SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 20:Wenn der Schiedsrichter Moonwalk tanzt

Lesezeit: 3 Min.

Die nackte Kanone: Leslie Nielsen als Aushilfs-Schiedsrichter. (Foto: Screenshot Youtube/Paramount Pictures)

In "Die nackte Kanone" wird eines der amerikanischsten Kulturgüter bis in die letzte Pore erklärt: Beim Klamauk im Baseballstadion erwacht die Erinnerung an unbeschwerte Zeiten.

Von Johannes Knuth

Sportfilme haben es von Natur aus schwer: Der geneigte Sportfan erkennt sofort, dass selbst begnadete Schauspieler nicht zwingend Topathleten sind und Topathleten noch seltener begnadete Darsteller. Doch in den vergangenen Jahren ist die Auswahl gelungener Filme immer größer geworden: Die SZ-Sportredaktion stellt in den kommenden Wochen 22 von ihnen vor und kürt damit die - höchst subjektiven - 22 besten. Diesmal Platz 20: "Die nackte Kanone".

Der Schauspieler Leslie Nielsen ist hierzulande fast exklusiv für eine Rolle bekannt: als Hollywoods größer Chaospolizist aus der Nackten-Kanone-Trilogie. Dabei wird leider viel zu selten gewürdigt, dass der 2010 verstorbene Kanadier sowie Regisseur David Zucker in ihre Klaumauk-Reihe auch einen der besten Sport-Kurzfilme eingebettet haben; im Vorbeigehen, wenn man so will.

Zucker hat die entsprechende Sequenz ans Ende des 1988 uraufgeführten ersten Films komponiert. Alle Handlungsfäden und auch das ganze Talent der Besatzung schnurren, wo sonst, in einem voll besetzten Baseballstadion zusammen. Es ist eine Traumpaarung: Da ist zum einen die Begabung von Nielsen und vor allem von Zucker, die beide immer dann zu großer Form aufliefen, je ernster der Stoff war, den sie hochnahmen. Und da ist Baseball, eine der ur-amerikanischen Sportarten, die sich schon sehr gerne und gerne auch sehr ernsthaft in ihren Traditionen und Bräuchen sonnt.

Zuckers siegbringender Schachzug, um mal das Sportreporterdeutsch zu bedienen, ist es, dass er Nielsen in der Szene als Aushilfs-Schiedsrichter einwechselt. Der Baseball-Schiedsrichter, das muss man dazu wissen, darf ein bisschen mehr als seine Kollegen aus anderen Sportarten. Er verfügt über Kompetenzen, die selbst die Fantasien des einstigen Fußball-Referees Wolf-Dieter Ahlenfelder ("Ich pfeif' so, wie ich das auslege") übersteigen würden: Er wacht über eine imaginäre Zone, er brüllt und fuchtelt, wenn ein Ball des Werfers durch diese Zone rauscht, und wenn der Schlagmann sich zum dritten Mal einen derart gelungenen Wurf des gegnerischen Werfers anschaut, dann hat er sein Schlagrecht verwirkt und muss zurück auf die Bank. Aber natürlich erst, nachdem ihn der Schiedsrichter darauf mit einer weiteren Brüll-Fuchtel-Choreografie aufmerksam gemacht hat.

Leslie Nielsen als Wächter über die imaginäre Zone. (Foto: Screenshot Youtube/Paramount Pictures)

Das ist natürlich eine Goldgrube für Zucker und Nielsen, aus der sie wie gewohnt einen hemmungslos übertriebenen Stoff fertigen. Für die Sequenz mit dem Schiedsrichter verweben sie Michael Jacksons Moonwalk mit einem rechten Haken, der jedem übergewichten US-Schwergewichtsboxer zur Ehre reichen würde. Sie nehmen die Zeichensprache hoch, mit der die Trainer mit ihren Spielern kommunizieren, sie persiflieren die Betrügereien, ohne die auch ein edler Traditionssport natürlich nicht auskommt, vom verkorkten Holzschläger bis hin zu manipulierten Bällen. Nebenbei muss der Aushilfs-Schiedsrichter auch noch einen Mordkomplott aufdecken, der auf, wen sonst, die Queen von England zielt.

...und als tanzender Schiedsrichter. (Foto: Screenshot Youtube/Paramount Pictures)

Mildernde Umstände für Baseball-Reporter

Zucker macht sich nebenbei auch nicht nur über die Kompetenz der anwesenden TV-Reporter lustig - er nimmt selbstverständlich das ganze Wesen der TV-Sportreporter an sich hoch, die eine Partie in den USA schon mal zu dritt oder viert begleiten. Wobei für die Baseballer da mildernde Umstände gelten.

Selbst Leslie Nielsen wäre vermutlich krachend gescheitert, hätte er ein drei-, vier- oder auch mal fünfstündiges Baseballspiel alleine kommentieren müssen. Es ist sicher kein Zufall, dass die Amerikaner immer auch viel für jene Sportreporter übrig hatten, die ein Talent dafür zeigten, sich drei Stunden lang mit allem Möglichen zu befassen, nur nicht mit dem Spiel selbst. Harry Caray, der die lange notorisch erfolglosen Chicago Cubs begleitete, ist einer der berühmtesten Vertreter dieser Spezies. So fängt Zucker bei allem Klamauk nebenbei noch ein weiteres Gefühl ein: dass die Amerikaner nicht zum Baseball gehen, obwohl es so lange dauert. Sondern gerade deshalb.

Wer also schon immer nach einem kurzen cineastischen Handbuch gesucht hat, das eines der amerikanischsten Kulturgüter erklärte, ist bei "The Naked Gun" exakt richtig. Aber auch sonst ist die Klamauk-Reihe immer wieder einen Besuch wert, weil sie von einer Epoche erzählt, in der alles noch ein bisschen unbeschwerter war. Selbst im Baseball.

"Die nackte Kanone", (Original: The Naked Gun), 1988, Regie: David Zucker

Bereits erschienene Rezensionen:

Platz 22: "Free Solo"

Platz 21: "Rush"

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