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Techniktrainer der deutschen Ski-Frauen:Ein Eck vom Kristall

Bei der Ski-WM in Schladming beginnen nun die Tage der Techniker, und damit auch die Tage von Christian Schwaiger: Er ist der Trainer der deutschen Torläuferinnen. Sollte eine von ihnen eine Medaille gewinnen, müsste sie eigentlich für Schwaiger ein Stück abbrechen. Er ist die wichtigste Bezugsperson der Ski-Frauen - noch.

Von Michael Neudecker, Schladming

Viktoria Rebensburg ist eine Frau, Lena Dürr ebenfalls, Maria Höfl-Riesch sowieso. Christian Schwaiger wiederum ist ein Mann, er trägt Dreitagebart und hat ein markantes Kinn, er sagt: Er mache sich keine Sorgen wegen Donnerstag, die Mädchen seien gut drauf, und das ist nun wichtig zu wissen. An diesem Donnerstag nehmen Viktoria Rebensburg, Lena Dürr und Maria Höfl-Riesch am Riesenslalom der Frauen bei der Ski-WM in Schladming teil, es ist das einzige Frauenrennen, das in diesen zwei Wochen in Schladming auf der Männerpiste stattfindet.

Die Rennpisten auf der Planai sind anspruchsvoll, vor allem sind sie eisig, wenn auch gerne darauf hingewiesen wird, dass eisig nicht gleich eisig sei. Eis ist glatt, das in jedem Fall, aber es ist je nach Wetterverhältnissen mal mehr und mal weniger glatt, mal mehr und mal weniger ruppig. Die Männerpiste auf der Planai, sagen sie in Schladming, sei an manchen Tagen so glatt, dass man sich drin spiegeln kann.

Die Deutschen haben deshalb extra schweres Spritzgerät nach Haus mitgebracht, einem Ort bei Schladming, wo die Deutschen während der WM wohnen und trainieren. Vor den Trainingseinheiten gehen Christian Schwaiger und seine Kollegen immer wieder mit dem Wasserbalken über die Übungspiste am Hauser Kaibling, damit sie ähnlich eisig wird wie der Berg in Schladming. Ob das was nützt? Ein bisschen bestimmt, sagt Schwaiger, aber im Grunde ist das nicht die richtige Fragestellung. Die Frage muss eher lauten, ob das eine Rolle spielt. "So ein Rennen auf so einer Piste spielt sich vor allem im Kopf ab", sagt Christian Schwaiger.

Nicht nur ein guter Techniker

Schwaiger, 44, Österreicher, war mal Skiprofi in Amerika und in Japan, von 1998 bis 2006 war er Cheftrainer des britischen Skiteams, seit 2006 ist er beim Deutschen Skiverband angestellt. Er ist der leitende Techniktrainer der deutschen Skirennfahrerinnen, er ist vor allem für ihre Skitechnik zuständig, und er hat den Ruf, ein guter Techniklehrer zu sein, aber eben nicht nur das: Christian Schwaiger weiß auch, wie man mit dem Kopf einer Skirennfahrerin umgeht. Mit dem Sturschädel von Viktoria Rebensburg ebenso wie dem aufnahmewilligen Kopf von Lena Dürr oder, und das vor allem, dem Kopf von Maria Höfl-Riesch.

Kann sein, dass Viktoria Rebensburg eine Medaille gewinnt am Donnerstag, sie ist die Olympiasiegerin im Riesenslalom, und obwohl sie bislang eine Saison mit Höhen und Tiefen hatte, zählt sie unverändert zu den Besten ihres Sports. Maria Höfl-Riesch ist zwar im Riesenslalom keine Favoritin, der Riesenslalom ist die einzige Disziplin, in der sie noch nie ein Rennen gewonnen hat, aber das muss nicht heißen, dass sie nicht auch eine Medaille holen kann. "Die Maria ist jetzt richtig gut drauf", sagt Schwaiger, nach ihren zwei Einzelmedaillen und der Team-Medaille bislang sei bei ihr "die Last weg". So oder so, wenn Rebensburg, Höfl-Riesch oder sogar eine der beiden jungen Lena Dürr und Veronique Hronek am Donnerstag eine Medaille umgehängt bekommen, müssten sie von der Medaille in Kristallform eigentlich ein Eck abbrechen, für Schwaiger.

Schwaiger ist der wichtigste Mann im Team der deutschen Technikerinnen und für viele die wichtigste Bezugsperson. Über die Jahre hat sich zu manchen Athletinnen sogar eine Freundschaft entwickelt, mit der immer noch kranken Kathrin Hölzl telefoniert er jede Woche, Hölzl will mit ihm die Skirennen analysieren, die sie am Fernseher verfolgt. Und wie wichtig Schwaiger für Maria Höfl-Riesch ist, das hat die beste deutsche Skirennfahrerin der vergangenen Jahre öfter als einmal gesagt. Es gibt Momente, in denen man miterleben kann, wie wichtig. Zum Beispiel neulich, als Schwaiger unten stand, am Hauser Kaibling, als oben gerade das Training lief; Schwaiger unterhielt sich, dann unterbrach er, weil Maria Höfl-Riesch fuhr, und bald darauf kam Maria Höfl-Riesch zu ihm. Ob er sie gesehen habe, hm? Ja, sagte Schwaiger, habe er. Und, wie es gewesen sei, sag'? Gut, sagte Schwaiger, alles gut. Gut, sagte Höfl-Riesch, also dann, sehen wir uns gleich beim Mittagessen.

Sein Traum? Nochmal zu den Männern

Am selben Tag ist Viktoria Rebensburg im Training gestürzt, danach sei sie ein bisschen verunsichert gewesen, sagt Schwaiger. Er hat sofort auf der Piste mit ihr geredet, am Abend noch mal. Ob das geholfen habe? "Passt schon", sagt Schwaiger, er redet nicht gern über solche Sachen, er mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen.

In letzter Zeit hat Schwaiger immer wieder Angebote anderer Nationen bekommen, die Österreicher wollten ihn vor zwei Jahren, aber Schwaiger hat dann noch mal beim DSV verlängert, bis Olympia 2014 in Sotschi. Und dann? "Mal schau'n", sagt Schwaiger, "irgendwann will ich noch mal zu den Männern." Abfahrtstrainer, das würde ihn reizen; kann sein, dass er den allgemeinen Schnitt, den das Ende eines olympischen Zyklus oft mit sich bringt, nutzt. Maria Höfl-Riesch etwa hat schon häufig angedeutet, dass sie überlegt, nach Sotschi aufzuhören, möglich, dass auch Schwaiger dann geht. Zurück, nach Österreich? "Muss nicht unbedingt sein", sagt Schwaiger, "ich bin gern im Ausland."

Was nicht heißen soll, dass er nicht gern zuhause ist, in Hinterreit, er kann von seinem Balkon die Piste sehen, auf der im Winter die Weltelite trainiert. Er hat einen Sohn und eine Tochter, die er wegen seines Reiseaufkommens selten sieht, wobei das, was die Tochter angeht, nicht nur seine Schuld ist: Julia Schwaiger ist ja auch dauernd unterwegs, sie ist ÖSV-Kaderathletin, vor kurzem war sie bei der Junioren-WM.

Julia Schwaiger gilt als Talent, aber mit Christian Schwaiger hat das nichts zu tun: Sie ist Biathletin.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2013/jasch
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