durchgelaufen bin, dachte ich, es ist gerade Pause, aber das Match ist gelaufen", sagt Slany.

Gemeinsam mit den anderen Verantwortlichen hat er schon mal mit dem Gedanken gespielt, das Eckentaler Turnier in eine andere, eine geräumigere Halle zu verlegen. "Aber wir brauchen diesen besonderen Charme von Eckental", findet Slany. Deshalb hat das House of Sports unlängst den 20 Jahre alten grünen Nadelvliesboden durch einen blauen Strukturvelour-Belag ersetzt, um den ATP-Anforderungen gerecht zu werden.

Slany ist seit elf Jahren Turnierdirektor. In dieser Zeit hat er vor allem eines gelernt: "Du kannst so viel planen, wie du willst - es geht immer ums Reagieren." Etwa, wenn ein Spieler mit dem Wunsch auf ihn zukommt, sich auf der Autobahn auszutoben. Dann organisiert Slany einen schnellen Wagen, verrät dem Spieler, welche Strecke sich besonders anbietet, und überreicht die Schlüssel. Auch das macht Eckental aus. Auch das ist Teil des Charmes.

Für Slany ist ein Turniertag besonders zehrend. Er ist 16 bis 18 Stunden in der Halle und trinkt Cola, um durchzuhalten, er rennt von A nach B, er schüttelt eine dreistellige Zahl an Händen. Selbst ein Spiel auf dem Center Court anschauen? Dafür bleibt keine Zeit. "Ich habe noch nie einen ganzen Satz gesehen", sagt Slany, "in elf Jahren nicht."

Am Sonntag hat der Tscheche Jiri Vesely (ATP 119) das Finale 6:4, 4:6, 6:3 gegen den Belgier Steve Darcis gewonnen, den Sieger von 2016, der sich auf Abschiedstournee befindet. Nun ist das Challenger vorüber, doch Slany steht jetzt noch eine Woche Arbeit bevor. "Nachbereitung, Organisation", sagt er. Dann fährt er nach Italien. In den Tag hineinleben, die freie Zeit genießen, Radfahren. Wenn er zurückkommt, wird er wieder die Arbeit aufnehmen. Für die nächste Auflage.

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