Taktik im Pokal-Finale:Der Sieger heißt: Pep Guardiola

Borussia Dortmund - FC Bayern München

Hoch gepokert, hoch geflogen: Bayern-Trainer Pep Guardiola

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Es stand auch die Reputation des Bayern-Trainers auf dem Spiel. Doch im Pokal-Finale gegen den BVB radikalisiert sich Pep Guardiola selbst, stellt sein System völlig um. Nie war in Deutschland mehr Pep-Fußball zu sehen.

Von Thomas Hummel

Mut hat er, der Josep Guardiola. Und das Selbstvertrauen, seine eigenen Vorgaben durchzusetzen. Selbst unter riesigem Druck.

Eine ganze Saison hatte vor diesem Finale im DFB-Pokal auf dem Spiel gestanden, seit dem 0:4 gegen Real Madrid auch ein bisschen die Reputation dieses angeblich besten Trainers der Welt. Nicht wenige hätte da der Selbstzweifel umzingelt. Nicht so beim Übungsleiter des FC Bayern München.

Pep Guardiola hat sich durch das 0:4 gegen Madrid (und auch ein bisschen durch das 0:3 gegen den BVB in der Bundesliga) selbst radikalisiert. Nie war in Deutschland mehr Pep-Fußball zu sehen als am Samstag in Berlin. Dass dieser Pep-Fußball trotz vieler Ausfälle zu einem 2:0 nach Verlängerung gegen Borussia Dortmund führte, wird die Stellung des Katalanen in Bayern nachhaltig festigen. Es war sein Sieg.

Guardiola hatte sich in der Woche vor diesem Finale von seinem erfolgreichen, aber ungeliebten Mittelstürmer Mario Mandzukic getrennt. So etwas löst Debatten aus. "Klar, es war ein Risiko", sollte er später bekennen. Und obwohl ihm mit Bastian Schweinsteiger, Thiago, David Alaba und zu Beginn auch Franck Ribéry wichtige Profis fehlten, stellte er sein Spielsystem radikal um. Die Bayern agierten mit einer Dreier-Abwehrkette, davor vier Mittelfeldspieler auf einer Linie, davor wiederum drei Offensive.

Innerhalb dieses 3-4-3 gab es verschiedenste Ausprägungen, die schwer in Zahlen zu fassen sind. Anhand des Phänomens Dreierkette lässt sich allerdings vieles von diesem Finale und dem Sieger-Trainers erklären.

Pep Guardiola schwärmt längst vom 3-4-3. Es ist das System, in dem potenziell am meisten Mittelfeldspieler auflaufen, und Guardiola liebt Mittelfeldspieler. Er hatte das beim FC Barcelona einige Male praktiziert, in München allerdings erst ein Mal: Im Testspiel bei Red Bull Salzburg. Und da war es so gründlich schief gegangen, dass er erstens nach einer halben Stunde zur Viererkette zurückgekehrt war und zweitens ein noch schmeichelhaftes 0:3 erklären musste.

Nun das Pokal-Finale gegen den BVB, das wichtigste Spiel der Saison - und Guardiola holt sie wieder raus, die Dreierkette. Wagemutig war das. Der Trainer riskierte seinen guten Ruf.

Doch der Plan half den Spielern trotz der vielen Umstellungen, Borussia Dortmund über lange Zeit zu kontrollieren. Die Münchner hatten mit der Dreierkette sowie Philipp Lahm (nach dessen Auswechslung Mario Götze) und Toni Kroos so viele Spieler im Zentrum, dass weder das Dortmunder Pressing verfing, noch deren Konter ins Laufen kamen. Mit Pierre-Emil Hojbjerg und Rafinha auf den Außenbahnen kamen zwei Profis dazu, die sich bei Bedarf nach hinten oder in die Mitte orientierten, und so hatten die Bayern fast immer Überzahl rund um die Mittellinie. Der BVB hatte dort keine Zeit zum Denken - genauso, wie es Guardiola will.

Das taktische Foul erlebte eine Wiedergeburt

Hinzu kam eine fast wilde Entschlossenheit der Münchner, es sich und der Welt diesmal zu zeigen. Zweikämpfe führten sie energisch wie selten. Und wenn sein muss, unterbanden sie einen Schnellangriff der Dortmunder mit einem Foul. Ja, das gute, alte taktische Foul erlebte eine Wiedergeburt, schon nach drei Minuten hielt Philipp Lahm den enteilten Marco Reus wie ein SEK-Einsatzmitglied einen Hooligan fest.

Nicht nur BVB-Trainer Jürgen Klopp reagierte überrascht, dass Schiedsrichter Florian Meyer hier kein Gelb zog. Es gab noch einige Situationen, in denen Meyer das taktische Foul nur mit einem Freistoß bestrafte, was den Münchner half, die Dortmunder Geschwindigkeit zu bändigen.

Der BVB benötigte fast eine Stunde, um sich auf den Gegner einzustellen. Dass es bis dahin immer noch 0:0 stand, verdeutlicht den Umstand, dass der Klub in Roman Weidenfeller über einen hervorragenden Torhüter verfügt. Sowie über eine ebenso gute Mannschaft, die trotz der Wirrungen die Bayern zuerst einigermaßen vom Tor fernhielt und anschließend sich so anpasste, dass am Ende auch ihr Erfolg nicht unverdient gewesen wäre.

Beide schossen während der 120 Minuten je acht Mal auf das Tor des Gegners. Die Münchner hatten mehr gute Chancen, die Dortmunder schossen dafür ein reguläres Tor. Dante klärte den Kopfball von Mats Hummels deutlich hinter der Linie.

Klopp brachte nach einer Stunde Oliver Kirch für den eher schwachen Henrikh Mkhitaryan, wodurch seine Mannschaft das Zentrum besser in den Griff bekam. Einen Weg durch das Münchner Dickicht fand sie dennoch nur selten, spätestens beim überragenden Javi Martínez war fast immer Schluss.

Das Spiel bot nicht viele Torszenen. Es war kein Spektakel für Eventzuschauer. Dennoch zeigten diese zwei Mannschaften eine prickelnde Partie, ein Schauspiel des höchsten Fußball-Niveaus der Jetzt-Zeit. Sie wirkten wie zwei Mühlsteine, die mit aller Gewalt in die entgegengesetzte Richtung rollen wollten, durch den enormen Druck rieselte zwischen ihnen der Kieselsand herunter bis an einer Stelle der entscheidende Brocken herausbrach.

Das war der Abwurf von Weidenfeller auf Kevin Großkreutz, Jérôme Boateng hatte in der 107. Minute noch die Geistesgegenwart für das Gegenpressing, eroberte weit vorne den Ball und schlug die entscheidende Flanke auf Arjen Robben.

Dass in der Verlängerung gleich mehrere Bayern-Spieler ihre Muskelkrämpfe nicht mehr in den Griff bekamen, verdeutlichte den Aufwand, mit dem sie Guardiolas Plan umgesetzt hatten. Thomas Müller sah bei seinem Sprint zum 2:0 aus wie eine Holzpuppe, so steif wirkte er. Eine phänomenale Willensleistung.

Was ist nun entscheidend für ein solches Fußballspiel? Die taktischen Vorgaben der Trainer? Die Entschlossenheit, der Wille? Der Linienrichter, der ein Tor nicht sieht? Am Ende steht jedenfalls ein großer Sieger: Pep Guardiola.

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