Tarifstreit im US-Profi-Basketball:Furcht vor dem Saisonausfall

Der Tarifstreit zwischen NBA-Profis und Teambesitzern eskaliert: Jetzt wollen die Spieler eine Handelsgesellschaft gründen, um gerichtlich gegen die Liga vorgehen zu können. Die Verhandlungspartner schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Möglicherweise fällt nun die komplette Saison aus - ein Szenario, das für beide Seiten schwere Folgen haben könnte.

Joachim Mölter

Wer David Stern ein bisschen kennt, weiß, dass er immer um Ausgleich bemüht ist und seine Worte so ausgewogen wählt wie ein Diplomat. Der 69-Jährige aus New York ist Anwalt von Beruf und seit 27 Jahren in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA der Commissioner, der Generalbevollmächtigte. Er hat die Liga einst aus ihrer schwersten Krise geführt, in die sie während der siebziger Jahre wegen allerlei Drogen- und Sexskandalen getaumelt war, und zu einem weltweit florierenden Unternehmen gemacht. Nun sieht es so aus, als führe er es wieder in eine Krise hinein. "Wir steuern mit der NBA einem nuklearen Winter entgegen", sagte er am Montagnachmittag.

NBA players association rejects owner's offer to end lockout

Konnten mit den Teambesitzern nicht klären, wie die Einnahmen von etwa vier Milliarden Dollar in Zukunft aufgeteilt werden sollen: Gewerkschaftspräsident Derek Fischer (li.) und Geschäftsführer Billy Hunter.

(Foto: dpa)

Aus Sterns ungewohnt drastischer Wortwahl sprach die Enttäuschung darüber, dass die Spielergewerkschaft im Tarifstreit mit der Liga kurz zuvor sein letztes Angebot abgelehnt hatte. Und nicht nur das: Gleichzeitig hatte die Gewerkschaft so etwas wie eine Atombombe gezündet und sich selbst in die Luft gejagt.

Nachdem die Delegierten der 30 NBA-Teams in einem New Yorker Hotel drei Stunden lang über das Tarifangebot beraten hatten, entschieden sie einstimmig, ihre Gewerkschaft aufzulösen, und sich stattdessen in einer Handelsgesellschaft zu organisieren. Das hat den Vorteil, dass die rund 430 Basketball-Profis kartellrechtlich gegen die NBA vorgehen könnten, die ihre Angestellten seit dem 1. Juli ausgesperrt hat; zu diesem Datum lief der alte Tarifvertrag aus. "Nur so haben wir eine Chance auf ein gerechtes Verfahren", findet Billy Hunter, der Geschäftsführer der noch bestehenden Gewerkschaft.

Der juristische Winkelzug hat freilich auch einen Nachteil: Gerichtsprozesse ziehen sich erfahrungsgemäß monatelang hin bis zu einem Urteil; die NBA-Saison, deren Start sowieso schon um einen Monat verschoben worden ist, wäre kaum noch zu retten.

Noch scheut David Stern davor zurück, den Ernstfall auszurufen und die gesamte Saison 2011/2012 abzusagen - was ein Novum wäre in den 65 Jahren des NBA-Bestehens. Schließlich müssen erst mal mindestens 30 Prozent der Spieler zustimmen, die Gewerkschaft aufzulösen, was nach Hunters Ansicht aber noch in dieser Woche bewerkstelligt sein soll.

Zudem wäre es auch während einer laufenden Klage noch möglich zu verhandeln und zumindest einen Großteil der Saison zu spielen, so wie vor 13 Jahren beim bisher einzigen Arbeitskampf in der NBA. Damals begann die Saison erst im Februar und umfasste noch 50 Punktspiele (statt der üblichen 82). Sterns Angebot vom vorigen Freitag sah vor, am 15. Dezember zu starten und die Saison noch mit 72 Partien über die Bühne zu bringen. Dass sich die Streitparteien demnächst an einen Tisch setzen, ist jedoch nicht zu erwarten. Sterns Satz vom "nuklearen Winter" lässt darauf schließen, dass Kalter Krieg ausgebrochen ist.

Die Fans haben sie längst vergrault

Die sportinteressierte Öffentlichkeit Amerikas hat mit Unverständnis darauf reagiert. Kaum einer versteht, warum sich die Parteien nach insgesamt mehr als zwei Jahren nicht darauf einigen können, wie sie die Liga-Einnahmen in Höhe von zuletzt 4,3 Milliarden Dollar untereinander aufteilen. Angesichts der Wirtschaftslage in den USA, in der jede Firma um jeden Dollar kämpft, stößt so ein Unvermögen nur auf Kopfschütteln.

NBA Commissioner Stern speaks at a news conference in New York

Der Generalbevollmächtigte der NBA, David Stern, scheut noch davor zurück, die komplette Saison abzusagen.

(Foto: Reuters)

Zumal die Ausgangslage in diesem Sommer nicht unüberbrückbar zu sein schien: NBA-Angaben zufolge war der Spielbetrieb für 22 ihrer 30 Klubs zuletzt ein Verlustgeschäft gewesen, das sich in der vorigen Saison auf 300 Millionen Dollar summiert habe. Die Liga ging daher in die Tarifgespräche mit der Forderungen nach einem einschneidenden Gehaltsverzicht der Spieler; deren Durchschnittsverdienst liegt inzwischen bei rund fünf Millionen Dollar pro Saison.

Die Spielergewerkschaft zweifelte die Verluste zwar an, zumindest in der genannten Höhe, kam den klammen Teambesitzern aber etwas entgegen - nur halt nicht im gewünschten Maß. Unter dem alten Tarifvertrag standen den Profis 57 Prozent der Gesamteinnahmen zu, die Teambesitzer wollten das zunächst auf 47 Prozent drücken. Die jeweils letzte Verhandlungsposition war eine Teilung im Verhältnis von 50:50 (NBA) bzw. 52:48 aus Gewerkschaftssicht. Jedes Prozent, um das gefeilscht wird, entspricht einer Summe von 40 Millionen Dollar im Jahr; die Spieler waren demnach bereit, zwei Drittel der reklamierten Verluste ihrer Arbeitgeber zu kompensieren.

"Der neue Tarifvertrag hätte längst abgeschlossen sein können", sagte Gewerkschaftsfunktionär Billy Hunter am Montag in New York: "Wir haben gegeben, gegeben und gegeben. Aber das ging so weit, dass die Teambesitzer zu viel gefordert und die Spieler sie jetzt eben zurückgewiesen haben." NBA-Chef David Stern hingegen kritisierte, dass die Gewerkschaftsführer den jüngsten Vorschlag nicht einmal allen Profis zur Abstimmung vorgelegt hatten, bevor sie ihn ablehnten: "Wenn ich Spieler wäre, würde ich mich sehr darüber wundern, was Billy Hunter hier gerade getan hat." Beide Seiten schieben sich also die Schuld zu für das Scheitern der Verhandlungen. Dass sie die Fans längst vergrault haben, merken sie offensichtlich nicht: Bei einer Umfrage gaben 76 Prozent an, die NBA nicht zu vermissen.

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