Süddeutsche Zeitung

Tennis Borussia Berlin:Liebesentzug und ein Putsch-Vorwurf

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Von Kevin Frese

Für manche ging es um nicht mehr als die lila-weiße Seele von Tennis Borussia Berlin. Der Klub aus dem Mommsenstadion, in den 70ern zweimal Erstligist, er schien zu zerfallen zwischen Werten und Kommerz, zwischen Fans und Investor. Alles begann vor drei Jahren: Da übernahm ein 38 Jahre alter Unternehmer den chronisch klammen Verein, den er der B.Z. nach als "Sanierungsfall" bezeichnete. Sein Name: Jens Redlich, Eigentümer der Fitnessstudiokette Crunch Fit. 2,8 Millionen Euro investierte er eigenen Angaben zufolge in die Borussia aus Berlin. Ein Grund zur Freude, mag man meinen - wenn Geld Qualitätszuwachs bedeutet und dieser die Wahrscheinlichkeit für sportlichen Erfolg erhöht.

Doch die aktive Fanszene beäugte den Investor von Beginn an kritisch, es hieß, er habe einen autoritären Führungsstil. Fanbemühungen um eine Gedenktafel für die in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Mitglieder des Vereins wurden abgelehnt, ein Saisoneröffnungsfest als Akt des Entgegenkommens erfreute sich nur wenig Beliebtheit. Redlich machte daraufhin seinem Ärger Luft im Internetforum des TeBe. "Der Verein braucht euch nicht", war dort zu lesen. Die Sache eskalierte dann endgültig auf einer Mitgliederversammlung zu Beginn des Jahres.

Neue in den Verein eingetretene Mitglieder sollen Redlich Stimmen beschafft haben, mit denen er seine favorisierten Aufsichtsratsmitglieder durchgeboxt habe. In der Folge geriet das anfängliche Unbehagen der Fans am Vorsitzenden außer Kontrolle - und mündete schließlich in Spiele-Boykotte ihres Herzensvereins. Ihrer Heimat beraubt, unterstützte ein Teil der aktiven Fanszene fortan unter dem Namen "Caravan of Love" andere Klubs in deren Heimstätten. So feuerte der hartgesottene Kern etwa Kreisligisten wie die SG Blau-Weiß Friedrichshain oder den Wiesbadener SC Tennis Borussia Rambach, aber auch Roter Stern Leipzig aus der Landesliga Nord an. Höhepunkt der Liebeskarawane bildete zu dieser Zeit ein von ihr organisiertes alternatives Landespokalfinale, das den Stempel "Finale of Love" trug - eine Partie zwischen Allstar-Teams des TeBe und einer Auswahl anderer Vereine.

Verwirrende Zustände

Im Juli dann der nächste Paukenschlag: In einer offiziellen Mitteilung des Vereins hieß es, Günter Brombosch und Steffen Friede hätten den Vorstand übernommen, Redlich sei zurückgetreten. Der hingegen meldet sich noch am gleichen Tag zurück und spricht von einem "Putschversuch". Der neue Vorstand sagt, Redlich habe bereits im November vergangenen Jahres eigenmächtig seinen Rücktritt per Mail erklärt. Diese Erklärung liege schriftlich vor und sei "von Anwälten, Notar und Amtsgericht als wirksam erachtet" worden. Der Aufsichtsrat habe daher einen neuen Vorstand bestellen müssen, um den Geschäftsbetrieb zu gewährleisten. Nur zwei Tage nach seiner Mail ruderte Redlich plötzlich zurück und verkündete seinen Rücktritt vom Rücktritt, den die jetzige Führung von Tennis Borussia anficht, für rechtmäßig ungültig hält. Doch Redlich sieht sich weiter als Chef des Klubs.

Das führt zu verwirrenden Zuständen: So rätseln die neuen Verantwortlichen derzeit etwa über eine Finanztransaktion. Demnach sind wohl 22 000 Euro geflossen - hin zum Hauptsponsor Crunch Fit, weg von TeBe. Bizarrerweise geht es um ein Konto, das für Mitgliedsbeiträge und Spenden reserviert ist. Redlich sagte dem Tagesspiegel, es handle sich um eine Differenzsumme von Sponsorengeldern inklusive Mehrwertsteuer. Pro Jahr seien vertraglich 80 000 Euro festgehalten. TeBe habe Crunch Fit nach veralteter Vereinbarung allerdings fälschlicherweise 100 000 Euro in Rechnung gestellt. Mit den anderen Streitereien im Verein habe dies nichts zu tun, so Redlich.

Die spitzen sich derweil immer weiter zu. Gab es seitens der neuen TeBe-Führung zunächst noch das Angebot eines Schlichtgesprächs - das Redlich jedoch ignorierte - geht der Fall nun am 11. September vors Amtsgericht. Leander Günsberg, der für den neuen TeBe-Vorstand spricht, bestätigte den Termin auf SZ-Anfrage. Derzeit prüfe man die eingegangenen Unterlagen "und berät sich mit den Anwälten". Für weiteren Zündstoff im Machtgehabe um den Vorsitz sorgt parallel dazu ein Schreiben, das Redlich kurz vor dem ersten Heimspiel der Tennis Borussia gegen den FC Straußberg erreichte. Darin wird er aufgefordert, sich nicht mehr als Vorstandsvorsitzenden zu bezeichnen und den Innenraum des Teams, also Kabine und Spielfeld, zu meiden. Stattdessen solle er sich "ausschließlich im Zuschauer- und Sponsorenbereich aufhalten".

Der Unternehmer gibt sich trotz der Fehden gegen ihn kämpferisch und hofft auf eine Klärung der Angelegenheit im Eilverfahren, da ein denkbar längerer Gerichtsprozess seiner Ansicht nach dem Verein schade. "Wir werden Erfolg haben. Am Ende müssen wir aber schauen, dass die Reputation des Vereins nicht völlig im negativen Licht steht", sagte Redlich. Den 5:0-Erfolg gegen Straußberg feierte er gemeinsam mit der Mannschaft auf dem Spielfeld - und ignorierte damit das verhängte Innenraumverbot. "Es ist vertraglich so festgehalten, dass ich während des Spiels vollen Zutritt zur Mannschaft habe. Das war auch schon vor meiner Zeit als Vorstandsvorsitzender so, deswegen liegt das überhaupt nicht in meinem Interesse", so der 38-Jährige.

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