Fed Cup:Als die Tennisspielerinnen noch getrennt frühstückten

Tennis Federation Cup 1992 in Frankfurt Siegerehrung Team Deutschland von links Trainer Claus HOF

Die letzten deutschen Siegerinnen im Fed Cup (von links): Steffi Graf, Anke Huber, Barbara Rittner und Sabine Hack. Ganz links: Trainer Klaus Hofsäss mit dem begehrten Pokal.

(Foto: Sven Simon/imago)
  • Die deutschen Fed-Cup-Frauen um Kerber und Görges spielen gegen Tschechien in Stuttgart um die Endspielteilnahme.
  • Der letzte deutsche Sieg in diesem Mannschaftswettbewerb liegt 26 Jahre zurück.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen im Tennis.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart

Mit Freude denkt Barbara Rittner, 44, an jene besondere Woche im Juli 1992 zurück. Die Musikgruppe Genesis war gerade in Deutschland, mit der We can't dance"-Tour. Kurz gab es die Überlegung, mit einem Hubschrauber zu einem der Konzerte zu fliegen, Mannheim etwa war nicht weit von Frankfurt. "Das hat sich zerschlagen, aber dann hat Steffi uns mit etwas anderem überrascht", sagt Rittner. Eines Abends in jener Woche saßen plötzlich Genesis beim Essen mit am Tisch, Steffi Graf hatte das Treffen organisiert. "Das war unglaublich, wie Mike Rutherford und Phil Collins reinkamen", schildert Rittner. Sie lacht, als könne sie immer noch nicht glauben, dass sie alle das erleben durften.

Aber so war das in jener Woche, als ein Frauenteam des Deutschen Tennis-Bundes letztmals den wichtigsten Mannschaftswettbewerb gewann, den Fed Cup.

Solche Erinnerungen tauchen auf, jetzt, da sich wieder ein DTB-Team aufmacht, die Serie von nun 26 titellosen Jahren zu beenden. Am Samstag und Sonntag kämpfen Julia Görges, Angelique Kerber, Anna-Lena Grönefeld und Tatjana Maria in Stuttgart gegen Tschechien um den Finaleinzug. Tschechien wird zwar weniger Unterstützung genießen, war in den letzten sieben Jahren mit fünf Triumphen aber das dominierende Team und tritt in den vier Einzeln an mit der zweimaligen Wimbledon-Siegerin Petra Kvitova (am Samstag ab 12 Uhr gegen Görges) und der kurzzeitigen Nummer eins Karolina Pliskova (am Samstag gegen Kerber); am Sonntag finden die Einzel dann ab 11 Uhr überkreuz statt, also Kvitova - Kerber und Pliskova - Görges.

Angesichts der Fülle an Spitzenkräften, die die Deutschen oft stellten, überrascht es, dass die DTB-Frauen seit 1992 nur ein Finale erreichten, das sie 2014 in Prag gegen Tschechien verloren. Und dass sie mehrmals abgestiegen sind und sich in die Weltgruppe zurückarbeiten mussten. Wie besonders das Wochenende werden könnte, verdeutlicht ein weiterer Fakt: Es ist das erste Halbfinal-Heimspiel für die Deutschen seit 24 Jahren. Selbstverständlich ist die Halle fast ausverkauft. "Deutsche Turniere funktionieren immer noch", sagt Anke Huber.

Die 43-Jährige bildete 1992 mit Steffi Graf und Barbara Rittner jene Auswahl, die den Pokal gewann. Heute ist Huber als Sportliche Leiterin beim Porsche Tennis Grand Prix tätig, dem wichtigsten deutschen Frauenturnier, das nach dem Fed-Cup-Duell in Stuttgart ausgetragen wird. Einerseits hat Huber den Fed-Cup-Triumph als eine ihrer erfreulichsten Leistungen abgespeichert. Andererseits weiß sie, dass es ungerecht wäre, den Sieg damals als Maßstab für die heutigen Vertreterinnen zu werten: "Es waren andere Zeiten."

Das fing beim Format an. In den Neunzigerjahren wurde der Fed Cup binnen einer Woche ausgetragen, mit 32 Nationen, und nicht wie heute an drei Wochenenden im Jahr, mit Viertelfinale, dann Halbfinale, dann Finale. Statt vier Einzeln und einem Doppel gab es nur zwei Einzel und ein Doppel. Huber besiegte im Finale die Spanierin Conchita Martínez 6:3, 6:7, 6:1, nach Grafs Erfolg gegen Arantxa Sánchez Vicario (6:4, 6:2) war die Doppelniederlage von Huber/Rittner gegen Martínez/Sánchez Vicario (1:6, 2:6) bedeutungslos.

1992 feierte das Team den Sieg auf dem Frankfurter Römer

"Damals herrschte ein landesweiter Tennisboom", erinnert sich Anke Huber, "es war ja die Zeit, als Boris Becker, Steffi, Michael Stich Grand Slams gewannen." Graf war die Überfliegerin, Huber das neue Sternchen, Rittner, gerade Champion in Wimbledon bei den Juniorinnen geworden, galt auch als großes Talent. Wahrscheinlich würden Kerber, Görges & Co. - sollten sie in diesem Jahr den Pokal holen - nicht vom Frankfurter Römer (oder einem anderen Rathausbalkon) herab die Anhänger grüßen, seinerzeit war das so. Wobei Huber auch mit gewissem Schmunzeln an jenen Erfolg zurückdenkt. Das Team war weit weniger ein Team als heute. "Heute wird mehr zusammengehalten", sagt sie.

Längst beinhaltet der moderne Mannschaftssport, dass Vorbereitungszeiten wie Projektwochen daherkommen, samt teamgeistbildenden Maßnahmen. Es wird zusammen trainiert, es werden Filmabende organisiert, Ausflüge. In Stuttgart waren die Spielerinnen gemeinsam joggen, inklusive obligatorischem Gruppenselfie.

Es lagt schon fast ein Fluch über der deutschen Mannschaft

1992? Wäre das meiste undenkbar gewesen, zumindest bei den Deutschen. "Jeder hat eher sein eigenes Ding gemacht und allein mit dem eigenen Trainer trainiert", sagt Huber: "Steffi war es gewohnt, sich auf sich zu fokussieren, ich war ja extrem jung und habe zu ihr aufgeschaut." So habe sie sich ähnlich verhalten. Abends gab es schon ein Essen zusammen, nicht nur mit Genesis, "aber wir haben getrennt gefrühstückt". Huber ist die Realistin geblieben, sie will die Abläufe nicht verurteilen: "So war es eben." Wenngleich sie wünschte, sie hätte den Erfolg mehr würdigen können. Mit gerade 17 Jahren wurde sie von ihm quasi überrollt. "Ich habe das alles gar nicht richtig realisieren können", gibt Huber zu, die vier Jahre später, 1996, im Finale der Australian Open stand und die Nummer vier der Welt war.

Dass es früher aber auch schon keine Titelgarantie war, einfach nur eine Könnerin wie Graf im Team zu haben, zeigte das Jahr 1993. Graf, damals an der Schulter angeschlagen, verlor überraschend gegen die Australierin Nicole Provis, und Huber/Rittner scheiterten im entscheidenden Doppel, die Titelverteidigerinnen waren damit ausgeschieden. Durch das später folgende neue Format intensivierte sich sogar noch die Abhängigkeit von fitten Spielerinnen, "wir konnten oft nicht aus dem Vollen schöpfen", sagt Rittner, die bis zum vergangenen Sommer 13 Jahre lang Fed-Cup-Teamchefin war, ehe ihr nun der Stuttgarter Jens Gerlach, 44, folgte.

Nie waren alle gemeinsam fit

Kerber, Görges, Andrea Petkovic, Sabine Lisicki galten zwar als goldene Generation, aber immer wieder fehlte die eine oder andere verletzt, es war fast ein Fluch. Was möglich gewesen wäre, wenn mal alle gemeinsam an den drei Wochenenden in einer Saison fit gewesen wären, beschäftigt Rittner nicht, "darüber denke ich nicht nach". Sie kennt die Faktenlage.

Rittner, nun in der Funktion als Head of Women's Tennis des Deutschen Tennis-Bundes, wird wie Huber in der Halle mitfiebern, die beiden Zeitzeuginnen hätten nichts dagegen, wenn sie als letzte deutsche Fed-Cup-Gewinnerinnen endlich einmal abgelöst würden. "Aber es wird schwer", sagt Huber, "es muss einfach alles passen, und manchmal muss man auch ein bisschen Glück haben."

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