Taktik bei Dortmund gegen Bayern:Guardiolas entscheidende Rochaden

Borussia Dortmund - Bayern München

Großer Anteil am Sieg: Bayern-Coach Pep Guardiola.

(Foto: dpa)

Pep Guardiola ist bekannt dafür, dass er für große Partien neue taktische Elemente ins Spiel seiner Mannschaften einfließen lässt. Gegen Dortmund versucht es der Bayern-Coach erst mit Javi Martínez als Zehner. Das Duell entscheidet er mit seinen Rochaden in der zweiten Halbzeit.

Eine Analyse von Thomas Hummel

Jürgen Klopp reagierte erstaunt. Er habe die Bayern seit langem beobachtet, aber so viele lange Bälle wie am Samstagabend hätten sie seit bestimmt drei Jahren nicht mehr gespielt, sagte er. Der FC Bayern unter Trainer Pep Guardiola nutzt das Stilmittel des langen Balls? Das wäre ja ganz was Neues. Und deshalb durchaus plausibel.

In Spanien ist bekannt, dass Guardiola für besondere Partien neue taktische Elemente in das Spiel seiner Mannschaft einfließen lässt. So auch beim Spitzenspiel bei Borussia Dortmund. Er hatte angekündigt, was er als größtes Problem gegen diese Borussen identifiziert hatte: Kollege Klopp habe die beste Kontermannschaft der Welt erschaffen. Dass Guardiolas Bayern diese Elf mit 3:0 besiegen konnten, lag allerdings nicht am langen Ball. Ob der nun geplant war oder nicht.

Der FC Bayern begann in Dortmund mit einer dicken Überraschung in der Startformation: Javi Martínez, Triple-Gewinner im defensiven Mittelfeld und als Innenverteidiger erprobt, begann auf der Zehn, also im zentralen offensiven Mittelfeld. Das hatte Auswirkungen: Martínez war der zweikampfstärkste Zehner der Welt, damit wollte Guardiola wohl die BVB-Konter an der Wurzel packen. Das klappte allerdings nur mäßig, zudem stockte das Münchner Offensivspielspiel in der ersten Halbzeit erheblich, weil Martínez eben kein Spielgestalter ist.

Die Dortmunder hielten sich mit taktischen Überraschungen zurück, wenngleich ihr Defensivspiel mit dem vom Champions-League-Finale im Mai nichts mehr zu tun hatte. In London hatte Trainer Klopp seine Spieler weit nach vorne beordert, um das Aufbauspiel der Münchner zu stören. In diesem Bundesliga-Spiel griffen die Dortmunder zumeist erst ein paar Meter vor der Mittellinie an - und konzentrierten sich dabei auf Philipp Lahm und Toni Kroos.

Lahm agierte wieder im defensiven Mittelfeld, rückte im Aufbauspiel wie gewohnt weit nach hinten und gab eine Art Libero. Von dort aus sollte er den ersten Pass nach vorne spielen, gerne auf Kroos, der sich zehn Meter weiter vorne anbot. Die BVB-Offensiven wollten genau diese beiden zumindest blocken und so kam der Ball stets zu den Innenverteidigern Jérôme Boateng und Dante, die häufiger als sonst mit weiten Flugbällen agierten.

Mit Mario Mandzukic und Javi Martínez standen ja zwei Kopfball-Heroen ganz vorne in der Mitte, zudem hebelten sie damit das Dortmunder Pressing aus. Positive Wirkung allerdings verfehlte diese Strategie, weil die BVB-Abwehr mit Neuling Manuel Friedrich und dem enorm starken Sokratis fast alle Kopfballduelle gewann und die zweiten Bälle oft bei den Gastgebern landeten.

Aus diesen Ballgewinnen entwickelte der BVB Mitte der ersten Halbzeit seine Angriffe. Fast immer ging es dabei über recht, über den großartigen Kevin Großkreutz, der mit mehreren 80-Meter-Sprints den freien Raum nutzte und die Möglichkeiten vorbereitete. Da nahm der von Guardiola gefürchtete Überfall-Fußball des BVB Gestalt an. Wären Lewandowski, Mkhitaryan, Reus und Blaszczykowski zielstrebiger gewesen, auch Dortmund hätte in Führung und das Spiel gewinnen können.

Lahm, der perfekte Gegenpresser

Ansonsten taten die Bayern alles, um die schnellen Gegenstöße des Gegners zu unterbinden. Besonders Philipp Lahm und der immer wieder nach innen rückende Außenverteidiger David Alaba gaben die perfekten Gegenpresser wie Passwegzusteller. Und dann vollzog Guardiola die entscheidenden Rochaden. Er merkte wohl, dass der lange Ball nicht das richtige Mittel für seine Hochbegabten-Elf ist und brachte Anfang des zweiten Durchgangs noch zwei Super-Super-Hochbegabte, um das Mittelfeld zu stärken: Mario Götze und den genesenen Thiago Alcántara.

Der Zweikämpfer Javi Martínez rückte zurück in die Innenverteidigung, Götze gab die "falsche Neun", also den zurückfallenden Mittelstürmer. Für Dortmund wurde es immer schwieriger, an den Ball zu kommen, geschweige denn, schnelle Gegenstöße zu fahren. Was denn in der zweiten Halbzeit besser gewesen sei, fragte das ZDF Guardiola: "Die Überzahl im Mittelfeld. Die Mittelfeldspieler bestimmen das Spiel, sie machen alles, ich bin ein Fan der Mittelfeldspieler. Mit Kroos, Lahm, Thiago, Götze - klar, dass wir da besser werden."

So entstand dann auch das 1:0. Die Passmaschinen im Münchner Mittelfeld schoben sich den Ball so lange zu, bis einer frei stand. Auf Zuspiel von Lahm war das Thomas Müller rechts. Der passte scharf in die Mitte, wo Götze vollendete. Das zweite Tor entsprang einem Konter (Guardiola mit Klopp-Taktik?), das dritte der schwindenden Dortmunder Gegenwehr.

Bis zum 0:2 versuchten es die Gastgeber zwar hartnäckig mit ihrer Gegenpressing-Strategie, hatten über Sven Bender, Nuri Sahin und Mkhitaryan bisweilen Erfolg damit. Doch das Niveau des Gegners in der Mitte des Platzes war einfach zu hoch. Beispiel Philipp Lahm: Er spielte 72 Pässe (bester BVB-Spieler Sahin mit 37), unfassbare 94,4 Prozent davon kamen an.

Kroos, Thiago, Götze oder auch Alaba lagen ebenfalls rund um die 90 Prozent. Das Dortmunder Pressing hat an diesem Abend seinen Meister gefunden.

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