Süddeutsche Zeitung

Serbischer Fußballer Dusan Tadic:Ein Spieler, für den man ins Stadion geht

  • Bei Serbiens Nationalteam, dem deutschen Gegner am Mittwochabend, lohnt ein Blick auf Mittelfeldspieler Dusan Tadic.
  • Der Mann von Ajax ist zwar schon 30, spielt aber derzeit seinen besten Fußball.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Vujadin Boskov war ein Weiser des Fußballs, mit einem Hang zu Herbergerschen Sentenzen, die ihn überlebt haben. 1978, als es noch das Land Jugoslawien gab, für das er 58 Länderspiele bestritt, war Boskov Trainer bei Real Saragossa in Spanien, und er radebrechte sich zu einem universell einsetzbaren Satz: "Fútbol es fútbol", Fußball ist Fußball.

Wenig später wurde Boskov Trainer bei Real Madrid, danach bei Vojvodina in Novi Sad Gründer der Jugendakademie, die nun seinen Namen trägt und auf deren Plätzen Talente gedeihen. Als Boskov im April 2014 in Novi Sad verstarb, ahnte er nicht, dass man nahezu alle diese Signalwörter - Boskov, Vojvodina, Real Madrid - ein paar Jahre später auch um einen anderen Namen würde ranken können: Dusan Tadic.

Der serbische Nationalspieler, der die Vujadin-Boskov-Akademie von FK Novi Sad durchlaufen hatte, gab sich Anfang März als bestgehütetes Geheimnis des Fußballs zu erkennen, als Weltklassespieler: Zum 4:1-Sieg von Ajax Amsterdam bei Real Madrid steuerte er zwei Vorlagen und ein furioses Tor bei. Und das mit 30 Jahren, in einem Alter, das man für "Entdeckungen" untypisch nennen müsste.

Wenn Fußball nicht Fußball wäre. Es gibt seit jenem 4:1 exakt zehn Fußballer, die von der französischen Sportzeitung L'Équipe jemals mit zehn von zehn Punkten bewertet wurden. Tadic erweiterte diesen illustren Kreis - im 14. Spiel seiner allerersten Champions-League-Saison -, indem er Real eine der dunkelsten Nächte bereitete. Und das Universum mit Fragen füllte: Wo nur kommt dieser Tadic her, der am Mittwoch in Wolfsburg die serbische Mannschaft gegen Deutschland anführen wird? Wo hatte er sich versteckt?

Tadic gehörte bei Vojvodina von 2006 an zum Profikader, ab 2009 betreute ihn dort ein Mann, der sich einen Namen in der Bundesliga machte: Dragoslav Stepanovic, dessen Leben auch nach Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen weiterging. Stepanovic erinnert sich an einen "sehr angenehmen Typen", der technisch beschlagen war und damit haderte, nur auf der linken Seite eingesetzt zu werden: "Er war immer meinungsstark." Schon damals habe er Tadic zugetraut, das Spiel zu organisieren, sagt Stepanovic, "in ein paar Spielen habe ich ihn auf der Zehn spielen lassen".

Kurz zuvor war Tadic zu einem Thema fürs Nationalteam geworden. Unter Radomir Antic gab er als 20-Jähriger sein Debüt für Serbien, bislang lief er 61 Mal auf. Vor allem aber wurden niederländische Scouts auf ihn aufmerksam. Erst holte ihn der FC Groningen, dann Twente Enschede, wo er auf Youri Mulder traf; der frühere Schalker arbeitete dort als Co-Trainer. Tadic brillierte derart, dass ihn Ronald Koeman, der heutige niederländische Nationaltrainer, erst zu Feyenoord Rotterdam holen wollte, ihn aber erst bekam, als er beim FC Southampton anheuerte.

Dort blieb Tadic vier Jahre, sorgte für einen Rekord, als er beim 8:0 gegen den FC Sunderland in einem Spiel vier Vorlagen gab - doch er wurde zugleich den Ruf nicht los, seine Klasse nur alle vier Wochen zeigen zu können. Im vergangenen Sommer holte ihn Ajax zurück in die Eredivisie, für eine Ablöse von angeblich knapp 12 Millionen Euro, die durch leistungsbezogene Extrazahlungen auf 20 Millionen anwachsen könnte. Die Millionen haben sich bereits als gut angelegtes Geld erwiesen. Bei Ajax' Viertelfinal-Qualifikation spielte Tadic ebenso eine Schlüsselrolle wie in der Liga, in 25 Partien stehen für ihn 19 Tore und acht Vorlagen zu Buche.

Warum er erst jetzt so im Rampenlicht steht? "Er ist erstmals bei einem Topverein. Er spielt jetzt mit richtig guten Spielern zusammen", sagt Mulder, der einstige Schalker, der sich immer gefragt haben will, warum die europäischen Topklubs nie versucht haben, Tadic zu holen: "Das ist der klassische Spieler, für den du ins Stadion gehst", sagt Mulder und schwärmt. Tadic könne alle offensiven Positionen bekleiden, also auf beiden Außenpositionen, im Sturmzentrum, als Zehner oder falscher Neuner spielen.

Er habe individuelle Klasse und Teamgeist, schirme den Ball gut ab. "Der schiebt den Arsch richtig gut raus", formuliert es Mulder. Außerdem sei er so gut wie nie verletzt, weil er immer viele individuelle Extraschichten eingelegt habe; Mulder hatte deswegen stets die Befürchtung, Tadic könnte zu viel trainieren. Vor allem aber habe er einen guten Abschluss und ein grandioses Dribbling, sagt Mulder. Und er habe dabei nicht nur die "Roulotte" im Kopf, jene Pirouette auf dem Ball, die Tadic im Bernabéu bei einer Torvorlage zum Besten gab - womit er unweigerlich Erinnerungen an Zinédine Zidane weckte, der wenige Tage nach der Pleite gegen Ajax von Real wieder zum Trainer berufen wurde.

"Dass er das dort gemacht hat, dass er da so aufgetreten ist, auf so einer Bühne - das zeigt vor allem eins: seinen Charakter", sagt Antic, der beim bisher letzten Duell Deutschlands mit Serbien, bei der WM 2010, Coach war und Bundestrainer Löw taktisch auseinandernahm - Deutschland verlor 0:1. Tadic habe "schon immer eine gute Übersicht und einen guten Pass gehabt, er hat beides verbessert", sagt Antic. Pässe von Tadic landeten immer vor dem Empfänger, "der Stürmer hat nie die Notwendigkeit, den Ball erst anzunehmen, er kann ihn sofort verarbeiten".

Die Frage ist, ob Tadic dies auch beim aktuellen Nationaltrainer Mladen Krstajic so zur Geltung bringen kann wie bei Ajax. Krstajic, sagt Antic, würde dem Ballbesitz weniger Wichtigkeit beimessen als der Verteidigung, das System nicht an den Spielern ausrichten, sondern die Spieler in sein System pressen. Tadic aber ist ein Freigeist, "einer, dem man sagen muss: Mach! Und nicht, was er machen soll", wie die Gazzetta dello Sport zuletzt über Tadic schrieb.

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SZ vom 20.03.2019/jbe
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