Tahiti beim Confed-Cup:Inselfußballer im Märchenland

Tahiti debütiert beim Confed-Cup

Tahiti debütiert beim Confed-Cup (Archivbild vom Finalspiel der Ozeanienmeisterschaft 2012 auf den Salomonen, das die Tahitianer aus Französisch-Polynesien mit 1:0 gegen Neukaledonien gewannen).

(Foto: dpa)

Tahiti ist der Exot unter den Teilnehmern des Confed-Cups. Aus Mehlträgern und Kletterarbeitern versucht Trainer Etaeta ein Team zu formen. Er glaubt nicht, dass eine Fußballnation wie Spanien sein kleines Land auf dem Platz blamieren wird. Weil dies der Anstand verbiete.

Von Johannes Mitterer

Extrem laut ist es zuletzt geworden im Training der Fußball-Nationalmannschaft von Tahiti. Fangesänge, Sprechchöre und Jubelschreie aus 10.000 Kehlen begleiteten die Einsätze der Fußballer aus dem Inselarchipel im Südpazifik. Früher waren selten mehr als hundert Zuschauer zu hören, wenn die eigene Nationalelf spielte. Doch jetzt ist alles anders.

Am Freitag beginnt der Confedarations Cup in Brasilien, und Tahiti ist der Exot unter den Teilnehmern. Noch nie stand die Nationalmannschaft so sehr im Fokus, noch nie spielten die Inselfußballer in solch großen Stadien.

"Wir haben beim Training zu Hause über den Lautsprecher die Stimmung eingespielt, damit sich die Jungs an das Geschrei von 100.000 Zuschauern gewöhnen können und nicht überwältigt sind", sagt Trainer Eddy Etaeta. Die gigantische Stimmung beim Training war also nur ein Trick. Etaeta weiß: "Es ist sehr schwer, sich bei diesem Geräuschpegel auf das Spiel zu konzentrieren, wenn man im Kopf nicht vorbereitet ist."

Die Tahitianer nehmen den Confed-Cup ernst. Vom 15. Juni bis 1. Juli muss sich der Fußball-Zwerg in der Vorrunde mit Weltmeister Spanien, mit Uruguay und Nigeria messen - unter anderem im fast 100.000 Zuschauer fassenden Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro. Angreifer Steevy Chong Hue sagt, so viele Menschen wüssten daheim in Tahiti nicht mal, dass es eine nationale Fußballmannschaft gibt. Wie auch? Gerade einmal knapp 190.000 Menschen leben auf der kleinen Insel im Pazifischen Ozean. Das Land hat eine Fläche, etwa so groß wie Berlin.

Das Weiterkommen beim Confed-Cup ist nahezu ausgeschlossen, der Erfolg ist bereits die bloße Teilnahme. Auch wenn die Mannschaft, wie erwartet, alle Gruppenspiele verlieren sollte, bekommt der Verband Einnahmen von rund 1,3 Millionen Euro. Eine willkommene Finanzspritze für ein Land mit geringen Fußballressourcen und noch geringerem Fußballbudget.

Angreifer Hue war es, der mit seinem Tor zum 1:0-Sieg über Neukaledonien im Finale der Ozeanienmeisterschaft für die erste Qualifikation eines Pazifik-Inselstaates für den Confed-Cup sorgte. Tahiti durchbrach damit die Dominanz der Seriensieger Australien (seit 2006 Teilnehmer der Asienmeisterschaft) und Neuseeland. Eine ganz schöne Sensation.

Droht ein Debakel gegen Spanien?

Seitdem arbeitet der Verband eifrig an den Vorbereitungen für den großen Auftritt. Zunächst brauchte Trainer Etaeta einen Kader. Profis gibt es im Land kaum - dafür hat der Verband Stürmer Samuel Hnanyine, Verteidiger Teheivarii Ludivion und Torwart Gilbert Meriel und weitere 19 teils arbeitslose Amateure für zwei Monate unter Vertrag genommen. Hnanyine ist normalerweise Mehlträger, Ludivion verdient sein Geld als Kletterarbeiter, Meriel arbeitet als Gutachter. Für die nächsten Wochen arbeiten sie als Fußballprofis.

Bekanntester Kopf des Teams ist Marama Vahirua, ein richtiger Profi. Der 33-jährige Sturm-Veteran schoss im Jahr 2001 den FC Nantes zum französischen Meistertitel und war zuletzt für den griechischen Erstligisten Panthrakikos Komotini tätig. Der wendige Angreifer ist besonders für seinen eigenwilligen Torjubel bekannt. Mit drei angedeuteten Stechpaddelschlägen erinnert er nach seinen Treffern an den tahitianischen Nationalsport "Va'a" - eine Art Kajaksport.

Die Blicke des ganzen Landes richten sich auf Vahirua, besonderen Druck verspürt der Stürmer dadurch aber nicht: "Die Menschen erwarten natürlich eine Menge von mir. Doch der Fussball wird zu elft gespielt, und dazu kommen noch die Ergänzungsspieler. Es ist nicht so, dass ich alleine für Sieg oder Niederlage der Mannschaft sorgen werde."

Zwei echte Tests haben die Tahitianer vor dem Confed-Cup absolviert. Nicht sonderlich erfolgreich: Gegen den brasilianischen Zweitligisten America Mineiro aus Belo Horizonte verlor das Team 0:1. Gegen die U20-Auswahl Chiles setzte es ein 0:7. Die Kräfteverhältnisse dürften damit hinreichend erläutert sein. Wenn es in der Vorrunde gegen Spanien oder Uruguay geht, droht dann ein Debakel?

Der Trainer lässt sich nicht entmutigen. "Für uns ist das wie ein Film", sagt Etaeta: "Auf dem Weg hierher sind meine Spieler zum ersten Mal in ihrem Leben Business Class geflogen. Viele waren noch nie auf einem anderen Kontinent oder haben vor der Presse gesprochen. Daher habe ich ihnen gesagt: Ihr erlebt jetzt ein Märchen, aber schnappt nicht über, denn es endet auch wieder." In erster Linie sei der Confed-Cup eine gute Möglichkeit, Werte wie Respekt und Loyalität zu vermitteln, die, im Profifußball längst verloren, im Amateurfußball noch von Bedeutung seien.

Deshalb rechnet der Trainer auch nicht mit einer großen Demütigung. Etaeta sagt: "Spanien wird uns nicht abschießen wollen. Das gebietet der Anstand. Hat es der Weltmeister nötig, uns mit 20 Toren zu demontieren und den Amateurfußball zu blamieren? Wäre das respektvoll, wäre das schön? Ich denke nicht."

(Mit Material von dpa)

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