T-Mobile suspendiert Ärzte:Das Schweigen war zu laut

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Schmid und Heinrich werden von D'hont beschuldigt, zumindest zwischen 1993 und 1996 die Fahrer des Teams Telekom systematisch mit dem Dopingmittel Epo versorgt zu haben.

Thomas Kistner

Am Mittwochabend glühten die Drähte zwischen Bob Stapleton, Team-Manager von T-Mobile, und den Freiburger Sportmedizinern Andreas Schmid und Lothar Heinrich. Es war wohl eine Art vorbereitende Gesprächsoffensive, denn tags darauf, am Donnerstagmittag, war es offiziell: Der deutsche Radrennstall reagierte auf die Dopingvorwürfe gegen sein langjähriges Ärzte-Team von der Universitätsklinik Freiburg und suspendierte das in massiven Manipulationsverdacht geratene Duo. ,,Nach Gesprächen mit den Betroffenen sind wir überein gekommen, die Zusammenarbeit mit beiden bis auf weiteres ruhen zu lassen'', so die offizielle Mitteilung von Stapleton.

Schmid und Heinrich: das Schweigen ist zu beredt. (Foto: Foto: dpa)

Wobei sich auch diese Gespräche im Kern immer wieder um die eine Frage gedreht hatten: Warum gehen die beiden Mediziner nicht juristisch gegen Behauptungen des ehemaligen Team-Masseurs Jef D'hont vor, der sie beschuldigt, beim Vorgänger-Rennstall Telekom an organisiertem Doping beteiligt gewesen zu sein? Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen Heinrich und Schmid eingeleitet, zudem versucht ein interner Ausschuss der Uni-Klinik, Licht in die Affäre zu bringen.

Mit einer dramatischen Wende in der Angelegenheit rechnet kaum noch einer der Beteiligten - zu beredt erscheint das Schweigen der Beschuldigten. Und Stapleton hatte den Ärzten ja schon vor Wochen bei Bekanntwerden der Anschuldigungen geraten, eine Klage gegen den ehemaligen Masseur in Betracht zu ziehen. Dies ist bislang nicht geschehen.

Während der Rennstallchef also den diplomatischen Gepflogenheiten Rechnung trägt und offiziell weiter tapfer hofft, ,, dass die zuletzt gegen die Uniklinik Freiburg erhobenen, nicht nachgewiesenen Behauptungen lückenlos aufgeklärt werden können'', will sich T-Mobile nach Alternativen umsehen, um die Betreuung der Athleten sicherzustellen.

Schmid und Heinrich werden von D'hont beschuldigt, zumindest zwischen 1993 und 1996 die Fahrer des Teams Telekom systematisch mit dem Dopingmittel Epo versorgt zu haben. Der Heidelberger Dopingexperte Professor Werner Franke hatte daraufhin Anzeige wegen Verdachts auf Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz, versuchte Körperverletzung und fortgesetzten Rezeptbetrug erstattet.

Zugleich verteidigt nun Telekoms vormaliger Sportmarketing-Chef Jürgen Kindervater das Kontrollsystem des Magenta-Teams in den neunziger Jahren. ,,Wir haben damals viel Geld in die Hand genommen, um zusätzliche unangemeldete Kontrollen zu bezahlen. Wir haben Geld ohne Ende eingesetzt, um aufzupassen'', sagte Kindervater dem Sportinformationsdienst. Demnach habe Telekom rund eine Million Mark jährlich investiert, etwa um bei der deutschen Anti-Doping-Kommission unangemeldete Tests auf Epo und andere Dopingsubstanzen in Auftrag zu geben. ,,Wir haben im Hintergrund viel getan, ohne laut in der Öffentlichkeit zu berichten. Wir hatten unser eigenes Kontrollsystem neben dem offiziellen, um möglichst hohe Barrieren zu errichten'', sagte Kindervater, der das Unternehmen Ende 2002 verließ. Er verteidigte die Entscheidung, Ärzte nicht direkt beim Rennstall anzustellen, sondern auf externe Mediziner von der Uni Freiburg zu vertrauen: ,,Wir haben damit die größtmögliche Distanz geschaffen.''

Der SZ liegen andere Zahlen vor. Demnach wurde die am 19. August 1998 als ,,große Initiative zur Dopingbekämpfung'' angekündigte Zusammenarbeit zwischen Telekom und dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) über drei Jahre hinweg mit jeweils 250000 D-Mark per annum alimentiert, wobei es zentral um Forschung und Entwicklung von Nachweismethoden ging. Am Ende jedes Jahres wurden die Ergebnisse einer unabhängigen Kommission vorgetragen. Apropos unabhängig: Die Kommission stand unter Leitung des damaligen Freiburger Sportärzte-Chefs Joseph Keul, drin saß für den BDR unter anderem Olaf Ludwig - einer der mit Epo gedopten früheren Telekom-Fahrer, wenn man den detaillierten Insiderberichten von D'hont glauben darf. Es sollten also die ein Kontrollsystem erarbeiten, die im Brennpunkt von Anschuldigungen stehen. Sollte sich dieser Eindruck bestätigen, kann von einer Dopingbekämpfung um wirklich jeden Preis keine Rede gewesen sein. Und es fragt sich, ob die Telekom, die das Geld für die Forschung bereitstellte, nicht Anspruch auf Rückerstattung geltend machen kann.

Nach drei Jahren, die ereignislos verliefen - große Durchbrüche in der Epo-Bekämpfung wurden trotz der hohen Mittel nicht vermeldet -, ging das Programm in eine jährliche Spende in Höhe von 100000 Mark über. T-Mobile hat den Betrag im vergangenen Jahr dem Vernehmen nach auf das Vierfache erhöht. Das zeigt, dass die jetzige Führung und das runderneuerte Team willens sind, tatsächlich etwas gegen Doping zu tun. Das allerdings ist nicht überall so, nicht einmal in Deutschland. Das Team Gerolsteiner zum Beispiel hat die Verlautbarungsebene noch nicht verlassen: Es hat vollmundigen Ankündigungen im Vorjahr, wie aus Nada-Kreisen zu hören ist, kein Geld folgen lassen.

© SZ vom 4.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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