Teamrivalen in der Formel 1:Der Feind im eigenen Team

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Teamkollegen und doch Konkurrenten: Lewis Hamilton (links) und Nico Rosberg.

(Foto: AP)
  • Nico Rosberg fährt seinem Teamkollen Lewis Hamilton nur noch hinterher.
  • Aus der Historie großer Grand-Prix-Duelle kann er lernen, wie er damit umgehen muss.
  • Hier geht es zum Liveticker zum Großen Preis von Bahrain.

Von René Hofmann

Die Formel-1-Saison 2015 hat für Nico Rosberg am 25. November 2014 begonnen. Zwei Tage nach dem letzten Rennen des vergangenen Jahres saß der 29-Jährige wieder in seinem Formel-1-Mercedes. Auf dem Yas Marina Circuit in Abu Dhabi, auf dem sein Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton ihn den Titel weggeschnappt hatte und zum zweiten Mal zum Champion gekürt worden war, fanden Testfahrten statt. "Lust habe ich dazu jetzt nicht", erklärte Rosberg damals, "aber ich mache das, weil man immer ein bisschen was lernen kann. Da ist jede Runde wichtig." An dem Testtag drehte er dann 114 Runden, das entsprach mehr als zwei Renndistanzen. Fleißiger war keiner.

Um die Gegenwart zu verstehen, hilft es, die Geschichte zu kennen - auch im Sport ist das so. Nach dem jüngsten Formel-1-Rennen am vergangenen Sonntag in Shanghai war Rosberg sauer. Er war sauer auf Hamilton. Der Deutsche unterstellte dem Briten, dieser habe absichtlich getrödelt, um ihn in Bedrängnis zu bringen und so um die Siegchance. "Unnötig", "bin ärgerlich", "interessant, dass du nur an dein Rennen denkst":

Das waren die Vokabeln, die der zweitplatzierte Rosberg dem Sieger entgegen schleuderte, als ihre Overalls noch nach Champagner rochen. Auch wenn er die Aussagen nach der Teambesprechung abschwächte - sein Ausbruch blieb das Formel-1-Gesprächsthema der Woche.

Experten kritisieren Rosbergs Klagen

Nico Hülkenberg zeigte Verständnis: "Ich sehe kein Problem darin, wenn er seine Meinung äußert", sagte der Force-India-Pilot. Jenson Button widersprach. "Das ist keine gute Taktik", fand der McLaren-Routinier und prophezeite: "Das wird Hamilton nur noch stärker machen." Sky-Experte Marc Surer wurde noch deutlicher: "Sowas habe ich noch nie gehört. Ein Fahrer beklagt sich darüber, dass ein anderer Fahrer vor ihm zu langsam fährt. Wenn jemand langsam fährt, kann man ihn überholen, aber Rosberg hat es nicht mal versucht. Das ist einfach lächerlich." Hamilton selbst konterte: "Das ist eben der Unterschied zwischen uns. Ich will immer gewinnen." Und weiter: "Ich habe immer gesagt, dass er mental stark ist. Aber ich denke, dass ich dieses Jahr stärker bin."

Vor dem vierten Saisonrennen, das am Sonntag um 17 Uhr (MEZ) in Bahrain gestartet wird, führt Hamilton das Klassement mit 68 Punkten an. Rosberg ist mit 51 Zählern Dritter: Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel (55 Punkte) hat sich zwischen die beiden geschoben. Damit hat 2015 so begonnen, wie 2014 endete: Damals hatte Hamilton den Titel mit einer Serie von sechs Siegen in den letzten sieben Rennen an sich gerissen. Jetzt blieb er gleich wieder dreimal vor Rosberg. Der muss deshalb aufpassen: Wenn er sein großes Ziel, wie sein Vater Keke mindestens einmal Weltmeister zu werden, nicht aus den Augen verlieren will, dann muss er kontern, Hamiltons Lauf brechen, das Duell endlich wieder einmal zu seinen Gunsten entscheiden.

Als Nelson Piquet das Toilettenpapier verschwinden ließ

Mann gegen Mann, Frau gegen Frau: Das direkte Gegeneinander bietet im Sport stets besondere Reize. Manch einem hilft ein Feindbild, andere hemmt die Reibungshitze. Claudia Pechstein gegen Anni Friesinger im Eisschnelllauf, das war so ein Duell. Die Boxer Muhammad Ali und Joe Frazier rankten sich aneinander empor, die Tennisprofis John McEnroe und Björn Borg ebenso.

Was beim Duell zwischen Rosberg und Hamilton auffällt: Seit die beiden im August in Spa kollidierten, Hamilton ausfiel, Rosberg bei der Siegerehrung als vermeintlich Schuldiger ausgepfiffen wurde, anschließend von der Teamführung für den Unfall an den Pranger gestellt wurde und die Schuld für die Berührung öffentlich auf sich nahm, hat Hamilton acht Siege gefeiert, Rosberg nur einen. Es sieht so aus, als beflügele der zugespitzte Konflikt den Briten deutlich mehr - auch am Samstag im Qualifying war das so, Hamilton gewann überlegen vor Sebastian Vettel, Rosberg startet am Sonntag in Bahrain nur von Platz drei.

Als Piquet das Toilettenpapier verschwinden ließ

Ein Gegeneinander mit allen Mitteln: Unter Teamkollegen hat es das schon öfter gegeben. 1986 duellierten sich bei Williams der Brasilianer Nelson Piquet und der Brite Nigel Mansell. Beide hatten Titelchancen - und um seine zu maximieren, griff Piquet zum Äußersten. Als Mansell Durchfall hatte, ließ er das Klopapier verschwinden. Er streute das Wort, Mansells Frau sei "hässlich". Bei einem Rennen hörte Piquet Mansells Funk mit - und als dieser sich zum Reifenwechsel anmeldete, schnappte Piquet sich den bereitliegenden Satz Pneus. Am Ende der Saison triumphierten dann weder er noch Mansell - Weltmeister wurde McLaren-Mann Alain Prost, was Piquet mit dem Satz kommentierte: "Wenigstens ist Prost Weltmeister geworden und nicht dieser andere."

Er oder ich: Nicht immer gewannen die Favoriten, wenn es auf diese Frage hinauslief. 1984 rang Niki Lauda im McLaren-Duell mit Cleverness Alain Prost um einen halben Punkt nieder. Fünf Jahre später war der Franzose mit den gleichen Mitteln gegen den an sich schnelleren Ayrton Senna erfolgreich. Was Prost und Senna auszeichnete: Sie ließen sich durch die Niederlagen nicht demotivieren. Für sie war sie Ansporn, besser zu werden. Beide holten später noch Titel.

Die Motorsport-Historie bietet aber auch andere Beispiele: Mark Webber hatte 2010 zeitweise deutlich bessere Titelchancen als sein Red-Bull-Kollege Sebastian Vettel. Er vergab sie. Und anschließend wurde er von Sebastian Vettel regelmäßig abgehängt. Gerhard Berger wechselte 1990 voller Zuversicht und Selbstvertrauen zu McLaren, um sich mit Ayrton Senna zu messen. Zunächst sah es auch gut aus. Im ersten Rennen eroberte Berger gleich die Pole-Position. Danach aber sah der Österreicher gegen den Brasilianer kaum noch Land. Die beiden wurden zwar Freunde, Bergers Titelträume aber zerstoben.

In welche Richtung Rosbergs Karriere steuert, werden die nächsten Rennen weisen. Als Vorbereitung auf den Bahrain-Grand-Prix 2015 hat Rosberg sich den Bahrain-Grand-Prix 2014 noch einmal angesehen. Damals jagten er und Hamilton sich Runden lang. Sie jagten sich, bis die Reifen qualmten. Am Ende erntete Hamilton den Triumph - weil er entschlossener war. Das soll sich nun ändern. "Ich muss mich im Zweikampf verbessern", hat Rosberg erkannt. Hamilton will zu dem weiteren Gegeneinander lieber nichts mehr sagen. Er bevorzuge es, die Antworten auf der Strecke zu geben, hat er in Bahrain wissen lassen.

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