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Taktik-Umstellung beim FC Bayern:Wie verkleidete Borussen

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Mit einem Stil, der für Gladbach und Dortmund charakteristisch ist, gewinnt der FC Bayern gegen das Team von Jürgen Klopp. Pep Guardiola beweist, dass er zu einem Plan B fähig ist. Der BVB hat düstere Personaldebatten vor sich - und droht das sportliche Minimalziel zu verfehlen.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Der Stratege Pep Guardiola ist dafür bekannt, dass er versucht, eine ähnliche Dominanz auf dem Rasen auszuüben wie einst die spanische Armada über die Weltmeere. Flexibel wie ein Flottenverband sollen sich seine Spieler verschieben, sie sollen den Gegner in jeder Situation bedrängen, belagern und belästigen. Ihm alle Fluchtwege zustellen - und: Höchst elegant soll das Ganze natürlich auch noch wirken. Maßgeschneidert halt, wie der Anzug des Chefstrategen.

So kannte man den Pep-Fußball vom FC Barcelona, so kennt man ihn aus den vielen besseren Tagen mit dem FC Bayern. Und nun das: Rückzug vor den eigenen Strafraum, rasselnde Riegelketten vor dem Tor von Manuel Neuer, Befreiungsschläge, die wie verirrte Kanonenkugeln durch die Arena rauschen. Begleitet von einem für die Pep-Bayern fast schon beschämenden Ballbesitzwert von nur knapp 50 Prozent. Würde man Guardiola solche Daten nach einem normalen Spieltag präsentieren, er würde sich wenden mit Grausen.

Die Bayern als verkleidete Borussen

Aus Dortmund aber verabschiedete er sich mit einem Grinsen. Er hatte ja nicht nur dieses Duell gewonnen, er hatte auch all jene widerlegt, die bis zum Ostersamstag der Meinung waren, Guardiola pflege nur diesen stets nach vorne gerichteten Stil. Er verfüge nicht über einen Plan B; er reagiere nicht flexibel, wenn Plan A nicht durchzusetzen sei. Wie zwei Wochen zuvor, als sich die Gladbacher ähnlich verhielten wie die Münchner in Dortmund - und die Bayern auf die giftigen Konter der Gäste keine Antwort wussten.

Und jetzt? Wirkten die Münchner quasi wie verkleidete Borussen. Siegten sie in einem Stil, der eigentlich für beide Bundesliga-Borussias charakteristisch ist. Zumindest dann, wenn diese auf die Bayern treffen. Mit gepflegtem Konterfußball hatten die Gladbacher jüngst in München 2:0 gesiegt - mit blitzartigem Überfallfußball Klopp'scher Prägung hatten die Dortmunder den Münchnern in der Vergangenheit so manche Demütigung bereitet. Nun aber: Ein einziger Konter genügte, ein einziges Lewandowski-Tor - und dann die Schotten dicht gemacht. Zu bestaunen war die Kanonade der Befreiungsschläge, an der die Münchner, das war in den Gesichtern zu erkennen, ihre gar nicht einmal so klammheimliche Freude hatten.

Ähnliches wird sich im Pep-Revier vermutlich nicht allzu oft wiederholen. Die neue Strategie - Plan B wie: Bolzen - war aus der Not geboren. Wenn Dynamiker und Kreativkräfte (Robben, Ribéry, Alaba) verletzungsbedingt ausfallen, fühlt sich eine Mannschaft auch mal etwas wohler, wenn sie nicht nur rastlos gestalten muss, sondern sich auch mal einigeln, abwarten und plötzlich zustechen darf.

Am wenigsten konnten mit dieser Umkehr der Strategie die Dortmunder anfangen. Deren erwartete Angriffswellen wurden früh gebrochen, es gab einige wenige interessante Schussversuche von Marco Reus, doch viel mehr war da nicht.

Und so steht der BVB vor weiteren schweren Wochen. Mit einem Prestigeerfolg über die Bayern hätte sich sportlich einiges kaschieren lassen, so aber: Die Borussia, das Offensiv-Feuerwerk von einst, hat seit der kleinen Ewigkeit von nun schon drei Heimspielen nicht mehr ins Tor getroffen. Sogar die Europa League, die für den Klub finanziell und sportlich wichtig ist, wird nur schwer zu erreichen sein. Zumal sich düstere Debatten verstärken werden. Kapitän Mats Hummels, der am Samstag kein Souverän in der Defensive war, kokettiert zum Beispiel mit einem Abschied, Trainer Klopp hat sich, was seine Zukunft betrifft, nicht klar und definitiv festgelegt.

Für Borussia könnte das 0:1 langfristige Folgeschäden haben. Für die Bayern wird das 1:0 zunächst nur eine Momentaufnahme sein. Motto: Wir können nicht nur diesen Ballbesitz- und Kreiselfußball. Wir können nicht nur Stöckelschuh. Wir können auch mal schmucklos siegen, wir können auch mal ganz, ganz anders.

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