Am Dienstag hat der FC Bayern die nächste Mitteilung verschickt, deren Inhalt in groben Zügen schon vorher bekannt war. Dass Mathys Tel nach München wechselt, das wusste man spätestens von den Bildern vom Vortag, die ihn auf dem Weg zur Untersuchung im Krankenhaus Barmherzige Brüder zeigten, dem wohl berühmtesten Krankenhaus dieser Sommer-Transferperiode - wegen all der Zugänge des deutschen Rekordmeisters, die dort ihre Gesundheit überprüfen ließen, bevor sie an der Säbener Straße einen Vertrag unterschrieben.
Tel, 17, seit der vergangenen Saison der jüngste Ligaspieler der Geschichte des französischen Klubs Stade Rennes, ist nach Noussair Mazraoui und Ryan Gravenberch, Sadio Mané und Matthijs de Ligt der fünfte neue Bayern-Profi für die kommende Saison. Er kostet angeblich bis zu 28,5 Millionen Euro Ablöse, unterschrieb nach eigener Auskunft einen Dreijahresvertrag und soll eines Tages 40 Saisontore schießen - von dieser "Vision" hat jedenfalls Julian Nagelsmann am vergangenen Wochenende berichtet. Erst mal, gab er zu verstehen, würden aber auch zehn Tore reichen. Tel sei "eines der größten Talente in Europa", so ließ sich Sportvorstand Hasan Salihamidzic zitieren.
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Was der junge Franzose allerdings nicht sein soll, ist ein "1:1-Ersatz" (Nagelsmann) für Robert Lewandowski, den zum FC Barcelona gewechselten Weltfußballer. Tel sei laut Salihamidzic vielmehr "ein sehr schneller, technisch starker und vielseitiger Stürmer". Damit wäre er ein ähnlicher Spielertyp wie die anderen Angreifer des Klubs. Ein klassischer Strafraumstürmer wie Lewandowski ist gerade eher nicht dabei, zumindest in der Startelf.
Dass sich der Fußball des FC Bayern ohne Lewandowski verändern wird, das deuteten schon die ersten beiden Testspiele während der USA-Tour an. Nagelsmann stellte sowohl beim 6:2 gegen DC United als auch beim 0:1 gegen Manchester City eine Doppelspitze auf; einmal spielte im Sturm Serge Gnabry mit Sadio Mané zusammen, einmal mit Thomas Müller. Zum ersten Mal seit vielen Jahren beginnt der FC Bayern eine Saison also ohne sogenannte echte Neun in der ersten Elf.
In der Ahnengalerie der Münchner Neuner von Gerd Müller bis Lewandowski hat Sandro Wagner zwar nicht den prominentesten Platz, aber immerhin war er als Spieler aus der vereinseigenen Jugend ein Jahr Edelreservist hinter Lewandowski, von 2018 bis 2019. Was der ehemalige Nationalspieler zum Fußball des FC Bayern zu sagen hat, ist aber auch deshalb interessant, weil er inzwischen selbst Trainer ist, beim Regionalligisten Unterhaching - und weil er Nagelsmann seit der gemeinsamen Zeit bei der TSG Hoffenheim kennt. Wagner sagt: "Ich glaube, Julian Nagelsmann ist gar nicht so traurig, dass der große Stoßstürmer weg ist." Denn: "Er möchte generell variabel und mit vielen schnellen, variablen Spielern spielen."
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Wagner, 34, ist im Nebenjob Experte für den Streamingsender Dazn, dort ist unter anderem Michael Ballack, 45, sein Kollege. Gemeinsam saßen die beiden am Dienstag in einem Restaurant am Münchner Volkstheater, Dazn hatte zu einer Medienrunde eingeladen. Und natürlich sprachen die zwei ehemaligen Fußballer des FC Bayern dann auch über den neuen Kader des FC Bayern. Auf dem Papier seien die Abgänge kompensiert worden, sagte Ballack. Wagner war etwas vorsichtiger.
Wagner sieht die stärkere Abwehr beim BVB
In Hoffenheim, wo er von 2016 bis 2018 spielte, war er nicht nur Stürmer unter Nagelsmann, sondern auch ein Mitspieler von Verteidiger Niklas Süle, der 2017 als junger Nationalspieler nach München wechselte. Dass die Bayern Süle in diesem Sommer ablösefrei nach Dortmund ziehen ließen und für 67 Millionen Euro den Niederländer de Ligt von Juventus Turin verpflichteten, hat Wagner erstaunt. Er sagte: "Ich sehe das nicht als unmittelbare Verbesserung - zumindest wenn es wirklich so gewesen sein sollte, dass Süle für etwas mehr Geld geblieben wäre." Die beste Innenverteidigung der Bundesliga hat seiner Meinung nach künftig der BVB, mit Süle, dem aus Freiburg verpflichteten Nico Schlotterbeck und Mats Hummels. "Vor allem in der Spieleröffnung" sieht er Vorteile vor Dayot Upamecano, Lucas Hernández und de Ligt.
Für die Bayern-Abwehr nennt Wagner den ablösefrei von Ajax Amsterdam verpflichteten Mazraoui einen "Sensationstransfer", der die Münchner Offensivprobleme auf der Rechtsverteidigerposition beheben könne. Und vorne? "Mané ist ein großer Name, ein toller Spieler für die Bundesliga, aber Bayern hatte eigentlich auf den Dribbler-Positionen nicht den ganz großen Bedarf." Durch den Abschied von Lewandowski habe sich die Situation geändert. Mit einer Umstellung des Systems, "auf eines ohne Stoßstürmer", sei der Transfer sinnvoll.
Schon in Hoffenheim und Leipzig spielte Nagelsmann oft mit Doppelspitze
Liefen die Münchner in den vergangenen Jahren meist in einer auf Lewandowski zugeschnittenen 4-2-3-1-Grundordnung mit zwei Flügelstürmern auf, ist in der kommenden Saison vieles denkbar. Nagelsmann experimentierte schon in der Vorsaison häufig mit einer Dreierkette in der Abwehr und nur jeweils einem Flügelspieler auf jeder Seite. Schon in Hoffenheim stellte er oft im 3-5-2 auf, was auch nun als eine Möglichkeit gilt. Für Wagner ist die wahrscheinlichste Option ein 4-2-2-2, wie man es aus Nagelsmanns Vergangenheit bei RB Leipzig kennt: Vor einer Viererkette zwei defensive und zwei offensive Mittelfeldspieler sowie zwei Stürmer.
"Es wird ein neues Bayern München", das hat Nagelsmann auf der Tour durch die USA verkündet. Ob es ein auf höchstem Level erfolgreiches Bayern München wird, das werde man laut Wagner erst im nächsten Frühjahr sehen, in den wichtigen Spielen in der Champions League. Er drückte es so aus: "Wenn nicht Werder Bremen presst, sondern Liverpool. Dann kann dir prinzipiell ein großer Stürmer helfen."
Wagner, der 1,94 Meter große ehemalige Stürmer, sagte: "Ich bin gespannt und ein Stück weit skeptisch." Allerdings, fügte er hinzu, würde er "natürlich nicht ausschließen, dass das funktionieren kann, gerade mit diesen Offensivspielern und bei diesem Trainer."