Tennis:Air Jordan plant sein Vermächtnis

BMW Open - Preview

Bewegungskünstler am Ball: Gaël Monfils, der Air Jordan des Tennis, beim Turnier in München.

(Foto: Getty Images For BMW)
  • Gaël Monfils wird beim Turnier in München sogar beim Training für seine Showeinlagen gefeiert.
  • Für den Turnierveranstalter Michael Mronz ist Monfils "einer der großen Charakterköpfe der Tour".
  • Doch er will mehr sein als ein Showact und arbeitet akribisch für einen großen Titel.

Von Gerald Kleffmann

Gaël Monfils hat noch keinen offiziellen Ball geschlagen, trotzdem hat er schon für umjubelte Momente gesorgt beim ATP-Tennisturnier in München. Im Trainingsmatch mit dem Deutschen Alexander Zverev hat er kess einen Hunderter hingeblättert und eine Wette vorgeschlagen. Natürlich ist dies ein grundsätzlich heikles Thema im Sport. Aber grundsätzlich hält dies Monfils nicht davon ab, Spaß mit einem Einsatz im unverfänglichen Rahmen zu haben. Den Schein musste er im Übrigen bei der sofortigen Gegenwette zurückgeben. Ansonsten fiel er mit Schlägen durch die Beine auf, oder hinter dem Rücken, einmal nahm er den Racketkopf und spielte den Ball mit dem Griff, als halte er einen Baseballschläger. Die Zuschauer haben gelacht, ja, man hätte Eintritt verlangen können. Eine Übungseinheit von Monfils ist wahrscheinlich unterhaltsamer als die Hälfte der Tour-Matches.

Man wird dem Franzosen aus Paris, der in Trélex in der Schweiz lebt, aber nicht gerecht, ihn nur auf Cirque-du-Soleil-Tennis zu reduzieren. Er sieht sich ohnehin mit anderen Augen, auch wenn er weiß, dass seine Athletik und Akrobatik im globalen Tennisgeschäft außergewöhnlich sind. "Ich täusche die Show nicht vor", sagt er vor seinem ersten Match als Topgesetzter der BMW Open am Donnerstag gegen den Südkoreaner Hyeon Chung, es ist nach mehreren Verletzungen das erste seit Mitte März. "Ich gebe mich, wie ich bin", betont er.

Auch für den Münchner Turnierveranstalter Michael Mronz ist Monfils daher "einer der großen Charakterköpfe der Tour". Das Faszinierende an diesem Air Jordan des Tennis ist, dass er sich wohl weiter die Freiheit nehmen wird, im Training über eine Trainingspartnerin zu springen und den Ball aus höchstem Luftstand ins Feld zu brettern. Aber neuerdings nimmt er sich auch die Freiheit, ein richtig ernsthafter Profi zu werden. Im Hintergrund läuft seit längerem eine Art Metamorphose.

Inzwischen hinterfragt er alles: Taktik, Mentales, Technik

Mehr als 13 Millionen Dollar hat Monfils (30) in seinen bisher 13 Jahren als Profi gewonnen, wo er auch auftritt, er ist eine Attraktion. Die Frage ist nur, was von ihm darüber hinaus als Vermächtnis bleibt, und da sind sie gerade in seiner Heimat Frankreich, diesem stolzen Sportland, unbarmherzig. Nur große Titel taugen zur Unsterblichkeit, vielsagend bekennt sich der unfassbar talentierte, aber auch etwas unvollendete Monfils zu einem Traum. Er möchte wenigstens einmal ein Grand-Slam-Turnier gewinnen, speziell: "Ich will die French Open gewinnen!" Yannick Noah kann heute selbst in der Rolle als französischer Davis-Cup-Kapitän manch Skurriles von sich geben, zum Thema Doping hatte er schon exklusive Ansichten - die Menschen verzeihen ihm. Denn Noah hat 1983 als letzter Franzose den Coupe des Mousquetaires in Paris erobert.

Vordergründig mimt Monfils oft genug den Spaßvogel und Lebemann, der er zweifellos ist. In München, so hieß es, habe er sich mit Kollegen eine kleine Feier in einem Szenelokal organisiert. Tiefgründiger betrachtet, arbeitet er konsequenter denn je; Trainer Mikael Tillström gelang es, ihn zu bändigen. Was Faktoren wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit betraf, war Monfils nicht immer Weltmeister. Der Deutsche Jan de Witt, der ihn zuvor betreute, hatte ihn auch deshalb weiterziehen lassen.

Der Begnadete hat nicht mehr viel Zeit

2015 übernahm Tillström: "Er hat mich mehr an das Projekt glauben lassen", gestand Monfils im Januar. In München erklärt er, dass der frühere Profi aus Schweden "meine Sicht auf Tennis verändert" habe. Wie sehr es sich lohnt, sich nicht nur auf geschmeidige, raubtierhafte Bewegungskunst zu verlassen, sondern alle Aspekte zu hinterfragen, Taktik, Mentales, Technik, merkte er 2016: Erstmals qualifizierte er sich für die ATP Finals der besten acht in London.

Der Lohn war sofort da. "Ich bin reifer geworden", gibt er zu, auch, weil er die Zeit dahinschreiten sieht. Profi-Kumpel Jo-Wilfried Tsonga wird Vater, Andy Murray ist es schon, Novak Djokovic wird es wieder - "ich bin nicht mehr 20", sagt Monfils. Er ist tatsächlich an der Schwelle zu einer Phase, in der er nicht mehr so viele Versuche für den großen Wurf haben wird. Und freimütig räumt er ein: Champions wie Murray und Djokovic seien in vielen Dingen "einfach besser, sie treffen etwa die Bälle sauberer". Für einen Begnadeten wie ihn muss daher ab jetzt vieles zusammenkommen.

Dass Monfils seine Rückkehr in München angeht, hat mit einem seiner Sponsoren zu tun, der stark engagiert ist bei dem Event. In den letzten drei Jahren hatte er stets kurzfristig abgesagt. "Das war unglücklich, er war immer verletzt", sagt Turnierdirektor Patrik Kühnen, der umso erleichterter ist, dass Monfils nun da ist. "Er ist einer, der eine ganz besondere Bindung zum Publikum aufbaut", betont Kühnen. Und Lust hat Monfils auch. "Das Wetter ist viel besser als letztes Jahr", sagt er. Da sollte, bei allem Ernst, mancher Trickschlag noch möglich sein.

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